Gasteig-Sanierung: Nur ein Luftschloss?

München – Wer im großen Leseraum der Stadtbibliothek im Motorama von der Zeitung aufblickt, blickt durch ein großes Fenster über die Rosenheimer Straße. Dort steht ein riesiges Ziegel-Gebäude: der Gasteig. Das städtische Kulturzentrum ist nun ein Impfzentrum für Kinder und Jugendliche. Die Philharmoniker und andere Orchester spielen in Sendling, Bücher und andere Medien können im Motorama und im Gasteig HP 8 ausgeliehen werden, bald zieht auch die Volkshochschule ins Interim um.
Gasteig-Sanierung: Noch immer ist die Finanzierung nicht gesichert
Die städtische Gasteig GmbH hat ihren Job erledigt und den Umzug durchgeführt. Doch nirgendwo stehen bisher Kräne. Kein Bagger gräbt den Boden auf und kein einziges Gerüst ist in der Rosenheimer Straße zu sehen. Der Grund dafür ist die immer noch fehlende Finanzierung der Generalsanierung des Baus.
Am Dienstag berät jetzt der Finanzausschuss im Rathaus in nichtöffentlicher Sitzung über eine Beschlussvorlage zum geplanten Investorenmodell. Im Dezember 2020 beschloss der Stadtrat eine indirekte Finanzierung: Der Bau soll in Erbpacht an einen Investor übergeben werden, der die nötigen Baumaßnahmen selbst durchführt und den sanierten Bau an die städtische Gasteig GmbH zurückvermietet.
Die Sanierung darf maximal 450 Millionen Euro kosten
Dass die Stadt die Sanierung nicht selbst finanzieren will, hat vor allem politische Gründe. Die grünrote Rathauskoalition hat keine einheitliche Position zum Gasteig. Die SPD bevorzugt Verbesserungen in der Philharmonie, der Rest des Gebäudes soll ertüchtigt, aber sonst unverändert bleiben. Die Grünen und die CSU befürworten eine grundlegende Neukonzeption des Gebäudes nach den Ergebnissen des Architektenwettbewerbs. Sie sieht auch starke Veränderungen am Bibliothekstrakt und eine Zusammenführung der Bauteile durch eine bis zur Philharmonie verlängerte Glashalle vor.
Auf der Sanierung liegt ein beschlossener Kostendeckel von 450 Millionen. Das Investorenmodell geht davon aus, dass ein privater Geldgeber günstiger bauen könnte wie die öffentliche Hand. Beim zu einem Festpreis errichteten neuen Volkstheater hat das funktioniert. Ob das auch bei einer erheblich komplizierteren Sanierung im Bestand klappen kann, ist offen. Vor allem innerhalb der SPD macht man sich Sorgen über explodierende Kosten. Einige Stadträte halten Investitionen in den sozialen Wohnungsbau für wichtiger und die hohen Ausgaben beim Gasteig für politisch schwer vermittelbar. Außerdem ist auch immer wieder die Ansicht zu hören, die Neukonzeption des Gebäudes sei ein Luxusprojekt, weil der Bau bisher gut funktioniert habe.
Ist die Gasteig-Sanierung sinnvoll? Es ist nichts über einen Plan B bekannt
Auch der Erfolg der vergleichsweise billigen Interimsbauten wirft Fragen auf. Warum soll man den Gasteig für 450 Millionen sanieren, wenn man für nur 70 Millionen ein neues, hoch gelobtes Kulturzentrum in Sendling bauen kann? Letztendlich liefern auch die schönen neuen Räume im lang vernachlässigten Motorama ein Argument gegen eine teure Sanierung auf der anderen Straßenseite.
Stadtpolitisch wichtige Personen halten nach dem zweiten Bier das Investorenmodell für ein Luftschloss. Tatsächlich könnte nach der Corona- und der Ukraine-Krise weniger billiges Geld herumliegen. Und das Beispiel der Residenzpost, die von einem russischen Multimillionär aus dem Umfeld Putins erworben würde, ist eher abschreckend: Die Öffentlichkeit wird womöglich heute genauer wissen wollen, wer den Gasteig erwirbt. Transparenz ist allerdings nicht das, was Investoren primär schätzen.
Derzeit ist kein Plan B für die Sanierung bekannt, wenn die Suche nach einem Investor scheitert. Je länger die Stadt wartet, desto weniger kann für 450 Millionen gebaut werden.
Kann man sich den Konzertsaal im Werksviertel sparen und das Geld in den Gasteig stecken?
Eine Möglichkeit gibt es allerdings: Der Freistaat könnte auf den geplanten Konzertsaalneubau im Werksviertel verzichten. Dort sollen bis zu 700 Millionen für einen nach dem Erfolg der Isarphilharmonie überflüssigen Neubau ausgegeben werden. Mit weniger Geld könnte man womöglich sowohl die bisherige Gasteig-Philharmonie verbessern und den Gasteig HP 8 in einen dauerhaften Saal verwandeln. Und die Stadt könnte ihr Geld in die Neukonzeption der Bibliothek stecken.
Die Zusammenarbeit zwischen dem Freistaat und der Stadt klappt selten. Zu viele Beteiligte müssten dafür über ihren Schatten springen. Und so ist ein anderes Szenario wahrscheinlicher: Die Sanierung zieht sich, aus Zwischennutzungen werden Dauernutzungen und der Bau verfällt weiter.
Sie halten das für pessimistisch? Gehen Sie ein paar Schritte vom Gasteig Richtung Innenstadt zum Kongresssaal des Deutschen Museums. Der wurde nach der Eröffnung des Gasteig geschlossen, war Imax-Kino und gehört nach mehreren Pleiten wieder dem Museum. Seitdem wartet der Kongresssaal auf frische Ideen und frisches Geld. Und dieses Schicksal droht - wenn es schlecht läuft - auch dem Gasteig.