Bundestag statt Landtag? Aiwangers Regierungserklärung wird zur Wutrede
Für einen starken Wirtschaftsstandort" war die Regierungserklärung des bayerischen Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger (Freie Wähler) am Donnerstag im Landtag betitelt. Es wurde eher eine Wutrede frei nach dem Motto "Was die Ampel Bayern angetan hat". Wie üblich ohne Manuskript machte Aiwanger die "Brösel" der Ampel für nahezu alles verantwortlich, was gegenwärtig in der Wirtschaft schief läuft.
Unter "Brösel" verstand Aiwanger vor allem die Grünen und ihren noch amtierenden Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der nicht nur "die Energiepolitik", sondern auch die Elektromobilität "an die Wand" gefahren habe.
Die Wirtschaft der anderen ziehe an der deutschen vorbei
Die Wirtschaft anderer Länder ziehe an der deutschen vorbei, "während wir uns in ideologischen Debatten verlieren", sagte Aiwanger. Bis ein investitionswilliger Unternehmer in Deutschland ein "Haselnussmaus-Gutachten" erstellt habe, stehe in China schon seine Fabrik.
Die grüne Fraktionschefin Katharina Schulze musste lange warten, bis sie dem wortgewaltigen Freie-Wähler-Chef und Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl Aiwanger Paroli geben konnte.
Es sei "an Dreistigkeit nicht zu überbieten", wenn Aiwanger die Ampel-Koalition für die schleppende Energiewende verantwortlich mache, weil er an führender Stelle neue Stromleitungen als "Monstertrassen" verunglimpft habe. Die Bundestagswahl vor Augen habe Aiwanger doch als Wirtschaftsminister des Freistaats arg "unterkomplex" argumentiert.
Lage "alles andere als rosig"
Einig waren sich Minister und Opposition, dass die wirtschaftliche Großwetterlage "alles andere als rosig" (Aiwanger) sei. Die Ursachen dafür wurden jedoch ganz unterschiedlich beschrieben.
Schon seit 2018, also vor dem Antritt der Ampel-Regierung, sei in Deutschland "Stagnation" eingetreten, hervorgerufen durch die ungünstige Demografie, Deglobalisierung und zu wenig Investitionen in Standort und Bildung, sagte Schulze.
Bayern räume auf, aber das reiche nicht
Für Aiwanger führte die "Ideologie" der Ampel Deutschland ins Abseits. Ergebnis sei eine verhängnisvolle Abwarte-Haltung, weil niemand mehr wisse, wohin die Reise gehe: Ob beim Autokauf, beim Heizungsersatz oder betrieblichen Investitionen, "jeder wartet ab". Zu hohe Energiepreise, Steuern und Arbeitskosten sowie Bürokratie drängten Unternehmen ins Ausland. Bayern räume mit Bürokratie auf, "aber das reicht nicht", wetterte Aiwanger.
"Eins-zu-eins-Kopie der AfD-Wirtschaftsprogrammatik"
Von seinen Freien Wählern und dem Koalitionspartner CSU erhielt Aiwanger für seinen emotionsgeladenen Rundumschlag Zuspruch, sogar von der AfD. Deren Abgeordneter Ingo Hahn bescheinigte dem Wirtschaftsminister einerseits "Wahlkampfgetöse", andererseits aber auch eine Eins-zu-eins-Kopie der AfD-Wirtschaftsprogrammatik.
CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek setzte sich für einen "Ruck durch die Gesellschaft" ein. Wirtschaftspolitik müsse das "Herzstück" der Politik sein und finde nicht "am Küchentisch von Herrn Habeck" statt. DGB-Landesvorsitzender Bernhard Stiedl hatte zuvor vom passionierten Jäger und Jagdminister Aiwanger "mehr Politik für die Werkbank, weniger Politik vom Hochsitz" verlangt.
Schulze will Reformierung der Schuldenbremse
Photovoltaik und Windkraft seien für ein Industrieland wie Bayern noch keine ausreichenden Energiequellen, betonte Aiwanger. Erforderlich seien daher grundlastfähige Gaskraftwerke, die später mit Wasserstoff betrieben werden könnten. AfD-Abgeordneter Hahn griff die Vorlage auf. Offenbar habe der Minister "das günstige Erdgas aus Osteuropa wiederentdeckt".
Wie schon Grünen-Fraktionschefin Schulze plädierte auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Holger Grießhammer für eine "Reformierung" der Schuldenbremse. Mit ihrer Forderung nach Bürokratieabbau täten CSU und Freie Wähler so, als seien sie auch in Bayern in der Opposition, bemängelte Grießhammer.