Comeback von Johnny Depp in "Jeanne Du Barry": Warum es mit Maïwenn Le Besco Ärger gab

Maïwenn Le Besco erzählt das Leben der "Jeanne Du Barry", die von ganz unten zur Mätresse von Ludwig XV. aufstieg. Skandal-Schauspieler Johnny Depp feiert sein Comeback.
Adrian Prechtel
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Mischen Hofstaat und Rangordnung in Versailles auf: Johnny Depp als Ludwig XV. und Maïwenn Le Besco als Jeanne Du Barry.
Mischen Hofstaat und Rangordnung in Versailles auf: Johnny Depp als Ludwig XV. und Maïwenn Le Besco als Jeanne Du Barry. © Stéphanie Branchu / Why Not Production

Es wirkt, als wüssten die Figuren in diesem Film immer, dass sie verkleidet sind. Das schafft einen kleinen Irritationseffekt. Aber es trifft auch die historische Wahrheit. So zwinkert Ludwig XV. beim Hinabgleiten seines Nachthemds vor der königlichen Familie und des höchsten Hofstaats seiner Mätresse zu.

Sie darf nach einer Liebesnacht heimlich hinter einem Spiegel der morgendlichen Ankleidezeremonie zuschauen. Es ist, als ob der nette König zu Verstehen gibt, dass dieser ganze Pomp um ihn, einem älteren vergnügungssüchtigen Mann, eine Farce wäre.

Maïwenn Le Besco und Johnny Depp: Von Anfang an ein Skandalpaar

Aber "L'état c'est moi": Der Staat bin ich, hatte Ludwig XIV, sein Urgroßvater, gesagt und damit den Grundsatz des Absolutismus formuliert. Der König war zwar Mensch, aber sein Körper war auch der Staat. Konsequenterweise ist in Versailles dann auch das königliche Schlafzimmer im Zentrum. Und das Ankleiden war ein extrem hierarchischer Staatsakt, der zeigte, wer wie nahe der Macht war – und Jeanne Du Barry war sehr nahe dran.

Maïwenn Le Besco, die französische Schauspielerin, spielt in ihrem eigenem Film Jeanne du Barry. Und zusammen mit Johnny Depp als König war sie von Anfang an ein Skandalpaar. Maïwenn war scharf angegriffen worden, weil sie einem Investigativjournalisten, der über ihren Ex-Mann Luc Besson recherchierte, auf den Kopf gespuckt hatte. Und sie hatte sich an die Seite von Catherine Deneuve gestellt, die in der Metoo-Debatte, eine Gefahr für die emanzipatorisch erkämpfte sexuellen Befreiung sieht.

Johnny Depp in "Jeanne Du Barry": Nur die dritte Wahl

Nach dem Dreh hatte sie auch noch eingeräumt, der gebeutelte Amerikaner Johnny Depp sei erst die dritte Wahl gewesen bei der Besetzung als französischer König (der vielleicht deshalb auch nur ein Dutzend französische Sätze zu sprechen hat). Produktionsfirmen und Filmverleiher hatten Angst gehabt, Depp hätte im Rechtsstreit – auch um Gewalt – mit seiner Ex Amber Heard so viel Schmutz abbekommen, dass er auf der Leinwand nicht mehr vermittelbar wäre.

Am Set war er dann auch noch schwer zu dirigieren gewesen, was Maïwenn auf den kulturellen Unterschied zwischen Europa und Hollywood zurückführte, wo sich Stars nichts sagen ließen. Johnny Depp spielt den französischen König als sympathisch oberflächliche, seinem Sein leicht ironisch begegnende Figur – also nicht besonders vielschichtig.

Knatsch am "Jeanne du Barry"-Set zwischen Johhny Depp und Maïwenn Le Besco

Depp hatte sich beim Dreh noch aufgeregt, dass Maïwenn an seinen Wohnwagen klopfte – in den USA eine absolute Ruhezone. Er fragte deshalb, wie es denn rüberkäme, wenn er das umgekehrt bei ihr, Maïwenn, machen würde. Woraufhin die Regisseurin erklärte, ohne dass dauernd Leute an ihrem Set-Wohnwagen mit Fragen klopfen würden, hätte der Film gar nicht entstehen können.

Sieht man jetzt durch den ganzen Erregungs-Rauch nüchtern das Ergebnis, stellt man fest: "Jeanne du Barry" ist ein eher langweiliger, letztlich reaktionärer Historienfilm geworden. Der sich allerdings wenig um historische Korrektheit schert. Denn beim höfischen Dinner knutscht der König mit seiner Geliebten hemmungslos herum. Oder: Zwar bekam sie wirklich einen schwarzen Pagen geschenkt. Aber dass sie ihn einfach mit an die königliche Tafel setzen konnte, ist schwer vorzustellen.

"Jeanne du Barry": Höfisches Intrigengeplänkel als politische Brisanz

Interessant ist hingegen, dass sich Maïwenn wiederum um politische Korrektheit wenig schert. Zum Beispiel, wenn im Zusammenhang mit ihrem "Hofmohren" Louis-Benoit Zamor ganz selbstverständlich das N-Wort fällt. Aber dass ein heutiger Film die gesellschaftliche Wirklichkeit ausblendet, den bankrotten Staat, die Hungersnöte, das Rumoren vor der Revolution nie thematisiert, sondern einzig das höfische Intrigengeplänkel als politische Brisanz hat, ist ignorant. Das hat sich 2006 schon Sofia Coppola mit "Marie Antoinette" geleistet, aber dafür wenigstens pinkes Pop-Kino gewagt.

Musikalisch setzt Maiwenn auf Klassik-Töne (Stephen Warbeck), die aber weder Fisch noch Fleisch sind für einen Soundtrack des Rokoko. Dabei hat Stanley Kubrick mit "Barry Lyndon" schon 1975 einfallsreich vorgemacht, wie man zeitgenössische Musik des 18. Jahrhunderts wunderbar passend einsetzen kann.

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Das Potenzial für einen modernen, interessanten Film war da

In der Figur der Jeanne Du Barry hätten so viele interessante Aspekte nahegelegen, die unbelichtet bleiben. Eine auktoriale Männerstimme aus dem Off erklärt, dass "Frauen aus dem Nichts bereit zu allem" seien. Aber anstatt aus der Du Barry eine aktiv handelnde Person zu machen, bleibt sie bei Maïwenn ein Objekt des männlichen Blicks, wird eher von Männern strategisch nach oben geschoben, als –trotz Selbstbewusstseins – selbst zu handeln oder zu denken. Man muss kein Feminist sein, um diese Interpretation enttäuschend zu finden.

Und was wäre diese Frau nicht für eine hervorragende Vorlage für einen modernen, interessanten Film: Tochter einer Näherin und eines Franziskanermönchs in der Provinz als Marie-Jeanne Bécu geboren, worin schon die soziale Frage und die abgewrackte katholische Moral steckt. Kurz Modistin in Paris, dann als Mademoiselle Lange Edelprostituierte – mit der provokanten Frage, ob Prostitution bei aller Ausbeutung nicht ein Weg war, in die patriarchalische Männerwelt einzudringen. Denn im Bordell wird sie als mehr als nur "Pretty Woman" von einem Grafen entdeckt.

Die Figur Jeanne Du Barry verdiente, das von ihr klüger und kritischer erzählt wird

Der verheiratet sie mit seinem Bruder, um sie als Aristokratin dem König als Jeanne du Barry zuführen zu können. Der Plan geht auf - der Pomp beginnt. Teile des Hofs und der Klerus intrigieren gegen sie. Fünf Jahre später stirbt der König. Sie wird ins Kloster gesteckt, kehrt aber zurück in ihr Schloss bei Versailles und endet unter der Guillotine der Französischen Revolution. Ihr ehemaliger Page Louis-Benoit Zamor hatte sich während der Französischen Revolution den Jakobinern angeschlossen und die Du Barry mit angeklagt – auch des Rassismus.

Dass diese Frau bei allen Schwächen letztlich Warmherzigkeit und Liebenswürdigkeit bewahrt haben soll, wie historisch berichtet wird, spricht für einen bewundernswerten Charakter und ihrem Recht, das von ihr umfassender, klüger und kritischer erzählt wird.


Kino: City, ABC, Rio (alle auch OmU) sowie Theatiner (OmU), R: Maïwenn (F, 116 Min.)

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