Premiere in München: Stefan Bachmann über "Erfolg" am Residenztheater
Zuletzt war von ihm im Residenztheater Max Frischs "Graf Öderland" zu sehen. Die "Moritat" über einen Staatsanwalt, der zum Serienmörder und zur Leitfigur einer anarchistischen Widerstandsbewegung wird, erzählte Stefan Bachmann in einem gleichzeitig verspielten und alptraumhaften Bühnenbild.
Heute hat er am gleichen Ort Premiere mit "Erfolg", einem Schlüsselroman von Lion Feuchtwanger über die Entwicklung der Rechtsradikalen in Deutschland vor rund 100 Jahren aus speziell Münchner Perspektive. Vor der Premiere sprach die AZ mit dem Regisseur und Intendanten der Schauspiels Köln.
Regisseur Bachmann über Lion Feuchtwangers Roman: "Erzählen zwei Geschichten"
AZ: Herr Bachmann, die Taschenbuchausgabe des Romans umfasst 878 Seiten. Wie wird so viel Text bühnentauglich?
STEFAN BACHMANN: Mit dieser Frage haben wir uns lange herumgeschlagen. Das hat uns etwa ein Jahr begleitet. Es ist eine Selektionsarbeit. Wir haben uns jetzt entschieden, zwei Geschichten zu erzählen.
Die eine ist die Geschichte von Martin Krüger, dem zu Unrecht ins Gefängnis geworfenen Museumsdirektor, auf der anderen Seite die seiner Geliebten Johanna Krain, die versucht, durch gesellschaftliche Verbindungen, die sie knüpft, seine Freilassung zu erwirken. Dadurch bildet sich die Münchner Gesellschaft der Zwanziger Jahre ab. Wir haben entschieden, dass sich die Geschichte der Johanna Krain im Stile einer Revue vollziehen soll, denn die Revue ist ein wichtiges Motiv in dem Roman.
Das heißt, es gibt viel Musik. Wie hört sich das an?
Ganz unterschiedlich. Sie ist von den Zwanziger Jahren inspiriert und von speziell bayerischem Volksliedgut.
Der Roman gilt auch als ein "Sittenbild des Landes Bayern". Wie viel Kolorit ist bei Ihnen drin?
Es ist Kolorit drin. Wichtig aber war es uns, dass wir uns über das Bayernland nicht lustig machen, wir es aber, wie es auch Feuchtwanger macht, liebevoll zerlegen. Es ist eine sehr aufgeladene Zeit, in der der Nationalsozialismus in München nach oben kommt, große Unterstützung erfährt vonseiten der Großindustrie und nicht nur von enttäuschten Proletariern.
Es sind vor allem Menschen, die viel Geld haben, um den Marsch auf Berlin vorzubereiten. Obwohl Feuchtwanger das Buch 1930 schrieb, war er noch immer der Meinung, dass es sich nur um einen Irrtum gehandelt haben kann und man am Putsch 1923 sehen konnte, wie lächerlich diese Bewegung ist. Leider hat er sich geirrt.
"Erfolg" von Lion Feuchtwanger: Wiederholt sich die Geschichte von vor einhundert Jahren?
Viele unserer heutigen Zeitgenossen haben den Eindruck, dass die 1920er-Jahre den aktuellen Zwanziger Jahren beunruhigend ähnlich sind. Teilen Sie diese Einschätzung?
Man muss sich davor hüten, zu sehr an die Wiederholung der Geschichte zu glauben, aber sie ähnelt sich. Natürlich kehren Dinge zyklisch wieder. Ob das die Neuentdeckung der Sexualität ist, eine viel fluidere Form von Geschlechtlichkeit, ob angesichts einer rasanten technologischen Entwicklung der Mensch in einen Zustand von Überforderung gerät, auch das Erstarken populistischer und extremer Parteien, und jetzt haben wir auch noch eine Inflation.
In Ihrer derzeitigen Funktion als Intendant des Kölner Schauspiels können Sie gerade Zehnjähriges feiern. Wie fällt Ihre vorläufige Bilanz aus?
Die vorläufige Bilanz ist, dass aus einem absoluten Debakel etwas unfassbar Schönes entstanden ist. Ich war nach Köln gegangen mit dem Versprechen, dass ich nach ein oder zwei Jahren ein saniertes Haus eröffnen könnte. Ich habe für diese Zeit eine Interimsspielstätte am Stadtrand gefunden. Die Sanierung des Schauspielhauses hat sich um inzwischen zehn Jahre verzögert. Das war natürlich ein echter Eklat und wir waren darauf nicht vorbereitet, so lange in diesem Industriegebäude bleiben zu müssen.
Dann haben wir das Beste daraus gemacht und selbst ein wunderschönes Theater kreiert, dass viel Einfluss auf die Stadtentwicklung hatte in diesem Bezirk, der ein Brennpunkt ist. Die Menschen dort hatten wenig Berührung mit Kultur. Dieses Viertel hat sich komplett verändert und entwickelt durch unsere Anwesenheit. Jetzt wird über eine Nachnutzung diskutiert wie damals, als Kampnagel in Hamburg entstand.
Stefan Bachmann bald Intendant am Wiener Burgtheater
Ab übernächster Spielzeit werden Sie Intendant des Burgtheaters in Wien sein und damit ein altehrwürdiges Haus leiten. Fürchten Sie, dass Sie den Charme des Improvisierens vermissen werden?
Ich glaube ja. In dieser Krisensituation, die wir hatten, haben sich alle Gewerke gegenseitig geholfen. Es gab plötzlich dieses Hand-in-Hand arbeiten. Wir haben vor der Halle einen wunderschönen Garten angepflanzt, zu dem auch die Menschen aus der Nachbarschaft kommen und sich mit den Mitarbeitern mischen. Das ist bei uns nicht nur eine Metapher: Die Straße führt bei uns direkt auf die Bühne.
Sie werden Nachfolger von Martin Kušej sein, der zuvor das Residenztheater leitete. Er löste seinen Vertrag in München vorzeitig auf, um frei für Wien zu sein. Auch Sie haben Ihren Vertrag am Rhein vorzeitig beendet für den neuen Posten an der Donau. Ist Burgtheaterdirektor ein Angebot, das man nicht ausschlagen kann?
Manchmal denke ich mir, wenn man bei Trost ist, sollte man eigentlich ausschlagen. Auf der anderen Seite ist die Versuchung zu groß. Es ist einfach ein unglaublich schönes Haus und Wien ist eine ganz tolle Theaterstadt. Das Theater hat dort einen Stellenwert wie in keiner anderen Stadt auf der Welt. Und das Theater wird von allen geliebt. Da fühlt man sich als Künstler gut aufgehoben.
Residenztheater, Premiere am 24. Mai, Restkarten. Nächste Vorstellungen 30. Mai, 2., 3., 7., 17. Juni, 19.30 Uhr, Telefon 2185 1940
- Themen:
- Kultur
- Nationaltheater
- Residenztheater