Interview

Bayerische Staatsoper: "Meisterwerke wie von Mozart"

Barrie Kosky über Leos Janacek und dessen Oper "Das schlaue Füchslein".
Robert Braunmüller
Robert Braunmüller
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Eliza Boom (Schopfhenne), Elena Tsallagova (Füchslein Schlaukopf) und Andres Agudelo (Hahn) in Barrie Koskys Inszenierung von Leoš Janáčeks Oper "Das schlaue Füchslein" im Nationaltheater. Foto: Wilfried Hösl
Wilfried Hösl 5 Eliza Boom (Schopfhenne), Elena Tsallagova (Füchslein Schlaukopf) und Andres Agudelo (Hahn) in Barrie Koskys Inszenierung von Leoš Janáčeks Oper "Das schlaue Füchslein" im Nationaltheater. Foto: Wilfried Hösl
Die Dirigentin Mirga Gražinyté-Tyla mit dem Regisseur Barrie Kosky bei einer Probe
Wilfried Hösl 5 Die Dirigentin Mirga Gražinyté-Tyla mit dem Regisseur Barrie Kosky bei einer Probe
"Das schlaue Füchslein" im Nationaltheater.
Wilfried Hösl 5 "Das schlaue Füchslein" im Nationaltheater.
Barrie Kosky stammt aus Australien.
dpa 5 Barrie Kosky stammt aus Australien.
"Das schlaue Füchslein" im Nationaltheater
Wilfried Hösl 5 "Das schlaue Füchslein" im Nationaltheater

München - Der scheidende Intendant und Chefregisseur der Komischen Oper Berlin inszenierte seit 2010 bereits vier Opern an der Bayerischen Staatsoper, zuletzt im vergangenen Frühjahr den "Rosenkavalier". Nun folgt das "Schlaue Füchslein" von Leos Janacek. Premiere ist am Sonntag, es dirigiert Mirga Grazinyte-Tyla.

AZ: Herr Kosky, ein Intendant hat mir einmal vor seiner eigenen Inszenierung einer Janacek-Oper gesagt, dieser Komponist sei Kassengift. Wissen Sie einen Grund dafür?
BARRIE KOSKY: Mich wundert immer, dass Janaceks Popularität so schwankt. In Tschechien ist er ein Opern-Gott, in Deutschland sind seine Opern trotz aller Bemühungen ein Randphänomen, in Russland wird er kaum gespielt. Den größten Erfolg haben Janaceks Opern in Großbritannien, vor allem in Schottland. Da gibt es offenbar eine Affinität zu den ländlichen Menschen und dem Dorfleben in den Opern.

Kosky: "Janaceks Opern sind Meisterwerke"

Leider halten sich Janacek-Inszenierungen erfahrungsgemäß mangels Nachfrage kaum im Repertoire.
Eigentlich müssten "Katja Kabanova", "Jenufa" oder das "Schlaue Füchslein" an den großen Häusern in jeder Spielzeit mehrmals auftauchen. Janacek ist eine Säule des Musiktheaters des 20. Jahrhunderts. Seine Opern sind Meisterwerke wie die von Mozart, Richard Strauss oder Puccini. Sänger lieben die Musik, Dirigenten und Regisseure ebenfalls. Daher verstehe ich es nicht, weshalb es bisher außer Walter Felsensteins "Schlauem Füchslein" an der Komischen Oper Berlin keine Kult-Inszenierungen dieser Werke im deutschsprachigen Raum gegeben hat. Und das war 1956.

Was macht denn Janaceks Qualität aus?
Die Musik ist sensationell, die Geschichten sind atemberaubend und voller Emotionen. Und es sind kurze Abende: Keine Oper dauert länger als 90 Minuten. Und es ist ein einmaliger Kosmos, den es vor Janacek so nicht gab, und nach ihm auch nicht mehr. Obwohl die Musik durchaus in der tschechischen Tradition von Smetana und Dvorak steht und auch die Einflüsse von Bartók und Debussy zu spüren sind, hat Janacek etwas ganz Neues daraus gemacht. Es bleibt für mich ein Rätsel, wieso Aufführungen manchmal das Publikum nicht ansprechen.

Kosky: "Ich will keine Statisten mit Tiermasken"

Mir graust beim "Schlauen Füchslein" ein wenig vor Sängern, die Tiere darstellen. Und auch vor einem Wald auf der Bühne.
Ich möchte weder einen Wald noch falsches Gras sehen - und auch keine Statisten, die mit Tiermasken und Fellschwänzen herumlaufen. Trotzdem: Wer das "Schlaue Füchslein" inszeniert, muss zwei große Fragen beantworten: einerseits die nach der Naturwelt und ihrer ästhetischen Umsetzung, anderseits wie man die tierische und menschliche Welt voneinander abgrenzt. Vielmehr muss man klären, was der Tacheles dieses Stücks ist.

Worin besteht der Tacheles?
Die Oper hat nicht nur ein Thema, sondern mehrere. Der Förster ist eine autobiografische Figur, die viel mit dem Komponisten zu tun hat. Alle Männer dieser Oper sind einsam, frustriert und traurig - auch der Lehrer, der Pfarrer. Sie reden viel über unerfüllte und verlorene Liebe. Sie träumen sich für Momente in sehnsüchtiger Melancholie aus ihrer Dorf-Provinzialität hinaus. Aus diesem Grund beginnt meine Inszenierung nicht im Wald, sondern auf einem Friedhof, wo der Förster seine Tochter begräbt.

Und das heißt?
Das Füchslein ist nicht die Projektion einer verlorenen Liebe, sondern seiner verlorenen Tochter. Die tierische Welt sind bei mir Kinder, barfuß, befreit, voller Hoffnung und Spaß. Sie bilden einen Kontrast zur Welt der Erwachsenen.

Sommernachtstraum-Film lieferte Inspiration

Dann brauchen Sie auch keinen Wald.
Der Bühnenbildner Michael Levine hat Max Reinhardts Film-Inszenierung von Shakespeares "Sommernachtstraum" gesehen. Am Ende glitzert da die Natur diamanten wie Wasser und Kristall. Das haben wir versucht, weiterzudenken. Unser Ziel war, dass man bei der Google-Bildersuche beim "Füchslein" künftig sehr viel Grün sieht und dazwischen als überraschenden Kontrast unsere Inszenierung.

Die Dirigentin Mirga Gražinyté-Tyla mit dem Regisseur Barrie Kosky bei einer Probe
Die Dirigentin Mirga Gražinyté-Tyla mit dem Regisseur Barrie Kosky bei einer Probe © Wilfried Hösl

Die Hauptfigur ist der Förster.
Er hat am Ende einen wunderbaren Monolog und denkt, mit einem Pilz in der Hand, über die Verbindung von Tieren und Menschen und die eigenen Gefühle und das Weltgeschehen nach. Dieser halb-philosophische Monolog hat etwas vom Hans Sachs im zweiten Akt der "Meistersinger" und der Marschallin im "Rosenkavalier". Und etwas Tschechow ist auch dabei: einfache Fragen, verbunden mit einer existenziellen Dimension.

Kosky: "Meine Inszenierungen sind nicht für den Bildschirm gemacht"

Ihre letzte Münchner Premiere, der "Rosenkavalier", musste gestreamt werden. Wie ging es Ihnen damit?
Das Theater war geschlossen, die Premiere fand ohne Publikum statt und ich saß mit meinem Team in der Königsloge. Dank der Zusammenarbeit mit Vladimir Jurowski empfand ich den "Rosenkavalier" als sehr gelungene Arbeit. Aber es war trotzdem ein sehr schmerzhafter Abend in einem komplett leeren Haus, weil meine Inszenierungen nicht für einen Bildschirm gemacht sind. Gerade beim "Rosenkavalier" muss man die ganze Bühne sehen.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Im Mai steht der "Rosenkavalier" wieder in Premierenbesetzung auf dem Spielplan - endlich mit vollem Orchester.
Ich bin Optimist. Man soll nicht dem Gestern nachtrauern. Der Schmerz geht weg. Vor einem Jahr war noch kaum jemand geimpft. Am Sonntag, in der "Füchslein"-Premiere gibt es 1.000 Zuschauer. Das ist immer noch kein volles Haus, aber nicht so deprimierend wie 25 Prozent.


Premiere am Sonntag, 19 Uhr. Auch am 3., 6., 7., 12. und 15. Februar. Karten online oder unter Telefon 2185 1920

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.