Wütende Bauern und Kamele: Das hat Bayerns Politik 2024 beschäftigt
Obwohl in der Welt die Zeitenwende tobte, war die bayerische Landespolitik im ausgehenden Jahr überwiegend von Kontinuität geprägt. Es gab weder spektakuläre Rücktritte noch Rauswürfe, aber von Langeweile konnte auch nicht die Rede sein. Dafür sorgten bundespolitische Turbulenzen, die einmal mehr in Bayern zum Spekulations-Dauerbrenner "Will Söder Kanzlerkandidat werden?" Anlass gaben.
Nur einer kann Kanzlerkandidat der Union werden
Mitte September setzte CSU-Vorsitzender und Ministerpräsident Markus Söder dem ein vorläufiges Ende und erklärte CDU-Chef Friedrich Merz zum unumstrittenen Kanzlerkandidaten beider C-Parteien.
Verbunden war die Absage an Berlin mit der von vielen als Drohung empfundenen Söder-Ankündigung, er werde noch "sehr, sehr lange" Ministerpräsident bleiben. Große personelle Veränderungen in der bayerischen Landespolitik sind damit erst einmal ausgeschlossen, auch wenn Vizeministerpräsident und Freie-Wähler-Vorsitzender Hubert Aiwanger anderes anstrebt.
Er wurde von seiner Partei zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl am 23. Februar 2025 gewählt und zeigte sich entschlossen, ins Bundesparlament einzuziehen und womöglich auch noch das Amt des Bundeswirtschaftsministers zu übernehmen. Eine Vision, die vom bayerischen Koalitionspartner CSU mit Spott begleitet wird.
Immer Ärger mit Hubert Aiwanger
Aiwanger war es auch, der zu Beginn des Jahres 2024 Anlass zur Unruhe in der "Bayern-Koalition" von CSU und FW gab. Weil er bei den Bauern-Protesten bundesweit aktiv war, bemängelte man in der CSU Aiwangers Engagement und Kompetenz als Wirtschaftsminister. Das Missvergnügen der CSU über die Aktivitäten des Regierungspartners, der unverdrossen im christsozialen Wählerreservoir wildert, brachte das Bündnis zwar nicht ernsthaft ins Wanken, schwelt aber weiter.

Regierungschef Söder bestimmte einmal mehr die landespolitischen Schlagzeilen des Jahres. Auslandsreisen führten ihn unter anderem nach China, Ägypten, Italien und Polen, wo er je nach Gelegenheit mit Pandabären und Kamelen für die Kameras posierte und in Warschau Willy Brandts Kniefall nachstellte.
Bayern geht das Geld aus
In Bayern freilich war das Regieren 2024 nicht mehr so freudvoll wie in den vorangegangenen Jahren der sprudelnden Steuereinnahmen. Angesichts von geschätzten Steuermindereinnahmen im Volumen von 2,4 Milliarden Euro bis 2026 musste auch der Freistaat – ein wenig – auf die Ausgabenbremse treten.
Direkte Zahlungen für Familien und Pflegebedürftige wurden gekürzt. Auf neue Milliardenprogramme musste verzichtet werden. Den Kommunen kam der Freistaat beim kommunalen Finanzausgleich entgegen, gleichwohl ächzen viele Städte und Gemeinden unter den Ausgabelasten bei gleichzeitig stagnierenden oder sinkenden Einnahmen.
Pleiten, Pech und Pannen: Die bayerische Wirtschaft lahmt
Zum Jahresende wurden die Bremsspuren in der bayerischen Wirtschaft immer deutlicher. Allein in der bayerischen Metall- und Elektroindustrie gingen 2024 etwa 11.000 Jobs verloren. 2025 sollen es nahezu doppelt so viele werden.
Die staatliche Unterstützung für zwei Flugtaxi-Entwickler scheiterte zum einen an Wirtschaftsminister Aiwanger und zum anderen am Haushaltsausschuss des Bundestags. Aber: Im März wurde der Startschuss für ein europäisches Mond-Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen (Landkreis Starnberg) gegeben.
In gesetzgeberischer Hinsicht war die "Bayern-Koalition" durchaus fleißig unterwegs. Ein Jahr nach dem Abschluss des Koalitionsvertrags zwischen CSU und Freien Wählern wurden ein mehrteiliges "Modernisierungsgesetz" auf den Weg gebracht und und Erleichterungen für den Bau von Windkraftanlagen verabschiedet.
Schulen, Öffnungszeiten und Krankenhäuser in der Debatte
Als Konsequenz aus den ernüchternden Pisa-Ergebnissen wurden Sprachtests vor der Einschulung eingeführt sowie mehr Deutsch- und Mathematik-Unterricht in den Grundschulen verordnet. Mit dem ersten bayerischen Ladenschlussgesetz wurden die Öffnungszeiten im Freistaat nur vorsichtig reformiert.
Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) kämpfte gegen die Folgen der Krankenhausreform des Bundes für den ländlichen Raum des Freistaats an. Es versteht sich von selbst, dass keine der Maßnahmen auf ungeteilten Zuspruch stieß.
Hilft die Bezahlkarte?
Als erstes Bundesland führte Bayern Bezahlkarten für Asylbewerber ein, deren beabsichtigte Wirkung von "Umtauschbörsen" in einigen Städten konterkariert wurde. Ganz bewusst als Affront gegen die Drogen-Politik der Berliner Ampel führte die Söder-Regierung Richtlinien ein, die Konsum und Anbau von Cannabis im Freistaat so schwer wie möglich machen sollen. Eine Verordnung zum erleichterten Abschuss von Wölfen scheiterte hingegen an den Verwaltungsgerichten. Einer Neufassung droht dasselbe Schicksal.
Fast nebenher kassierte Söder das bisher geltende Ziel, Bayern bis 2040 klimaneutral zu machen. Neuer Termin: 2045.
Meuterei in der Bayern-SPD
Einmal mehr tat sich die Landtagsopposition schwer, gegenüber der Exekutive Flagge zu zeigen. Die SPD im Bayerischen Landtag lieferte im Juli des Jahres Schlagzeilen, als ihr Vorsitzender Florian von Brunn nach einem internen Streit durch ein Misstrauensvotum praktisch aus dem Amt gejagt und vom oberfränkischen Handwerksmeister Holger Grießhammer ersetzt wurde. Auch sein Amt als SPD-Landesvorsitzender gab von Brunn auf.Bei den Grünen gewann der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Johannes Becher an Profil, weil sich Fraktionschefin Katharina Schulze wegen der Geburt ihres zweiten Kindes im September zeitweise zurücknehmen musste. Die Wiederinstallierung einer Doppelspitze sei aber nicht geplant, hieß es.

Nach einer Kampfabstimmung musste der bisherige Grünen-Landesvorsitzende Thomas von Sarnowski auf dem Landesparteitag im Januar sein Amt an Gisela Sengl abgeben. Eva Lettenbauer hingegen verteidigte ihren Posten als Co-Vorsitzende.
Wird in Bayern gefoltert?
Ganz skandalfrei blieb auch das landespolitische Jahr 2024 nicht. Im Herbst eskalierten bereits mehrere Jahre alte Folter-Vorwürfe gegen Bedienstete und Leitung der Justizvollzugsanstalt (JVA) Augsburg-Gablingen und brachten Justizminister Georg Eisenreich (CSU) in Bedrängnis. Im August hatten schon Ausbrüche aus der geschlossenen Psychiatrie in Straubing für Aufregung gesorgt.
Dem Würzburger AfD-Landtagsabgeordneten Daniel Halemba wurde eine Anklage wegen Volksverhetzung und der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zugestellt.
Ungeachtet dessen schlug ihn seine Fraktion im November zum Schriftführer des Landtagspräsidiums vor. Alle Parteien außer der AfD verweigerten ihre Zustimmung, woraufhin sich Halemba wegen seiner Bemerkung "Clownsparlament" einen Ordnungsruf einfing. Vor allem wegen der AfD hatte der Landtag im April sein Ordnungsrecht verschärft.
Von politisch oder religiös motivierten Anschlägen blieb Bayern 2024 weitgehend verschont. Ausnahme: Am 5. September lieferte sich ein 18-jähriger Österreicher mit bosnischem Migrationshintergrund in der Nähe des israelischen Konsulats und des NS-Dokumentationszentrums in München einen Schusswechsel mit der Polizei und wurde dabei getötet.