Kritik

"Jekyll & Hyde" im Deutschen Theater: Leiden in Lack und Leder

Das Böse (ab)schaffen: Das Musical "Jekyll & Hyde" nach Stevensons Schauerklassiker im Deutschen Theater.
Mathias Hejny |
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Sex sells: Miriam Neumaier als Tänzerin und Prostituierte Lucy Harris aus dem "Red-Rat"-Club.
Sex sells: Miriam Neumaier als Tänzerin und Prostituierte Lucy Harris aus dem "Red-Rat"-Club. © Ruppenthal

München - Üblicherweise finden sich die Liebenden erst zum Happyend. Aber in diesem Falle feiern Lisa Carew und Dr. Henry Jekyll schon zum Anfang der Schauergeschichte ihre Verlobung, wobei das Leben des Arztes überschattet ist von der Krankheit seines Vaters.

Im netten Herrn Doktor bricht die dunkle Seite seiner Persönlichkeit durch

Den Schizophrenen will der Sohn heilen, in dem er das Gute vom Bösen trennt und damit das Böse abschafft. Als Robert Louis Stevenson 1886 seine Novelle "Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde" veröffentlichte, war das noch eine völlig absurde Vorstellung.

Doch 30 Jahre später beschrieb Sigmund Freud den Menschen als ein Wesen, das in der Tat nicht der Herr in seinem eigenen Hause ist: Über-Ich und Ich haben alle Mühe, das Es, den animalischen und triebhaften Anteil der Psyche, unter Kontrolle zu behalten. Da die Fachwelt Menschenversuche ablehnt, testet Jekyll sein neues Serum an sich selbst. Das Experiment geht schief, und immer wieder bricht im netten Herrn Doktor die dunkle Seite seiner Persönlichkeit durch.

"Jekyll & Hyde": Neue und stark gekürzte Fassung im Deutschen Theater

Als brutaler Serienmörder Edward Hyde macht er die Nächte der britischen Hauptstadt unsicher. Er stößt einen Passanten vor die U-Bahn, erdolcht Prostituierte und sogar der Bischof, ertappt bei unkeuschem Tun im Bordell, muss dran glauben.

Das Musical "Jekyll & Hyde" wurde schon 1990 mit der Musik von Frank Wildhorn und den Texten von Leslie Bricusse im texanischen Houston uraufgeführt. Neu ist die stark gekürzte Fassung, die im Deutschen Theater gespielt wird.

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Der Musikalische Leiter Marc Seitz, der die siebenköpfige Combo dirigiert, hat auch die Arrangements stark überarbeitet und lässt die Songs weniger orchestral klingen. Der Sound ist härter und rockiger, wobei hier vor allem die Klangsvorstellungen der Hardrock-Bands der 1970er Jahren zu hören sind.

Die Inszenierung von Andreas Gergen dauert gerade einmal pausenlose 100 Minuten und ist, verglichen mit der visuellen Opulenz, die sich mit den Interieurs und der Kleidung im viktorianischen England verbindet, minimalistisch.

Gnadenloses Tempo: Kein spielerischer Einfallsreichtum im Gruselmusical 

Solisten und Chor, die auch als Tanzensemble fast durchgängig für Bewegung sorgen (Choreografie: Till Nau), agieren auf der Vorderbühne und auf zwei begehbaren Beleuchterbrücken. Dahinter erhebt sich portalfüllend eine Videowand (Bühne: Momme Hinrichs), auf der Ansichten von London zu sehen sind oder die verrußten Klinkerwände der weniger feinen Stadtviertel. Auch in den Kostümen von Ulli Kremer dominieren Grau und Schwarz.

Den spielerischen Einfallsreichtum, den Andreas Gergen beim "Schuh des Manitu" zeigte, sucht man im mit gnadenlosen Tempo ablaufenden Gruselmusical vergebens. Und auch Fabio Diso, der eindrucksvoll witzige Grieche Dimitri im Winnetou-Jux, enttäuscht sowohl als Jekyll als auch als Hyde mit Blässe. Das Duett, das er im Disput zwischen dem Doktor und dem Triebtäter mit sich selbst singt, hätte eine schauspielerische wie sängerische Glanznummer werden können.

Zwei Sängerinnen sorgen für die Höhepunkte des Abends

Für solche sorgen die beiden Damen, zwischen denen Dr. Jekyll steht: Milica Jovanovic ist die Verlobte Lisa mit glockenhellem Sopran in hochgeschlossen züchtigem Kleid und dem emotionssatten Song "Nimm mich, wie ich bin".

Fulminant, mit ebenso weichem wie druckvollem Gesang, spielt und tanzt Miriam Neumaier als Sadomaso-Tänzerin Lucy Harris aus dem "Red-Rat"-Club, die mit "Schafft die Männer ran" einen gewaltigen Auftritt hat und sich dann in den schicken Doktor verliebt.

Die beiden Rivalinnen treffen sich erst, als klar ist, dass beide ihn verloren haben und besingen ihn mit "Nur sein Blick" in einem wunderschön traurigen Duett.


Deutsches Theater, bis 13. Februar dienstags bis samstags 19.30 Uhr, samstags auch 15 Uhr, sonntags 14.30 Uhr, Telefon 55234444

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