Kritik

"Die Känguru-Verschwörung" im Kino: Verloren im Gag-Gewitter

Im zweiten Känguru-Film legt sich das Beuteltier mit Klimaleugnern und Esoterikern an.
Robert Braunmüller
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Unter Aluhüten: Dimitrij Schaad als Kleinkünstler Marc-Uwe mit dem Känguru am Eingang zum Querdenker-Kongress in Bielefeld.
Unter Aluhüten: Dimitrij Schaad als Kleinkünstler Marc-Uwe mit dem Känguru am Eingang zum Querdenker-Kongress in Bielefeld. © X-Verleih/Filmpresskit

Der große Vorzug der Hörbücher über das Känguru ist seine Familientauglichkeit. Erwachsene lachen über den anarchischen Linksradikalismus des Tiers, Kinder interessiert seine Unverschämtheit und der an Astrid Lindgrens "Karlsson vom Dach" geschulte Egoismus. Unter Niveau haben Erziehungsberechtigte und zu Erziehende über Marc-Uwe Klings Lesungen bisher noch nie gelacht.

Die Pointen sind gut, die Geschichte ist leider zweitrangig

Eine Verfilmung schien angesichts millionenfacher Auflagen im Print und als Hörbuch unvermeidlich. Im Frühjahr 2020, pünktlich zum Beginn der Pandemie und der damit verbundenen Kino-Krise kamen die "Känguru-Chroniken" heraus. Die Gags waren gut, die Animation des Tiers überragend, und über die nicht allzu starke Geschichte spielten Rosalie Thomass, Dimitrij Schaad, Henry Hübchen, Paulus Manker und andere hinweg.

Dimitrij Schaad unterwegs mit dem Känguru.
Dimitrij Schaad unterwegs mit dem Känguru. © X-Verleih/Filmpresskit

Weil der Autor wie in den Hörbüchern das Känguru selbst sprach, klappte der Wechsel des Mediums besser als in anderen Adaptionen. Unter schwierigen Bedingungen kamen die "Känguru-Chroniken" auf Platz neun der erfolgreichsten Filme des Jahres 2020.

Nun ist die unvermeidliche Fortsetzung da: "Die Känguru-Verschwörung", diesmal nicht inszeniert vom Komödienexperten Dani Levy, sondern von Kling selbst. Das bereits im ersten Film durchscheinende Problem hat sich verstärkt: Die Pointen sind gut, die Geschichte ist - leider - zweitrangig, obwohl sie eigentlich brandaktuell wäre.

Nach einem desaströsen Date in einem Dunkel-Restaurant darf der Kleinkünstler Marc-Uwe (Schaad) seine Nachbarin Maria (Rosalie Thomass) nur unter der Bedingung erneut zum Essen treffen, dass er ihre unter die Querdenker und Verschwörungstheoretiker gefallene Mutter in die Realität zurückholt. Wenn er das nicht schafft, fällt seine billige Berliner Wohnung an Maria.

Ein Satz des Kängurus ist einfach unbezahlbar

Das ist keineswegs unwitzig, weil einige der besten Känguru-Sketche vom Klimawandel handeln und die verbreitete Kritik an notwendigen Maßnahmen aufklärerisch dekonstruieren.

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Der Satz des Tiers, dass wir uns in 50 Jahren "schön ärgern" würden, wenn wir feststellen müssten, dass die Wissenschaftler sich geirrt und wir völlig grundlos für gesunde Luft, saubere Autos gekämpft und uns von Diktatoren und ihren Rohstoffen unabhängig gemacht hätten, ist einfach unbezahlbar.

Diese verblüffend schlagenden Argumente gegen Reichsbürger, Prepper, Esoteriker und Klimawandelleugner sieht der Känguru-Fan auch als gespielten Witz noch ein zweites Mal mit Vergnügen. Dass es auch Impfgegner und sogenannte Corona-Kritiker gibt, verschweigt der Film zwar nicht, aber im Sinn maximaler Mehrheitstauglichkeit geht das Drehbuch diesem Problem vorsichtig aus dem Weg.

Leider interessiert sich die "Känguru-Verschwörung" viel zu wenig für die Geschichte zwischen der Mutter, ihrer Tochter und dem verliebten Kleinkünstler. Letztendlich ist der Film nur eine etwas hilflose Gag-Zweitverwertung der (Hör-) Bücher. Wer die chaotische Busfahrt durch das regnerische Berlin im Original kennt, wird die Filmversion als dürftigen Abklatsch empfinden, und wer sie nicht kennt, fragt sich, was die Episode im Film überhaupt zur Wahrheitsfindung beiträgt.

Eine Folge guter Pointen reicht nicht für 90 Minuten im Kino

Kling kehrt den Kino-Nerd heraus, erfindet eine verwirrende Rahmenhandlung, zitiert als Kenner tausend Klassiker und wagt Match-Cuts zwischen den Episoden, für die Stanley Kubrick mit der Zunge schnalzen und dem frischgebackenen Autorenfilmer höchstpersönlich den Schnitt-Oscar übergeben würde, wenn er noch lebte. Kling findet leider auch keine Form für seine ewigen Abschweifungen, und irgendwann wird man der Hilfskonstruktion mit den vielen Haschplätzchen auf der Fahrt nach Bielefeld im E-Auto auch ziemlich leid.

Eine Folge guter Pointen reicht zwar für ein Kabarett-Programm, aber nicht für 90 Minuten im Kino. Die Schauspieler sind auch in der zweiten Folge gut: Petra Kleinert spielt die Mutter mit Wucht, Benno Führmann ist ein wundervoll aasiger Sektenführer. Auch Carmen-Maja Antoni und andere Nebendarsteller aus der ersten Folge sind wieder dabei. Aber die Geschichte geht auf der Reise von Berlin nach Bielefeld irgendwo verloren. Es gibt viel zu lachen, aber "Die Känguru-Verschwörung" ist ein typischer zweiter Teil. Und dass sich Kling mit der Regie übernommen hat, werden auch harte Fans des Beuteltiers und seines Erfinders kaum leugnen.


Regie: Marc-Uwe Kling (D, 96 Minuten), Kinos: Mathäser, Royal Filmpalast, CinemaxX, Astor Film Lounge, Leopold, Cadillac & Veranda, Rio, Gloria

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