Kritik

Präziser Klamauk: "Die Kehrseite der Medaille" in der Komödie im Bayerischen Hof

Pascal Breuer inszeniert die Komödie von Florian Zeller
Mathias Hejny |
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Timothy Peach (links), Nicola Tiggeler, Martin Armknecht und Mia Geese in "Die Kehrseite der Medaille".
Dietrich Dettmann Timothy Peach (links), Nicola Tiggeler, Martin Armknecht und Mia Geese in "Die Kehrseite der Medaille".

Während der vergangenen Wochen amüsierte sich das Publikum der Komödie im Bayerischen Hof über die Peinlichkeiten, die das Lüften der Geheimnisse auf den Smartphones der Zeitgenossen mit sich bringen kann. Im aktuellen Stück "Die Kehrseite der Medaille" geht es um das Kopfkino, das in unangenehmen Situationen anspringt. Schon in "Die Wahrheit", das vor zehn Jahren mit Michael von Au in der Komödie zu sehen war, ging es Florian Zeller um die Gefahren der Ehrlichkeit und den Segen verborgen bleibender Gedanken.

Die Wahrheit vermeiden

Dafür hat der vielfach preisgekrönte französische Komödienschreiber und Drehbuchautor eine alte Schauspieltechnik aufgefrischt und zum tragenden Stilmittel des Stückes gemacht: Das Beiseitesprechen. Nur das Publikum erfährt, was die Figur wirklich denkt. Aber das Leben ist gemein, vor allem wenn es sich in den gut abgehangenen Klischees einer Boulevardkomödie spiegelt.

Totz aller Bemühungen, die Wahrheit zu vermeiden, krachen zwei Paare sowohl untereinander als auch gegeneinander zusammen. Isabelle (Nicola Tiggeler) und Daniel (Timothy Peach) sind eng befreundet mit Laurence und Patrick (Martin Armknecht). Laurence wird nicht auftreten, ist aber das Gesprächsthema, denn Patrick hat seine Frau wegen der viel jüngeren Emma (Mia Geese) verlassen. Die will der frisch gebackene Sugardaddy stolz seinen Freunden vorstellen und lädt sich zum Dinner für vier ein. Die Gastgeber sind in einem Dilemma: Den alten Freund und sein "Flittchen" wieder ausladen, um die beste Freundin nicht zu beleidigen?

Die Szene erstarrt

Doch das Abendessen findet statt, wenn auch in sehr unentspannter Atmosphäre. Könnten Blicke wirklich töten, würde Nicola Tiggelers Mimik die beiden Gäste bei ihrem ersten Auftritten umbringen und das Stück wäre nach einer Viertelstunde zu Ende. Stattdessen verknallt sich Daniel spontan in Emma: Sie ist "wie Morgentau im Abendrot", flötet der Lektor in einem literarischen Verlag und balzt sich um den Verstand.

Regisseur Pascal Breuer lässt, ob im eleganten Wohnzimmer (Ausstattung: Monika Maria Cleres) oder in der Küche, nichts anbrennen. Er und sein Ensemble machen von der ersten bis zur letzten Minute druckvoll Tempo. Bei den Beiseite-Monologen erstarrt die übrige Szene und die Personen bleiben in grotesken Posen stehen. Mitunter kommt es dabei zu Störungen im Zeit-Raum-Kontinuum, wenn nach dem Freeze die Haare, die einen Augenblick zuvor perfekt frisiert waren, verstrubbelt sind oder im Champagnerglas eine Rose steckt, wo eben noch keine war.

Das Salz in der Suppe

Szenenapplaus ernten Mia Geese und Timothy Peach für Daniels Fantasie von einer verwegenen Luftgitarren-Nummer und einem sinnlichen Tanz mit Emma zu AC/DC-Sound. Bei einem kurzen Ausflug ins Absurde Theater bedrohen sich die beiden Männer wie zwei Alpha-Gorillas.

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Zwischendurch fragt sich zwar der Zuschauer, wie Daniel, der liebenswerte Schussel, und Patrick, der eitle Schnösel, einst beste Freunde werden konnten. Aber diese Gegensätzlichkeit ist das Salz in der Suppe, denn Peach und Armknecht verstehen es, dem Affen Zucker zu geben. Das alles ist natürlich Klamauk, aber handwerklich hochwertig und präzise komponiert.

Komödie im Bayerischen Hof, bis 30. Juni, 19.30 Uhr, sonntags 18 Uhr, Telefon 29161633

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