So ist "Jesus Christ Superstar" in der Reithalle
"Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Wonach suchen wir?“ Drei ewige Fragen, gewiss. Und zentrale Fragen der menschlichen Existenz auch. Aber als Projektion auf den Boden und die Wände der Reithalle lassen sie das schale Gefühl von Religionsunterricht und Kirchentag im geneigten Betrachter aufsteigen.
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Josef E. Köpplinger lässt aber keinen Weihrauch aufkommen. Und Schalheit auch nicht. Seine rasante Inszenierung von „Jesus Christ Superstar“ verzichtet fast völlig auf religiöse Symbole. Nur die Dornenkrone kommt vor – als Antwort auf einen Blumenkranz, den Maria Magdalena (Bettina Mönch) beim Einzug in Jerusalem ihrem Geliebten Jesus aufsetzt.
Der Regisseur ist da ganz bei Andrew Lloyd Webber. Dessen szenischer Songzyklus verschließt sich dem Sakralkitsch – abgesehen von ein paar hochironischen Sekunden Engelschor. Köpplinger erzählt, was zu der zwischen Rock, Blues und Soul changierenden Musik passt: die Geschichte einer Jugendrevolte irgendwo zwischen 1968 und Arabischem Frühling, die den mafiös mächtigen Erwachsenen nicht in den Kram passt.
Ohne Theater-Peinlichkeit
Jesus (Armin Kahl) erinnert mit seinem Mützchen ein wenig an Til Schweiger, was ihn nicht eben sympathischer macht. Seine Zerrissenheit hat etwas Neurotisches. Auch die Eitelkeit und der Jähzorn sind ihm nicht fremd. Weniger nazarenisch lässt sich Jesus kaum spielen. Seine Apostel benehmen sich so schlecht wie alle Ansammlungen junger Männer. Sie verachten Maria Magdalena, werden aber auch schnell mal übergriffig. Beim Abendmahl bricht Jesus ein Fladenbrot, die anderen essen Hamburger und Fast-Food. Der Wein kommt aus der Flasche. Bald liegt der Dreck am Boden.
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In der Tempelszene zaubert Köpplinger mit ein paar Einkaufswägen, Rabattfahnen und Straßenhändlern die Karikatur des Konsumismus auf die Bühne (Rainer Sinell). Das Volk ist wetterwendisch. Man jubelt Jesus zu. Doch später fordern die gleichen unterhaltungssüchtigen Leute mit Popcorn und Softdrinks in den Händen seine Kreuzigung. Am Ende steht Jesus mit ausgebreiteten Armen auf einer Leiter. Das ist stärker und als Bild theologisch tiefer als die peinliche Theater-Kreuzigung.
Die Passion als Show
Köpplinger hat in dieser Inszenierung das Beste aus der konzertanten Aufführung von 2014 im Circus Krone hinübergerettet: den Verzicht auf den Kitsch. Die vielen kleinen Rand-Geschichten wie das freundschaftliche Einverständnis zwischen Petrus und Maria Magdalena, denen immer wieder mal ein Paparazzo auflauert, bereichern die Aufführung. Sie arbeitet die eigene Stärke dieser Rockoper heraus: die Verfremdung der Passion zu einer kritischen Show.
Jeff Frohner dirigiert die opulente Fassung mit Rockband, Bläsern und Streichorchester. Die bald 50 Jahre alte Musik wirkt so frisch wie gestern komponiert. Wie immer brauchte es etwa 15 Minuten, bis die Klangregie den Sound einigermaßen austariert hatte.
Gesungen wird stark. Das Spektakel bleibt immer hart an der Botschaft dran. Bei der Schlussmusik treffen Jesus und Judas ein letztes Mal aufeinander. Es gibt keine Versöhnung, sondern nur eine klare Trennung. Den Schneefall hätte es dazu vielleicht nicht gebraucht. Aber auch hier: die Betonung des Widersprüchlichen. Wenn dann die drei Fragen wiederkommen, sieht man sie mit anderen Augen.
Bis 3. Juni in der Reithalle, Heßstraße 132. Infos zu Terminen und Karten unter www.gaertnerplatztheater.de