"Morgen und für immer" von Ermal Meta: Einmal zum Klassenfeind und zurück

Ermal Meta, albanisch-italienischer Musiker, führt in seinem Roman "Morgen und für immer" in die politische Schreckenskammer seiner alten Heimat.
Volker Isfort
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Ermal Meta im vergangenen Sommer bei einem Konzert in Verona.
Ermal Meta im vergangenen Sommer bei einem Konzert in Verona. © .Foto: Roberto Tommasini/Imago

Nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Regierung in Albanien zu Beginn der 90er Jahre verließen Zehntausende das Land und wagten – während ihre Heimat im politischen Chaos versank - einen Neuanfang in Italien.

Eine Auseinandersetzung mit der alten Heimat

Auch Ermal Mata kam so im Alter von 13 Jahren auf die andere Seite der Adria. Drei Jahrzehnte später ist er dort ein anerkannter Musiker, vertrat sogar Italien beim European Song Contest 2018 und landete auf einem guten 5 Platz. Im vergangenen Jahr zeigte er eine andere Facette seiner Kreativität und schrieb mit "Morgen und für immer" seinen ersten Roman, der in Italien ein Bestseller wurde und nun auf Deutsch erscheint. Es ist Ermal Metas Auseinandersetzung mit seiner alten Heimat.

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Anders als Lea Ypi, die in ihrem Bestseller "Freiheit" mit den Augen des Kindes auf die Spätphase des albanischen Kommunismus nach dem Tod von Diktator Enver Xoxha schaut, wählt Ermal Meta keinen autobiografischen Zugang.

Seine Erzählung beginnt 1943 im albanischen Valbonatal östlich von Shkodra, das vielen Fernwanderern durch den "Peaks of the Balkans"-Weg bekannt sein dürfte. Dort wohnt der junge Kajan, Protagonist des Romans, bei seinem Opa in der hintersten Siedlung des Tals, während die Eltern im Partisanenkampf gegen die Wehrmacht engagiert sind. Ein desertierter Wehrmachtssoldat findet hier Unterschlupf. Und dieser Cornelius hilft nicht nur auf dem Hof, er bringt Kajan auch Deutsch bei (mit starkem sächsischem Akzent) und unterrichtet ihn auf dem alten Klavier.

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Die "Feinde" im Inneren

Ein Jahr später, im November 1944, werden die Deutschen aus Albanien vertrieben und zwei von Kajans Cousins versuchen, Albanien zu verlassen. Dieses verbotene Vorhaben kostet nicht nur ihr Leben, sondern wird auch ihren Eltern Jahrzehnte in der Strafkolonie in den Bergen einbringen. Denn die siegreichen kommunistischen Truppen unter Enver Xhoxa haben das Land in ein Gefängnis verwandelt und es beginnt die Zeit der Säuberungen und Strafmaßnahmen gegen die "Feinde" im Innern.

Überbordender Erzählfuror

In großen Zeitsprüngen und mit überbordendem Erzählfuror entwirft Ermal Meta die unglaubliche Odyssee seines Protagonisten, der Dank seines musikalischen Talents 1962 für Albanien bei einem Wettbewerb in Ost-Berlin an den Start gehen wird und sich dort in die polnische Cellistin Dana verliebt. Sie ist die erste Frau, für die er wieder Gefühle entwickeln kann, seit ihn Elizabeta verließ, um ihn zu retten. Ihre Eltern hatten die "falsche Biografie" für den Sohn einer Partisanin.

Die Schreckenskammer der Vergangenheit

Nicht ganz freiwillig landet Kajan auf der anderen Seite der Berliner Mauer und kann nun - als Verräter abgestempelt - nicht mehr zurück. Er beginnt ein neues Leben in den USA und wird Jazzmusiker. Doch Metas erzählerische Volten führen Kajan zwei Jahrzehnte später zurück in die alte Heimat. Der bisweilen zum Blumigen neigende Autor ändert nun die Tonlage radikal und öffnet die Schreckenskammer der Vergangenheit seines Landes.

Auch wenn bei Ermal Meta bisweilen die Fantasie über das Handwerk siegt, ist "Morgen und für immer" eine überaus spannende Lektüre und ein gelungenes Debüt.


Ermal Meta: "Morgen und für immer" (Hanser, 528 S., 25 Euro)

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