Filmfestival Cannes: Der internationale Club der alten Männer

Beim 77. Filmfestival in Cannes gibt es nur wenige Regisseurinnen im Wettbewerb, aber viele Filme von denen, die seit Jahrzehnten hier ihre Werke präsentieren. Die Abendzeitung berichtet von vor Ort.
Adrian Prechtel
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Cannes, die Kleinstadt der Reichen und Schönen - mit dem Palais du Festival an der Côte d'Azur.
picture alliance / dpa 6 Cannes, die Kleinstadt der Reichen und Schönen - mit dem Palais du Festival an der Côte d'Azur.
Der Palais des Festivals.
picture alliance/dpa/AP 6 Der Palais des Festivals.
Francis Ford Coppola wird seinen neuen Film vorstellen.
picture alliance/dpa/AP 6 Francis Ford Coppola wird seinen neuen Film vorstellen.
Ein Arbeiter hängt das offizielle Plakat der 77. Filmfestspiele von Cannes an der Fassade des Palais des Festivals auf.
picture alliance/dpa/AFP 6 Ein Arbeiter hängt das offizielle Plakat der 77. Filmfestspiele von Cannes an der Fassade des Palais des Festivals auf.
Der Boulevard de la Croisette in Cannes.
picture alliance/dpa/AP 6 Der Boulevard de la Croisette in Cannes.
Mitarbeiter legen den roten Teppich am Palais de Festival für das 77. internationale Filmfestival in Cannes aus.
picture alliance/dpa/AP 6 Mitarbeiter legen den roten Teppich am Palais de Festival für das 77. internationale Filmfestival in Cannes aus.

Cannes - Ist ein Ort ein Mythos, wollen viele Teil des Glanzes sein. Was auch zum Elend führen kann - nicht finanziell. Denn der Stadt mit ihren 75.000 Einwohnern, dem künstlich aufgeschütteten Sandstrand, den geputzten Palmen und der Grand-Hotel-Perlenkette an der Croisette geht es auch wegen des Festival du Film gut. Gegründet wurde es 1939 als Gegengewicht der freien Welt zur faschistisch missbrauchten Mostra del Cinema in Venedig, um dann gleich wegen des Zweiten Weltkrieges wieder abgesagt werden zu müssen. Also ging es an der Cote d'Azur erst 1946 richtig los - mit Glamour und Rummel.

Der Palais des Festivals.
Der Palais des Festivals. © picture alliance/dpa/AP

Die mittlerweile 100.000 Übernachtungsbuchungen in den 12 Tagen des Filmfestivals in Hotels und Pensionen sind dabei nur die halbe Wahrheit. Die Privatvermietungen sind da noch gar nicht mitgezählt. Und eine der Schattenseiten von Cannes ist seine Surrealität: Die Hälfte des gesamten Wohnraums der Stadt sind Zweitwohnungen! Auch hier wohnen große Teile der 12.000 Produzenten, Marketingexperten und Filmhändler, die allein für den Filmmarkt jährlich akkreditiert sind.

Kein deutscher Film in den Hauptreihen in Cannes dabei

Insgesamt 35.000 Menschen kommen in der Kernzeit des Festivals zusätzlich in die Stadt, so dass böse Zungen sagen: Das Filmfestival von Cannes sei das kulturelle Feigenblatt der größten Kommerzveranstaltung des internationalen Filmbusiness. Aber immerhin gibt es rund 4.000 akkreditierte Pressevertreter, die doch eher der Kunst des Festivals folgen.

Dass sich unter den 22 Filmen im Wettbewerb um die Goldene Palme selten deutsche Beiträge befinden, ist kläglich für eine hoch subventionierte nationale Filmindustrie. Auch beim 77. Festival vom 14. bis 25. Mai ist kein deutscher Film in den Hauptreihen dabei.

Ein Arbeiter hängt das offizielle Plakat der 77. Filmfestspiele von Cannes an der Fassade des Palais des Festivals auf.
Ein Arbeiter hängt das offizielle Plakat der 77. Filmfestspiele von Cannes an der Fassade des Palais des Festivals auf. © picture alliance/dpa/AFP

2004 hatte der Österreicher Hans Weingartner mit seinem links-revolutionärem, in Deutschland produziertem "Die fetten Jahre sind vorbei" eine elfjährige deutsche Durststrecke beendet. Erst wieder 2008 zeigte Wim Wenders seine Fotografen-Geschichte "Palermo Shooting" mit Campino im Wettbewerb. 2016 war dann "Toni Erdmann" von Maren Ade Kritiker- und Publikumsliebling. 2017 war Fatih Akin mit dem Rechtsterrorismusdrama "Aus dem Nichts" vertreten. Alles aber eher seltene deutsche Einsprengsel in der Leistungsschau des internationalen Films, dessen Goldene Palme als wichtigste Filmauszeichnung nach dem Oscar gilt.

"Poor Things"-Regisseur Yorgos Lanthimos mit neuem Film mit  Emma Stone und Willem Dafoe in Cannes

Blickt man auf die drei großen Filmfestivals Berlin, Venedig und Cannes, so sind die Rollen verteilt: Berlin versucht es mit dem Image des Politischen, und stellt damit allzu oft die Frage, ob "gut gemeint" nicht oft das Gegenteil von Kunst ist. Venedig versteht sich auch als Auftakt der Oscarsaison - und hat zum Beispiel im vergangen Jahr Yorgos Lanthimos' "Poor Things" als Premiere gezeigt. Jetzt ist der griechische Exzentriker wieder mit Emma Stone und Willem Dafoe da. Worum es in "Kind of Kindness" geht, wird man erst am Freitagabend nach dem Roten Teppich wissen.

Jahr Yorgos Lanthimos' "Poor Things"

Was also ist Cannes? Jedenfalls schert es sich nicht zu stark um politische Correctness und hat jetzt diesmal nur vier Regisseurinnen im Wettbewerb. Es gilt weiter das Diktum des künstlerischen Leiters Thierry Frémaux, dass ihn das Geschlecht nicht interessiere, sondern nur Qualität. Gilt also weiterhin der Titel eines Dokumentarfilms als Diktum über Cannes: "Männer zeigen ihre Filme, Frauen ihre Brüste"? Letzteres ist natürlich übertrieben. Aber Demi Moore spielt im französischen Film "The Substance" von Coralie Fargeat eine Frau, die eine Verjüngungsdrogen nimmt.

Der Boulevard de la Croisette in Cannes.
Der Boulevard de la Croisette in Cannes. © picture alliance/dpa/AP

Witzig könnte in diesem Geschlechterkampf in Cannes noch ein weiterer französischer Film sein: "Emilia Perez". Denn hier - im absoluten Männerdomizil des mexikanischen Drogenboss-Milieus - will der Clan-Chef untertauchen: als Frau! Jacques Audillard ("Rost und Knochen"), sonst eher ein Freund härterer Geschichten, verspricht eine Gangster-Musical-Komödie unter anderen mit Selena Gomez.

Und was ist mit Streaming?

Eine weitere Charaktereigenschaft von Cannes ist, dass man sich hier noch als Gralshüter des Kinofilms versteht, weswegen Streaming-Filme ohne große folgende Kinoauswertung ausgeschlossen sind. Seit zwei Jahren gibt es aber eine neue Präsidentin an der Spitze des Festivals: Iris Knobloch, die Tochter der Münchnerin Charlotte Knobloch. Sie war Rechtsanwältin, kommt vom Megastudio Warner Bros her und gilt also als offen auch für Streaming-Formate, scheitert aber bisher am künstlerischen Leiter Thierry Frémaux.

Der wiederum pflegt eine weitere Eigenschaft, derer Cannes sich rühmt: Treue. Das kann gefährlich werden, wenn es um Qualität geht. So ist David Cronenberg mit 81 Jahren wieder eingeladen - mit seiner Spezialität: Body-Horror, also gruselige körperliche Veränderungen - hier Verwesung in "The Shrouds" mit Vincent Cassel und Diane Kruger.

Francis Ford Coppola wird seinen neuen Film vorstellen.
Francis Ford Coppola wird seinen neuen Film vorstellen. © picture alliance/dpa/AP


Paul Schrader (77) bringt immerhin Richard Gere mit für "Oh Canada". Und um beim - selbst diskriminierenden - Vorwurf von zu vielen "alten, weißen Männern" zu bleiben: Eine Sensation ist sicher, dass sich Francis Ford Coppola (85) mit seinem Herzensprojekt von 200 Millionen Dollar mit hohem privatem Eigenanteil in den Wettbewerb gewagt hat. "Megalopolis" ist ein Science-Fiction-Film mit Adam Driver als gigantomanischer Architekt, der New York umkrempelt.

Witzig ist natürlich, dass so ein Zweieinhalb-Stunden Gigant dann gegen rumänische oder indische Arthouse-Filme antritt. Dem Risiko einer Niederlage gegen kunstvolle Zwerge haben sich dann auch zwei Schwergewichte entzogen: wie Kevin Costner, dessen mehrteilige Westernsaga am Sonntag Cannes elektrisieren soll - zumindest Teil eins und zwei von geplanten vier Teilen: "Horizon" mit Sienna Miller und Sam Worthington und Costner selbst, der wie Coppola in den 40 Jahren der Planung ebenfalls viel privates Geld hineingesteckt hat. Das musste George Miller nicht tun: Gleich am Donnerstag ist die Premiere wieder einer Saga: "Furiosa: A Mad Max Saga". Der Vorgänger "Mad Max: Fury Road" war auch in Cannes und gewann dann sechs Oscars.

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Wer aber beurteilt das Programm von Cannes? In diesem Jahr jedenfalls auch Greta Gerwig - als Jurypräsidentin des Wettbewerbs. Und wenigstens in der neunköpfigen Jury sind Frauen in der Überzahl, unter andern mit Eva Green und der indigenen Lily Gladstone.

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