Kritik

So banal, dass es wehtut: "Ghost" als Musical im Deutschen Theater in München

Das Musical "Ghost", nach dem Film mit Patrick Swayze, ist derzeit im Deutschen Theater in der Schwanthalerstraße zu sehen. Besonders überzeugen kann die Aufführung in München allerdings nicht.
Anne Fritsch |
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Ein Filmklassiker, der mit dem Hammer in die Gegenwart befördert wurde: "Ghost" im Deutschen Theater.
Ein Filmklassiker, der mit dem Hammer in die Gegenwart befördert wurde: "Ghost" im Deutschen Theater. © Nico Moser

München - Patrick Swayze ist der Mann der Stunde. Zumindest im Deutschen Theater in München, wo diese Spielzeit fast wie eine Swayze-Retrospektive daherkommt: Gab es im März den Teenie-Klassiker "Dirty Dancing", steht nun "Ghost – Nachricht von Sam" aus dem Jahr 1990 auf dem Spielplan, ebenfalls verpackt in Musical-Form.

"Ghost" im Deutschen Theater: Keine naheliegende Vorlage

Doch macht das im Falle des Tanzfilms mit all seinen Hits durchaus Sinn, ist der Geisterbeschwörungs-Film von Jerry Zucker nicht eben die naheliegendste Vorlage für ein Sing- und Tanzspektakel.

Im Film gibt es im Grunde nur einen Song: "Unchained Melody" von den Righteous Brothers.

Anstrengende Musical-Fassung 

Entsprechend angestrengt kommt die Musical-Fassung von Dave Stewart, Glen Ballard und Bruce Joel Rubin auch daher. Der ohnehin schon eher kruden Handlung um den Bankbeamten Sam, der seine Freundin Molly aus dem Jenseits vor Gefahr beschützen will, werden mühsam Tanznummern und Lieder aufgezwungen.

Weil es im Grunde keinerlei Anlass gibt, in diesem transzendentalen Spektakel zu singen, ziehen die Songs die Handlung und den Abend unnötig in die Länge.

"Ghost" in München: So banal, dass es wehtut

Die wenig inspirierte Musik dröhnt zudem so übersteuert aus den Boxen, dass man häufig gar nicht versteht, was da eigentlich gesungen wird. Was vielleicht auch gut ist. Denn das, was man versteht, ist so banal, dass es wehtut. Die trauernde Molly singt von Sams Hemden, die sie aus Sehnsucht nach dem verlorenen Alltag aus der Wäscherei abgeholt hat.

Die einzige überzeugende Tanzszene gehört Louisa Heiser als Medium Oda, die aus Begeisterung über ihren kurzen unerwarteten Reichtum eine ekstatische Tanz-Nummer auf die Bühne legt, die tatsächlich die Erwartungen an ein Musical erfüllt.

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Die legendäre Töpferszene darf nicht fehlen

Was bei "Dirty Dancing" die Hebefigur, ist bei "Ghost" die Töpferszene (und wieder mal durfte Patrick Swayze sein T-Shirt ausziehen und seinen Sixpack zeigen).

Das gemeinsame Matschen im Ton zu eben jener "Unchained Melody" ist auch jenen unvergessen, die sonst nichts von diesem Film erinnern – oder lediglich die Parodie in "Naked Gun 2 1/2" gesehen haben.

Niemand macht sich im Deutschen Theater schmutzig

Im Deutschen Theater wird aus der nass-irdenen Erotik eine sterile Angelegenheit mit einem netten kleinen Tonblock, den man eher dem Werkunterricht einer Grundschulklasse zuordnen würde als einer Profi-Töpferwerkstatt.

In der Inszenierung von Manuel Schmitt macht sich keiner schmutzig. (Das klinisch weiße Sofa würde derartige Exzesse auch nicht verzeihen.) Selbst als Sam bei dem Raubüberfall auf offener Straße erschossen wird, fließt kein Tropfen Blut (das im Original effektvoll in großen Mengen durch Mollys Finger quillt).

"Ghost" im Deutschen Theater.
"Ghost" im Deutschen Theater. © Nico Moser

Special Effects: Im Film charmant, im Musical angestrengt

Zugegeben: die Special Effects im Film sind schon sehr 1990, dadurch aber auch irgendwie wieder charmant. Durch Menschen und geschlossene Türen gehen, Gegenstände mit Gedankenkraft bewegen, an eine beschlagene Scheibe mit dem Finger "Boo" schreiben, einen Penny durchs Zimmer schweben lassen, in eine fahrende U-Bahn springen. Irgendwie cute.

Das Musical tut sich trotzdem schwer damit. Angestrengt fällt einmal ein Bild vom Tisch, rollt eine Sporttasche ferngesteuert über die Bühne.

"Ghost" in München bedient rassistische Klischees

Einzig bei der U-Bahn-Szene wurde eine überzeugende Übersetzung ins Medium Theater gesucht und gefunden. Ansonsten drückt man sich hier eher vor dem Übersinnlichen, das den Film aber nun mal ausmacht. Schade auch, dass alle rassistischen Klischees des vergangenen Jahrtausends unreflektiert ins neue überführt werden.

So dürfen die People of Color im Ensemble ausgerechnet folgende Rollen übernehmen: den lustigen Geist, die halbseidene Geisterseherin, den trotteligen Bankbeamten. Schade.

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Nicht überzeugend: die Gefühle von Sam und Molly

Nun mag man vom Film halten, was man will. Eins aber gelingt ihm: die Motivationen und Gefühle von Sam und Molly rüberzubringen. Demi Moore glaubt man sowohl das Töpfern als auch die Liebe und den Schmerz.

Thomas Hohler und Katrin Merkl dagegen nimmt man das alles irgendwie von der ersten Minute an nicht ab.

Das Fazit von "Ghost" im Deutschen Theater

Die übernatürliche Liebe bleibt Behauptung, wie leider fast alles hier. So wird aus einem in die Jahre gekommenen Filmklassiker kein Theater von heute, da helfen auch keine Accessoires wie Smartphone, Tablet oder die Hafermilch im Cappuccino to go.

Insgesamt also leider: nicht besonders geistreich.

Bis zum 21. Mai im Deutschen Theater. Karten unter Telefon 55 234 44

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