"Dune: Teil II" kommt gewaltig – es bleiben aber alle Fragen offen
Drei Kinoteile hat Regisseur Denis Villeneuve versprochen. Der dritte steht noch aus. Aber jetzt ist er mit "Dune: Teil II", zumindest mit der Verfilmung des ersten Buchs von Frank Herbert von 1965 fertig. Der hat insgesamt sogar sieben Sci-Fi-Romane der Wüstenplanet-Saga gewidmet. Und so gilt für "Dune – Teil II": Der Abspann läuft und alle Fragen bleiben offen.
Wenn man nach 160 Minuten das Kino verlässt, sollte man nicht versuchen, die gesehene Geschichte für sich noch einmal nachzuerzählen. Sie ist auf interessante Weise komplex, allein schon aufgrund vieler Handlungsorte und dreier Herrschaftsebenen: mit dem Imperator (Christopher Walken) ganz oben. Dann folgt das relativ unabhängig agierendes, komplett totalitär regierte Kolonialistenvolk der Harkonnen (mit Stellan Skarsgård und Dave Bautista). Auf der untersten Ebene ist der ausgebeutete, titelgebende Wüstenplanet Dune.
"Dune: Teil II" liefert eine bemerkenswerte Menge an Themen, Fragen und Kulturen
Hier gibt es den drogenartigen, extrem wertvollen Rohstoff Spice und das naturnahe Volk der Fremen (mit Javier Bardem als einem der Anführer). Auf die Seite dieser Fremen stellen sich Film und Roman moralisch klar. Deren Verteidigungskampf hat sich die Hauptfigur Paul Atreides (Thimotée Chalamet) angeschlossen, nachdem ein Genozid sein eigenes Volk ausgelöscht hat. Und es entsteht die aktuelle Frage, wer hier für wen sprechen darf: ob der Fremde Paul Atreides nicht wieder den kolonialen Blick auf das indigene Volk hat, das ihn teilweise aber wie einen Messias behandelt.

Wer in den "Dune"-Kosmos einsteigt, bekommt vor allem eines: eine bewundernswerte Fülle an Themen, Fragen, Kulturen und geschichtlichen Anknüpfungen. Moralische Fragen wie der Umgang mit Macht und die Deformation durch Macht werden angesprochen. Oder der Einsatz von Krieg und Gewalt für hehre Zwecke – bis zur Frage des Einsatzes von Atomwaffen. Paul Atreides ist sozusagen auch am Roten Knopf, der hier sein aristokratischer Familien-Siegelring ist.
Es gibt Anspielungen aus den letzten 5000 Jahren Kulturgeschichte – von der jüdischen Messias-Erwartung über römisch-kaiserlichen Personenkult mit "Brot und Spielen" bis hin zur Auferstehung eines Auserwählten und Versatzstücke aus griechischen Heldenmythen. Nicht zufällig trägt Paul einen Nachnamen, der an die verfluchte Familie der Atriden erinnert.
"Dune"-Regisseur Denis Villeneuve wagt eine Umkehrung unserer Wahrnehmung
Und dann gibt es noch einen großen ästhetischen Einfluss der islamisch-arabischen Kultur und deren Paradiesvorstellung in "Dune", repräsentiert durch das heldenhafte Wüstenvolk der Fremen – bis hin zur Erklärung eines "Heiligen Krieges". Hier riskiert Villeneuve die interessante Umkehrung unserer westlichen Wahrnehmung: Die gute Seite, die Fremen, sind in ihrem Verteidigungs- und Freiheitskampf ikonografisch Berbern oder sogar IS-Kämpfern angenähert. Die zivilisatorisch eher westlich wirkende Welt hingegen ist die despotische. Das Volk der Fremen wird als relativ herrschaftsfrei, jedenfalls demokratisch anmutend vorgestellt.
Dass in alle Klassen und Völkern in "Dune" subtil eine matriarchale Überstruktur eingewoben ist, macht Villeneuves Werk ebenfalls interessant: Charlotte Rampling und Lea Seydoux sind hier die Vertreterinnen. Und das komplett von Werten befreite Böse bekommt mit Austin Butler ein unfassbar diabolisches, faszinierend junges Malkovich-artiges Gesicht.

Sci-Fi-Welten wollen letztlich immer auch Kommentare zur Gegenwart sein, um nicht als reine Weltflucht zu gelten. Auch wenn wir mit "Dune" im 11. Jahrtausend sind, geht es um Kolonialismus, rücksichtslose Ausbeutung von Rohstoffen und den Versuch, Indigene auf dem Wüstenplanet auszurotten. Das kommt einem dann doch sehr heutig und aktuell vor.
In einem Blockbuster dieser Größenordnung fehlt natürlich auch der Liebesaspekt nicht. Und weil Paul Atreides hier die selbstbewusste Chani (Zendaya Coleman) liebt, ist auch noch der interkulturelle Dialog eröffnet – auf Augenhöhe. Und am offenen Ende stellt sich für Paul die Frage einer dynastischen Heirat oder dem Ruf der Liebe.
Auch Rassen-, Herrenmenschenideologie und Eugenik spielen eine Rolle – wie der Kult um blaue Augen. Und nicht zufällig werden von der totalitären Seite die Fremen zu "Ratten" erklärt, sieht man Vernichtungen mit Flammenwerfern und Leichenberge brennen, was durchaus Holocaust- und Zweite-Weltkrieg-Assoziationen ermöglicht.
Wird der von Timothée Chalamet gespielte Paul Atreides im dritten "Dune"-Teil zum Helden oder zum Bösewicht?
Und bei den Großaufmärschen lässt – wie schon bei "Star Wars" – Leni Riefenstahl grüßen. Dabei aber ist geschickt jegliche zu konkret gezeigte Brutalität vermieden, so dass trotz überwölbenden Dauerthemen wie Flucht, Krieg und Schlachten nie der Eindruck einer Gewaltorgie entsteht.

Das alles zu erzählen, führt zu einer großen Hektik, abrupten Szenenwechseln und etwas unbefriedigender Tiefe bei den verschiedenen Themen. Und weil der zweite Teil keinerlei inhaltliche Abschlüsse bereithält, ist "Dune: Teil II" für sich gar kein eigenständiges Kunstwerk. Aber der perfekte Einsatz von Kamera und Bildgestaltung mit extrem abwechslungsreichen Perspektivenwechseln sowie die gelungenen, weil zurückhaltend eingesetzten digitalen Effekte geben dem Film eine physische und plastische, packende Glaubwürdigkeit.
Dazu trägt auch bei, dass Villeneuve nicht ins Studio gegangen ist, sondern wirklich in die Wüste in Jordanien und den Emiraten. Denis Villeneuve hat sich für seinen dritten und für ihn letzten Teil die Verfilmung des zweiten "Dune"-Romans von Frank Herbert vorgenommen. Das ist logisch, denn Herbert (1920 – 1986) hatte ihn als Warnung geschrieben, nachdem seine Leserschaft Paul als zu positiven Helden verstehen wollte.

Und so bleibt als Spannung vor allem die Frage, wie Villeneuve seine Trilogie abschließen will: Wirklich mit Paul Atreides als messianischem Helden oder doch als Bösewicht? Und wie formuliert er abschließend filmisch die Warnung vor Totalitarismus und Ausbeutung der Welt? Damit wäre er auch weiterhin nah an brennenden Fragen unserer Gegenwart.
Kino: Astor im Bayerischen Hof, Cadillac, Cincinnati, Solln, Rex, City, Leopold, Monopol (auch OmU) und Arri, Cinemaxx, Gloria, Mathäser, Royal (auch OV), Rio (OmU) und Cinema, Museum (OV)
R: D. Villeneuve (USA, 166 Min.)
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