Kritik

"Butterfly" in Bregenz: Weltbühne und Kammerspiel

Die Bregenzer Festspiel-"Butterfly" beginnt am See und muss wegen eines Gewitters ins Festspielhaus wechseln.
Wolf-Dieter Peter |
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Ist Puccinis "Butterfly" auf dem Mond gelandet? Die Amerikaner waren dort immerhin auch schon mal aktiv
Ist Puccinis "Butterfly" auf dem Mond gelandet? Die Amerikaner waren dort immerhin auch schon mal aktiv © Karl Forster/Bregenzer Festspiele

Bregenz - Die Liaison zwischen dem smarten US-Leutnant Pinkerton und der Geisha, die er "Butterfly" nennt, steht unter keinem guten Stern: Vor Beginn zieht ein Gewitter über Bregenz hinweg. 

Gewitter: 1.200 Hauskarten-Besitzer dürfen ins Festspielhaus umziehen

Nach Regen-Ende wird mutig begonnen, folgen Heirat, Liebesnacht, drei Jahre Wartezeit auf dem gewellten Blatt Japan-Papier, das mit 1.300 Quadratmetern über dem See zu schweben scheint, mit Blitzen in der Ferne, dann ein wenig Nieselregen und 7.000 Besuchern, die sich in ihre Regencapes hüllen.

Die Seebühne am Bodensee bei schönem Wetter.
Die Seebühne am Bodensee bei schönem Wetter. © Bregenzer Festspiele

Eben hat die verlassene Butterfly eindringlich beschworen, dass "Un bel di" Pinkertons Schiff wiederkommen wird - Szenenbeifall - als das Arbeitslicht angeht: Die Ansagerin kündigt den heranziehenden Gewittersturm an - 1.200 Hauskarten-Besitzer dürfen ins direkt angebaute Festspielhaus übersiedeln. Da noch nicht die Hälfte des Abendwerkes gespielt ist, können die See-Karten umgetauscht oder erstattet werden.

Drinnen sitzen die bislang nach draußen übertragenen Wiener Symphoniker auf der Bühne. Vor ihnen und Dirigent Enrique Mazzola, auf dem hochgefahrenen Orchestergraben bieten die sieben Solisten dann ein hautnah gerücktes Kammerspiel vom tödlich endenden "culture clash". Der aus beeindruckter Stille losbrechende Beifall hätte sicher auch den sich nicht zeigenden Regisseur Andreas Homoki und sein Bühnenteam miteingeschlossen. Nur blieb die Frage, ob die intime Tragödie auf der weiten Seebühne ähnlich anrührend gewirkt hätte.

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Draußen stimmte das große Blatt mit seinen Chinoiserie-Zeichnungen gut ein: vorne ein kleiner Garten, dann ein Serpentinen-Weg zu den hinten in den Nachthimmel aufragenden Bergsilhouetten. Vom offenen Häuschen ist ja die Rede, vom Blick auf Nagasaki, das Meer und den Hafen - da spielen Bodensee, Seebühne und Bregenzer Hafen ein wenig mit.

Ausgerechnet unter der US-Flagge sucht die arme Butterfly Schutz

Mit der sonnigen Selbstgefälligkeit der 1950er Jahre bricht Pinkerton erst ganz oben, dann auf halber Bühnenhöhe durch die Papierwand. Wie Haifisch-Flossen bleiben die zwei Öffnungen im sonst feingezeichneten Ambiente. Durch eine davon fährt zu Pinkertons Toast auf Amerika ein Flaggenmast mit US-Fahne hoch. In die wickelt sich die verlassene Butterfly später als Schutz.

Franck Evins Lichtregie färbt das ganze Blatt mal in Liebeszauber-Rosé, mal in kaltes Blau und dann Grau zum bösen Onkel-Bonze-Auftritt, dessen Fratze hinten in den Bergen aufscheint (Video: Luke Halls). Glutvolles Rot und kaltes Weiß folgen. Ob das den ganzen Abend trägt, werden erst künftige Aufführungen erweisen.

Die usbekische Sopranistin Barno Ismatullaeva überstrahlt alle

Jetzt rückte die Hausbühne diesen Missbrauch einer fünfzehnjährigen Geisha hautnah. Männlicher Egoismus mündete in Edgaras Montvidas jugendlich schlankem Tenor in verantwortungslose Feigheit. Brian Mulligans Konsul Sharpless warmer Bariton verströmte rollengerecht die gut gemeinte Hilfslosigkeit. Annalisa Stroppas Suzuki war mit schönem Mezzo Dienerin und dann Vertraute. Sie alle überstrahlte die usbekische Sopranistin Barno Ismatullaeva mit erst mädchenhafter Süße, bitteren dunklen Tönen und dann dem großen Leidensausbruch.

Eine Szene aus Puccinis "Butterfly" in Bregenz.
Eine Szene aus Puccinis "Butterfly" in Bregenz. © Anja Koehler

All das gelang, weil erst die abermals verbesserte Akustikanlage in der Aussteuerung von Alwin Bösch und Clemens Wannemacher nicht nur die Gänge im weiten Papierareal verfolgbar, sondern auch weichere Übergänge ins Piano und viele Einzelstimmen aus dem Orchester hörbar machten - und dann rauschte schon auch das Fortissimo beeindruckend.

Standing Ovation beendet den mehrfach dramatischen Abend

Im Festspielhaus wurde dann sichtbar, wie feinzeichnend Enrique Mazzola mit den glänzend disponierten Wiener Symphonikern arbeitete: Beiden schien bewusst, dass die unbestechlichen Mikrofone jeden kleinen Fehler übertragen würden - also müssen jedes kleine Solo, das Zusammenspiel und der Gesamtklang erarbeitet sein, im Fluss gelingen und nach draußen transportiert werden. Jetzt war Mazzolas engagierte Zeichengebung als Motor und auch als Seele einer Live-Aufführung zu erleben. Zurecht beendete eine Standing Ovation den mehrfach dramatischen Abend.


Weitere Vorstellungen bis 21. August auf der Seebühne. Infos unter bregenzerfestspiele.com

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