Kritik

"Klondike" auf dem Fünf Seen Filmfestival: Wie sich die Gewalt entwickelt

Der Film "Klondike" von Maryna Er Gorbach zeigt 2014 den Beginn des Krieges in der Ukraine.
Adrian Prechtel
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Eine Bombe hat die Wohnzimmerwand aufgerissen.
Eine Bombe hat die Wohnzimmerwand aufgerissen. © FSFF

Gauting - Dass ein Film prophetisch ist, wäre schon allein ein Qualitätsmerkmal. Denn wenn Kunst uns rechtzeitig aufrüttelt, kann das ein Beitrag zur Sicherung der Zukunft sein. "Klondike" spielt im Jahr 2014, als sich in der Ostukraine ein Konflikt zusammenbraut, der sich dann entlädt und zu einem unkalkulierbaren Flächenbrand geführt hat.

Die männliche Logik des Krieges kennt nur Freund oder Feind

Der Film von Maryna Er Gorbach hat ihn kommen sehen - und zeigt die perverse Logik des Krieges, schon bevor er stattfindet: Da sind ein Mann und sein Schwager - in Abneigung verbunden, die tödlich wird, als es um die eskalierende ethnische Frage geht: Auf wessen Seite stehst du?

Er will sich raushalten, seine Frau ist hochschwanger, er laviert - und wird vor die tödliche Entscheidung gestellt: er oder du? Und es ist einer der ergreifendsten Momente des Films, als sich beide doch weigern zu töten, aber in der männlichen Logik des Krieges, die nur Freund oder Feind kennt, dafür bezahlen müssen.

Wäre die Welt friedlicher, wenn sie nicht so stark den Männern überlassen wäre?

"Der Film ist den Frauen gewidmet", schreibt Maryna Er Gorbach am Anfang und Ende von "Klondike" - und wirft damit die Frage auf, ob die Welt friedlicher wäre, wenn sie nicht so stark den Männern überlassen wäre.

Die ukrainische Regisseurin Maryna Er Gorbach. (Archivbild)
Die ukrainische Regisseurin Maryna Er Gorbach. (Archivbild) © Annette Riedl/dpa

Sie sind hier als Aggressionsherde oder gefühlslose ideologisierte Befehlsausführer gezeigt. Die schwangere Irka glaubt, in der Ostukraine bleiben und durchhalten zu können, während um sie die Welt in Trümmer geht. Ihre Leidensfähigkeit ist aber kein passives weibliches Dulden, sondern der Versuch, der Kriegslogik bodenständige, pragmatische, menschliche Stärke entgegenzusetzen.

Regisseurin Maryna Er Gorbach findet auch poetische Bilder

Maryna Er Gorbach zeigt eine schleichende Eskalationsspirale, bei der man sich immer fragt, wann man hätte noch eingreifen können.

Sie findet dafür auch poetische Bilder, wie den Blick durch das in die Wohnzimmerwand gesprengte Riesenloch in eine Landschaft aus Weite, Kuhweiden und Sonnenblumenfeldern - in denen plötzlich wie Sommertraumgeister Lichter aufblitzen: Taschenlampen eines Suchkommandos, das nach Trümmern eines Flugzeugabschusses sucht - eines historisch verbürgten, vertuschten Fehlabschusses einer malaysischen Passagiermaschine 2014 über der Ostukraine.

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Der Handlungsspielraum aller Personen wird in diesem Film von Minute zu Minute geringer. Und so ist "Klondike" der rückblickend noch erschütterndere Appell, keine Zeit zu verlieren, wenn sich ein Konflikt aufbaut. Denn das geschieht schleichend, wenn man sich beginnt, stärker zu bewaffnen, plötzlich Checkpoints an Straßen entstehen, Militärfahrzeuge schwere Waffen transportieren - für wen, wohin? Bis die Zugehörigkeit zu einer Gruppe über Leben und Tod entscheidet, und all das erstickt ist, was uns eigentlich so leichtsinnig als selbstverständlich erschien: Frieden und Menschlichkeit.

Maryna Er Gorbach hat mit "Klondike" ein Kunstwerk geschaffen, das bei aller Kunst so nah an der Wirklichkeit bleibt und entscheidende Fragen an den Zuschauer stellt. Das hat eine seltene, notwendig erschütternde Kraft, wofür "Klondike" auch den Friedenspreis des deutschen Films bekam.


Auf dem Fünf Seen Filmfestival am 2. September (19.30 Uhr) im Kino Gauting, dort auch am 3. September (17 Uhr) - beide Vorstellungen mit der Regisseurin

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