"Der Rosenkavalier": Das Orchester ist eine Primadonna

"Der Rosenkavalier" bei den Salzburger Festspielen, inszeniert von Harry Kupfer und dirigiert von Franz Welser-Möst
von  Robert Braunmüller

München/Salzburg - "Ochs muss eine ländliche Don Juan-Schönheit von etwa 35 Jahren sein“, schrieb Richard Strauss, an der Aufführungstradition grober dicker Bassisten leidend. Der Baron sei „immerhin Edelmann (wenn auch etwas verbauert), der sich im Salon der Marschallin soweit anständig benehmen kann, dass sie ihn nicht nach fünf Minuten von ihrem Bedienten hinausschmeißen lässt.“

Den ersten 100 Jahren Aufführungsgeschichte waren diese Sätze wurscht. Im Großen Festspielhaus geht nun der Wunsch des Komponisten in Erfüllung. Im neuen „Rosenkavalier“ der Salzburger Festspiele stürmt der junge blonde Baron am frühen Morgen im hellen Reiseanzug zwar brachial ins Zimmer der melancholischen Marschallin. Aber er bleibt trotzdem eine Person von Stand, auch wenn er, innerlich ein Schmutzian, immer nur an das Eine denkt und davon redet.

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Der formidabel singende und spielende Bassist Günther Groissböck erlöst den Ochs auf Lerchenau vom Klischee des alten, rotgesichtigen Grobians. Plötzlich versteht der Zuschauer, wieso er als Ehemann der zarten Sophie ausersehen wurde und ist ein glaubwürdiger Rivale für Octavian. Groissböck singt beweglich, textverständlich und mit Charme - der Niederösterreich ist schon heute der Ochs seiner Generation.

Das Gleiche lässt sich von Krassimira Stoyanova vorläufig noch nicht behaupten. Ihrer tadellos, perfekt und lyrisch gesungenen Marschallin fehlt es im dritten Akt an der Souveränität des Auftritts und an der Persönlichkeit. Das mag sich bald runden. Vor Mojca Erdmann (Sophie) und Sophie Koch (Octavian) würde man andernorts bewundernd auf die Knie sinken, aber im Großen Festspielhaus erreichen sie das Herz des Rezensenten nicht.

Das ist, leider, ein Problem dieses Riesentheaters, in dem nur Riesenstimmen bis ins hintere Parkett durchdringen. Die wahre Primadonna sind die von Franz Welser-Möst zur Durchhörbarkeit angehaltenen Wiener Philharmoniker. Wer den „Rosenkavalier“ noch nie im Glanz der Nuancen dieses Pracht-Orchesters gehört hat, kennt ihn nicht. Es ist unvergesslich, wie sich die Streicher plötzlich zu einer zarten Melancholie zurücknehmen, wenn die Marschallin am Ende des ersten Akts davon singt, dass sie in der Nacht manchmal die Uhren anhält. Und als Walzerkönige sind diese Wiener ohnehin unschlagbar.

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Welser-Möst, der kürzlich ein enttäuschendes Strauss-Konzert im Münchner Nationaltheater leitete, dirigiert den „Rosenkavalier“ ohne die traditionellen Striche. Ale Interpret wirkt er wie ausgewechselt. Er ist zwar kein leidenschaftlicher Energetiker, aber er hält das Orchester bei dieser von Interpreten oft überfetteten Partitur zum Maß an.

Ziemlich frappierend war übrigens, wie sehr in der Krawallmusik des zweiten Akts „Elektra“ und „Salome“ nachhallen - so stark ist der oft beklagte Wendung zum Traditionalismus im Werk von Richard Strauss nach dem „Rosenkavalier“ auch wieder nicht.

Der 79-jährige Regisseur Harry Kupfer belebt die Salzburger Breitwandbühne handwerklich routiniert mit Leben und Nebenfiguren. Die Geschichte spielt nicht mehr im Rokoko, sondern in der Entstehungszeit der Oper kurz vor dem Ersten Weltkrieg.

Am kulinarisch-dekorativen Charakter ändert das wenig. Das Kunsthistorische Museum und das Palmenhaus der Wiener Hofburg avanciert im Bühnenbild von Hans Schavernoch als Projektion zum Palais Faninal, der kleine Mohr chauffiert bei Kupfer die Marschallin im weißen Oldtimer und könnte ihr nächster Liebhaber werden.

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Von einem unzureichenden italienischen Sänger abgesehen, waltete bei der Besetzung Festspielluxus.

Das gilt sogar für die Statisten: Hier nennt das Programmheft zwei Herren namens Beck-Manegatta: keine Bürgerlichen wie unsereiner, sondern Nachkommen jenes Geschlechts der Lerchenau, deren Namen der Textdichter Hugo von Hofmannsthal durch den Ochs unsterblich gemacht hat. Aber natürlich ohne Adelstitel, soviel Republik Österreich muss sein. Robert Braunmüller Infos zu Terminen und Karten unter www.salzburgfestival.at. Das Bayerische Fernsehen zeigt am 21. August um 22.45 Uhr eine Aufzeichnung.

 

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