Interview

Zwischen Tenor und Bariton: Michael Spyres singt in Händels "Semele" im Prinzregententheater

Der Opernsänger Michael Spyres spricht über seine Grenzgänge zwischen den Fächern und Händels "Semele" im Münchner Prinzregententheater.
Robert Braunmüller
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Die Abgründe der Liebe: Michael Spyres (mi.) mit Brenda Rae in Claus Guths Inszenierung von Händels "Semele" im Prinzregententheater.
Die Abgründe der Liebe: Michael Spyres (mi.) mit Brenda Rae in Claus Guths Inszenierung von Händels "Semele" im Prinzregententheater. © Monika Rittershaus

Die Händel-Pause der Bayerischen Staatsoper endet: Als zweite Premiere der Opernfestspiele kommt am Samstag das Oratorium "Semele" im Prinzregententheater heraus. Claus Guth inszeniert, Michael Spyres singt den Jupiter.

Der amerikanische Sänger ist zuletzt mit zwei bemerkenswerten CDs aufgefallen, deren Repertoire von Lully bis Franz Lehár reicht und sowohl extrem hoch liegende Tenorrollen wie auch Bariton-Partien umfasst.

Michael Spyres wurde 1979 in Mansfield, Missouri geboren. Er studierte erst in den USA Gesang, später am Wiener Konservatorium. Spyres debütierte 2005 am Teatro San Carlo in Neapel als Jaquino in "Fidelio" und spezialisierte sich anfangs auf Tenorrollen in Opern von Rossini.
Michael Spyres wurde 1979 in Mansfield, Missouri geboren. Er studierte erst in den USA Gesang, später am Wiener Konservatorium. Spyres debütierte 2005 am Teatro San Carlo in Neapel als Jaquino in "Fidelio" und spezialisierte sich anfangs auf Tenorrollen in Opern von Rossini. © Salzburger Festspiele/Marco Borrelli

AZ: Herr Spyres, ich habe noch nie mit einem Sänger gesprochen, der in einer Händel-Premiere als Tenor auftritt, aber auch den für einen Bariton komponierten "Bajazzo"-Prolog eingespielt hat. Wie kommt es zu dieser bemerkenswerten Breite Ihres Repertoires?
MICHAEL SPYRES: Jede dieser Rollen passt zu meiner Stimme. Ich beschäftige mich damit, für welche Sänger diese Partien komponiert wurden und was sie sonst gesungen haben. Dabei stellt man fest, dass es die heute üblichen Grenzen zwischen den Stimmfächern früher nicht gegeben hat.

Wer war das beim Tonio in "Der Bajazzo"?
Leoncavallo hat den Prolog für Victor Maurel geschrieben, der auch Verdis erster Jago und Falstaff war. Er hat aber als Tenor angefangen. So unterschiedlich ist der Stimmumfang zwischen Tenor und Bariton auch wieder nicht: 80 Prozent der Rollen bewegen sich in der gleichen Region. Man muss allerdings für die hohen Passagen lange die Technik der "Voix mixte appuyée" trainieren, wie der französische Fachbegriff dafür heißt.

Sänger Michael Spyres: "Für diese Musik braucht es Mitte und Tiefe"

Ist eine solche Stimme für Händel nicht zu schwer?
Finde ich nicht. Auch für diese Musik braucht es Mitte und Tiefe. Außerdem wurden die Oratorien zu Händels Zeit mit einem größer besetzten Orchester aufgeführt. Daher halte ich seine Musik perfekt für einen Baritenor wie mich geeignet.

Weiß man, wer den Jupiter in der Uraufführung von "Semele" gesungen hat?
Das war John Beard. Händel hat viele heroische Tenor-Rollen wie "Judas Maccabaeus" und "Jephta" für ihn komponiert. Er scheint eine starke Fähigkeit zur Charakterisierung mit einer italienisch geschulten Belcanto-Technik besessen zu haben.

Händels "Semele" in der Regie von Claus Guth.
Händels "Semele" in der Regie von Claus Guth. © Monika Rittershaus

Als Jupiter treten Sie erst im zweiten Akt von "Semele" auf.
Das Oratorium ist ein Sonderfall im Werk von Händel, weil es keinen biblischen, sondern einen mythologischen Stoff hat und eine von Jupiters Liebschaften erzählt. Die Rolle ist nicht so groß, enthält aber eine der bekanntesten Händel-Arien für Tenor: "Where'er you walk".

Und was machen Sie, während Sie warten?
Ich studiere "Les Troyens" von Hector Berlioz. Demnächst singe ich den Enée in einer konzertanten Aufführung von "Les Troyens" von Berlioz unter John Eliot Gardiner, die im Sommer durch Europa reist und Ende August auch bei den Salzburger Festspielen zu hören sein wird.

Michael Spyres über Claus Guth: "Finde seine Arbeit sehr interessant"

Ich habe eben am Bühneneingang eine Hochzeitsgesellschaft getroffen.
In der Inszenierung findet die ganze Geschichte im Kopf Semeles statt. Claus Guth inszeniert psychologisch. Ich finde seine Arbeit sehr interessant, denn er entwickelt die Regie ganz aus der Musik heraus.

Wie sind Sie Sänger geworden?
Ich komme aus einer sehr musikalischen Familie – ein bisschen wie "Sound of Music". Meine Eltern waren Musiklehrer, meine Schwester singt am Broadway, ein Bruder ist ebenfalls Tenor.

Michael Spyres mit Brenda Rae.
Michael Spyres mit Brenda Rae. © Monika Rittershaus

Sie haben in Wien studiert und im Arnold-Schönberg-Chor gesungen, der viel mit Nikolaus Harnoncourt gearbeitet hat.
Fast viereinhalb Jahre. Wir haben mit ihm sogar "Carmen" aufgeführt, was etwas eigenwillig war. In der letzten Aufführung von Mozarts "Requiem" unter Claudio Abbado hat Jonas Kaufmann die Tenorpartie gesungen. Ich war schon vor 20 Jahren begeistert von seiner Stimme.

Ein wenig wandeln Sie auf seinen Spuren: Auf Ihrer CD singen Sie "Lohengrin" – aber auf Französisch.
Das ist eine von Wagner autorisierte Version, die aber selten benutzt wurde. In "Lohengrin" steckt viel französische Grand Opéra, und insofern passt das. Mittlerweile ist meine Stimme auch schwer genug für Wagners Musik, die ohnehin nicht im Dauerforte gesungen werden sollte.

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Welche Operette Michael Spyres besonders liebt

Singen Sie Wagner auch auf der Bühne?
Bisher nur den Steuermann im "Fliegenden Holländer" vor vielen Jahren in Berlin. Demnächst singe ich Erik in Hamburg und Lohengrin in Straßburg. Aber ich halte mich vorerst zurück.

Am meisten überraschte mich auf Ihren Platten die "Lustige Witwe", denn der Danilo ist für einen singenden Schauspieler komponiert.
Das stimmt, aber viele Tenöre haben die Rolle gesungen. Und ich liebe diese Operette.

Alles Vorstellungen sind ausverkauft. Die Premiere am 15. Juli wird ab 18 Uhr auf BR Klassik live übertragen. "Les Troyens" von Hector Berlioz am 26. August in der Felsenreitschule, www.salzburgerfestspiele.at. Die beiden CDs "Contra-Tenor" und "Baritenor" bei Erato/Warner

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