"Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush": Betroffen unverdrossen

"Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush" ist ein filmisches Wunder, weil das harte Drama über das Versagen des Rechtsstaats im Fall Guantánamo durchaus auch mit Humor gewürzt ist.
Adrian Prechtel
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Erst verschlägt es Rabiye (Meltem Kaptan) in Washington auf einer Pressekonferenz von Angehörigen von Guantanamo-Häftlingen und 9/11-Opfern die Sprache, dann findet sie die richtigen emotionalen Worte und gewinnt die Herzen für sich - begleitet von ihrem Rechtsanwalt (Alexander Scheer).
Erst verschlägt es Rabiye (Meltem Kaptan) in Washington auf einer Pressekonferenz von Angehörigen von Guantanamo-Häftlingen und 9/11-Opfern die Sprache, dann findet sie die richtigen emotionalen Worte und gewinnt die Herzen für sich - begleitet von ihrem Rechtsanwalt (Alexander Scheer). © Luna Zscharnt / Pandorafilm

Kann und darf man einen Film über einen Gefangenen im Lager Guantánamo drehen, ohne Grausamkeiten zu zeigen? Ja, wenn man es so wahrhaftig wie Regisseur Andreas Dresen hinbekommt. Und es ist seine große Kunst, dass man in "Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush" sogar viel Lachen kann. Denn, wie schon der Titel sagt: Der Film nimmt als Ansatz die Perspektive der deutschtürkischen Mutter Rabiye Kurnaz ein.

Deren 19-jähriger Sohn Murat wird im November 2001 in Pakistan von Kopfgeldjägern verhaftet, für 3.000 Dollar an die CIA verkauft und landet für fünf Jahre im rechtsstaatlich völlig haltlosen Folterlager der USA auf Kuba.

Hauptdarstellerin Meltem Kaptan: Naivität als Waffe 

Seine entsetzte Mutter wendet sich an einen Anwalt, Bernhard Docke (Alexander Scheer). Im Film bilden sie ein anrührend komisches Paar: der Hagere, Ernsthafte, hanseatisch Distanzierte und die Dampfwumme, Herzliche, Überschwängliche. Auch daraus schlägt der Film viele witzige Funken.

Die Kölner Comedienne Meltem Kaptan spielt diese Hausfrau aus Bremen, die nicht aufgibt, ihren Sohn aus den Unrechtshänden des US-Militärs und Geheimdienstes frei zu bekommen. Und Kaptan gibt ihr einen vielschichtigen, einnehmenden Charakter als Löwenmutter, die ihre Naivität auch als Waffe einsetzt, trickreich sein kann, eine bedingungslos liebende Kämpfernatur bleibt.

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Damit kommt sie völlig überraschend sogar bis vor den Supreme Court nach Washington, nachdem sie zigfach abgeblitzt ist: bei der deutschen Verwaltung, Justiz und Politik sowie bei der türkischen Regierung. Und in Teilen der deutschen Presse ist sie ohnehin nur die Mutter des "Bremer Taliban".

"Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush": Eine Tragödie des deutschen Rechtsstaats

Natürlich kann der Film "Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush" keine Komödie sein, schon weil er eine Tragödie des deutschen Rechtsstaats ist - mit dem zynischen Gipfel, dass man den Fall deutscherseits schnell entsorgen wollte: Da sich der 19-jährige Murat Kurnaz nicht beim Bremer Kreisverwaltungsreferat rechtzeitig zurückgemeldet hatte - er war 10.000 Kilometer entfernt interniert -, sollte seine deutsche Aufenthaltsgenehmigung erlöschen. Aber, wie sagt Rabiye fast patriotisch: "Ich gehe es an wie ein Türke und bringe es zu Ende wie ein Deutscher." Dazu passt die witzige deutsch-türkische Milieustudie des Films, die sich auch in einem amüsanten Sprachmischmasch mit turbulenten Dialogen äußert.

Nur ein paar kleine Schwächen hat der Film: Zum einen kommt ein rassistisches deutsches Milieu im Film nicht vor, obwohl es auch starke Hetze gegen die Kurnaz-Familie gab. Zum anderen lässt der Film offen, wie der Sohn einer relativ säkularen Familie so stark ins Religiöse entgleiten konnte, so dass man auch als Zuschauer nicht sicher ist, was Murat Kurnaz eigentlich in Pakistan wollte. Wobei mittlerweile mehrfach gerichtlich seine völlige Unschuld geklärt ist - unterstützt vom Satz eines BND-Gutachtens, dass "Murat Kurnaz nur zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort" gewesen sei.

So bleibt bei dieser Tragikomödie auch die Beklemmung, dass ein derartiges Versagen des Rechtsstaates jeden treffen könnte. Und nicht jeder hat Menschen und Idealisten um sich, die gegen dieses Versagen ankämpfen und einen anderen nicht aufgeben. Aber auch in dieser Frage, macht der Film in Form des engagierten Rechtsanwalts ja angenehm Mut.


Kino: City, Solln, Leopold, Mathäser, Monopol, Maxim, Rio; R: Andreas Dresen (D, 119 Min.)

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