Josef E. Köpplinger über "Jesus Christ Superstar"

MÜNCHEN - Am Ende seiner zweiten Spielzeit am umbaubedingt wandernden Gärtnerplatztheater brachte er das Musical „Jesus Christ Superstar“ halbszenisch im Circus Krone heraus. Nun inszeniert Josef E. Köpplinger die Rockoper von Andrew Lloyd Webber noch einmal richtig: diesmal in der Reithalle.
AZ: Herr Köpplinger, die halbszenische Aufführung von „Jesus Christ Superstar“ war für mich perfekt. Die Andeutung reichte mir. Braucht diese Rockoper wirklich das volle Kostüm- und Schminkewesen?
JOSEF E. KÖPPLINGER: Wir hatten damals den Circus Krone für die „Zirkusprinzessin“ gemietet und wollten die Tage zwischen den Aufführungen nutzen. Es gab zwei Proben für den Sound und eine dreistündige szenische Probe, in der ich die Mikrofon-Übergabe und die Auftritte organisiert habe.
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Aber das Stück hat funktioniert, und es ist vielleicht besser, die Passion Jesus Christus dem imaginären Theater im Kopf zu überlassen.
Wir haben auch diesmal nur das Nötigste an Choreografie. Es gibt keinen Schritt zu viel. Ich wollte „Jesus Christ Superstar“ unbedingt noch einmal machen, weil mir bisher immer noch etwas gefehlt hat.
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Was war das?
Die Figuren bekommen nun eine psychologische Verknüpfung, die im Circus Krone aus Zeitmangel gefehlt hat. Mich interessiert die Frage nach dem Verhältnis von Religion und Politik. Das halte ich für ein wichtiges Thema, das uns auch in nächster Zeit im Spielplan weiter begleiten wird.
Was interessiert Sie daran?
Etwa die Frage: Wie manipulierbar ist der Mensch? Warum schieben viele Leute die Religion vor? Warum schlagen sie sich aus lauter Fanatismus die Köpfe ein? In meiner Inszenierung sind die Jünger Jesus Christus junge Menschen, die nach Aufmerksamkeit suchen.
War Jesus ein Fanatiker?
Im Text dieser Rockoper schon. Sie entstand Ende der 1960er Jahre auf dem Höhepunkt der Flower-Power-Zeit und der Underground Revolution. Die Musik zeigt auch die Wetterwendigkeit des Volkes: Die Hosianna-Rufe und das „Kreuzige!“ sind identisch. Beim Letzten Abendmahl träumen die Apostel von ihrem Nachruhm. Da kommt eine gefährliche Eitelkeit ins Spiel. Ich habe ein Problem mit Märtyrern.
Wer ist Jesus für Sie?
Er war gewiss ein sehr charismatischer Mensch. Ich weiß nicht, ob er Gottes Sohn ist. Das ist mir auch egal. Religion besteht für mich nur in der Begegnung mit anderen Menschen. Jesus hat uns angesichts der Endlichkeit des Lebens eine Perspektive auf das Jenseits gegeben – als die Angst vor dem Tod nehmender Trost. Er hilft uns, Neid, Hass, Aggression und andere Todsünden im Zaum zu halten. Aber er ist eine Fantasiefigur.
Bei einer Oper über Jesus muss ich Sie das fragen: Sind Sie religiös?
Ich war auf einer katholischen Schule. Meine Eltern dachten liberal. Sie haben gesagt: Austreten kannst Du immer noch. Ich habe als Schüler den Ethik-Unterricht besucht, weil mir da ein umfassenderes Weltbild vermittelt wurde.
In einem Punkt war „Jesus Christ Superstar“ schon vor 50 Jahren theologisch visionär: Maria Magdalena spielt eine zentrale Rolle.
In meiner Inszenierung in Regensburg Anfang der 1990er Jahre saß sie beim Letzten Abendmahl unter den Aposteln – frei nach Leonardo da Vinci. Da gab es bei der Generalprobe einen Proteststurm, dass die Aufführung unterbrochen werden musste. Ich habe sie dann weiter nach hinten gestellt.
Webber hat nach „Jesus Christ Superstar“ noch „Evita“, „Cats“ und „Phantom of the Opera“ komponiert. Aber nach „Sunset Boulevard“ von 1993 kam nichts mehr. Haben Sie eine Idee, warum?
Er hat nicht wie Rossini im Alter von 37 Jahren zu komponieren aufgehört, um das Leben zu genießen. 2013 kam „Stephen Ward“ im Londoner West End heraus, zwei Jahre später in New York „School of Rock“. Ich habe Webber nur zweimal getroffen. Ich hatte nicht den Eindruck, als sei er ausgebrannt.
Bis 3. Juni in der Reithalle, Heßstraße 132 (Tram 20/21, Haltestelle Hochschule München), Karten unter Telefon 2185 1960