Kritik

So ist das Wiesn-Musical "Oktoberfest. Beinah wahr"

Harold Faltermeyers Musical über das größte Volksfest der Welt im Renaissance-Theater
Jürgen Rickert |
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Christoph Marti von den Geschwistern Pfister glänzt als Conferencier.
Ann-Marie Schwanke 4 Christoph Marti von den Geschwistern Pfister glänzt als Conferencier.
Das Berliner Oktoberfest-Musical
Ann-Marie Schwanke 4 Das Berliner Oktoberfest-Musical
Die Krüge hoch in der falschen Stadt: "Oktoberfest The Musical" mit Musik von Harold Faltermeyer hat am Sonntag nicht in München Premiere, sondern im Berliner Renaissance-Theater.
Ann-Marie Schwanke 4 Die Krüge hoch in der falschen Stadt: "Oktoberfest The Musical" mit Musik von Harold Faltermeyer hat am Sonntag nicht in München Premiere, sondern im Berliner Renaissance-Theater.
Der Komponist und Musikproduzent Harold Faltermeyer.
picture alliance/dpa 4 Der Komponist und Musikproduzent Harold Faltermeyer.

Ein bayerischer Komponist mit internationaler Reichweite schreibt ein Singspiel über die Wiesn: ein klarer Fall für München als Uraufführungsadresse. Es kam indes anders.

Harold Faltermeyer wollte nach Filmmusiken für Blockbuster wie "Beverly Hills Cop" oder "Top Gun", Chart-Stürmern wie "Hot Stuff" oder "Shake Down" ein abendfüllendes Bühnenstück versuchen. Er holte den namhaften Buchautor Philip LaZebnik ("Pocahontas", "Prince of Egypt") ins Kreativteam, um die verzwickten Ursprünge der global größten und populärsten Volksbelustigung szenisch aufzubereiten.

Uraufführung in Los Angeles

Das Resultat heißt "Oktoberfest - Beinah Wahr", geriert sich als Musical und erlebte im September 2016 seine Uraufführung in Los Angeles. Dann verstaubte die Story im Archiv. Schade, dachte Faltermeyer, kaufte die Rechte, sprach einige Intendanten an. Nun traut sich das Berliner Renaissance-Theater an die erste deutschsprachige Produktion, die vom hauptstädtischen Premierenpublikum enthusiastisch beklatscht wurde.

Der Komponist und Musikproduzent Harold Faltermeyer.
Der Komponist und Musikproduzent Harold Faltermeyer. © picture alliance/dpa

Ein nüchtern akribischer Faktencheck interessierte das Autorenduo weniger. Zwar gibt es einige Bezüge zur historischen Sachlage um das Jahr 1810 mit der Hochzeit von Prinz Ludwig und Prinzessin Therese. Doch weit mehr Aufmerksamkeit erhält der fiktive Rahmen: ein international besetztes Schauspielkollektiv assoziiert Momente des Oktoberfest-Ursprungs, interpretiert frei, springt munter zwischen Präteritum und Präsens, addiert hemmungslos Abziehbilder bayerischer Klischees. Darauf kaprizieren sich auch die beiden Regisseure Guntbert Warns und Karim Mezdour, die vor allem auf die Amüsiertube drücken und saftigen Spaß aus dem turbulenten Plot kitzeln.

Deftige Posse

Die Produzentin Prinzessin Valerie ist schockiert, was die Akteure während ihrer Abwesenheit aus der ernsthaften Idee verzapft haben. Statt authentischer Annalen zeigen sie eine deftige Posse über das Volksfest. Doch das überdrehte Ensemble überzeugt schließlich die strenge Geldgeberin.

Faltermeyer und LaZebnik zelebrieren ein musikalisches Metadrama als Theater auf dem Theater, inklusive massig Comedy und Humtata. Dramaturgisch verzettelt sich das Stück. Im ersten Teil reihen sich rund um das Tourismus fördernde Spektakel auf der Theresienwiese manche Albernheiten und Banalitäten.

Die Krüge hoch in der falschen Stadt: "Oktoberfest The Musical" mit Musik von Harold Faltermeyer hat am Sonntag nicht in München Premiere, sondern im Berliner Renaissance-Theater.
Die Krüge hoch in der falschen Stadt: "Oktoberfest The Musical" mit Musik von Harold Faltermeyer hat am Sonntag nicht in München Premiere, sondern im Berliner Renaissance-Theater. © Ann-Marie Schwanke

Danach gibt es pikante Histörchen und Schmonzetten aus der Königsfamilie, dafür gerät das Oktoberfest oft aus dem Sinn. Musikalisch dröhnt vor der Pause gern phonstark aufgeblähte Polka ("Beer, Beer, Oktoberfest Beer"), im zweiten Teil weitet sich das Spektrum, gipfelnd in "That's Me" der erotisch durchpulsten Lola Montez als Ludwigs verwegener Geliebten.

Schenkelklopfend schunkelselig

Daneben gefallen aus der auf Englisch gesungenen Playlist "Almost True", Napoleons endlos gedehntes "Looooove", der Revolutionssong, die Ballade "Could You Still Love Me" oder das Lied über ein verschlucktes Klavier. Johannes Roloff hält die Partitur mit seiner perfekt auf Faltermeyer gedrillten Band souverän zusammen.

Die Krüge hoch in der falschen Stadt: "Oktoberfest The Musical" mit Musik von Harold Faltermeyer hat am Sonntag nicht in München Premiere, sondern im Berliner Renaissance-Theater.
Die Krüge hoch in der falschen Stadt: "Oktoberfest The Musical" mit Musik von Harold Faltermeyer hat am Sonntag nicht in München Premiere, sondern im Berliner Renaissance-Theater. © Ann-Marie Schwanke

Das Originalbuch übersetzten die beiden Regisseure. Sie schwören das gesamte Ensemble auf das schenkelklopfend schunkelselige Spiel im Spiel bestens ein. Zirkusflair ist im knallbunten Bühnenbild von Momme Röhrbein angesagt. Das flirrt dann auch zwei Stunden durch die grelle Show.

Ab ins Bierzelt!

Tobias Bonn präsentiert sich als Ludwig I. ein bisschen tumb und amourös dauerentflammt, Marie Cécile Nest beeindruckt als kämpferische Therese, Manal Raga a Sabit fährt als Lola Montez ihre Krallen aus, Heather Litheer gibt die dralle Barb, Moritz Carl Winklmayr lässt es als Tony bajuwarisch krachen, Winnie Böwe vollzieht als Valerie den Wandel von der puristischen Produzentin zur begeisterten Mitspielerin. Christoph Marti ("Geschwister Pfister") glänzt als omnipräsent ordinärer Conferencier und Testosteron trächtiger Napoleon. Choreograf Julian Bender darf sich zurücklehnen, sein Aktionsradius bleibt eher bescheiden.

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"Oktoberfest - Beinah Wahr" entpuppt sich gewiss nicht als Musical mit Broadway-Potenzial. Dazu ist es zu schlicht gestrickt, die Handlungsfäden zu dünn, die Charaktere zu holzschnitthaft, die Stereotypen zu wenig ironisch hinterfragt. Aber immerhin: eine Gaudi garantiert es allemal. Vielleicht gehört das Stück ins Epizentrum des Themas: In einem Bierzelt auf der Theresienwiese würde es wahrscheinlich begeisternd reüssieren.

Renaissance-Theater, bis 11. August, renaissance-theater.de

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