Bierland Bayern: Wie kleine Brauereien leiden
Bayern, einig Brauereienland – so wird das oft betont, beim Politischen Aschermittwoch etwa, oder zur Volks- und Oktoberfestzeit. Dabei lief aber in den vergangenen Jahren vieles alles andere als rosig bei den Brauereien. Und leiden müssen vor allem die kleinen.
So wurde etwa bekannt, dass die Craft-Brauerei Crew Republic ihren Standort in Unterschleißheim aufgeben muss. Maisacher Bräu geriet im Zuge von Corona in finanzielle Schieflage und meldete Insolvenz an. Und immer mal wieder macht ausgerechnet das Reinheitsgebot kleinen Brauereien das Leben schwer.
Vor einigen Jahren musste die am Chiemsee ansässige Brauerei Camba Bavaria mal hektoliterweise Bier wegschütten, da es mit Milchzucker gebraut war, und spielte mit dem Gedanken aus dem Freistaat wegzuziehen. Das Reinheitsgebot schützt das Bier, aber sehr oft schützt es auch eher die Interessen der großen Konzerne. Denn die profitieren am Ende, wenn sich die Kleinen per Gesetz nicht vom "langweiligen" Standard abheben dürfen.

Hat jemand langweilig gesagt? Tatsächlich. Zum Beispiel der Economist, ein internationales Wirtschaftsmagazin, das das Bier hierzulande mal als "pure, cheap and a bit dull" charakterisierte. "Rein, billig und ein bisschen langweilig" also. Wie passt das zur Erzählung vom Bierland Bayern, wo ja nicht einfach gesoffen, sondern uraltes von Mönchen überliefertes Brauchtum gepflegt wird? Und welche Rolle spielen die Krisen der letzten Zeit?
Zunächst einmal zur Corona-Pandemie. "Viele haben schon sehr darunter gelitten, dass einerseits die Gastro zu war und andererseits Volksfeste, Vereinsfeste, Schützenfeste abgesagt wurden", sagt Benedikt Meier vom Verband der Privaten Brauereien Bayern, in dem sich gut 400 mittelständische und inhabergeführte Unternehmen zusammengeschlossen haben, der AZ. Der Absatz beim Fassbier sei eingebrochen und konnte nur ansatzweise durch den Verkauf von Flaschenbier, auch online, kompensiert werden, so Meier.
Dass aber in der Zeit Brauereien aufgeben mussten, hielt sich laut Meier sehr in Grenzen, "vielleicht wenn jemand vorher schon in schwierigem Fahrwasser war". Dazu kam, dass nach dem Ende der Pandemie die Menschen wieder raus und ins Freie drückten. So stieg der Absatz wieder, erreichte jedoch, wie Meier erklärt, nicht wieder das Vor-Corona-Niveau.
Deutsche trinken immer weniger Bier
Allerdings: "Der Bierkonsum geht ja seit Jahrzehnten zurück", sagt Meier. Mitte der 1970er Jahre trank der Deutsche im Schnitt 150 Liter Bier im Jahr. 2021 lag dieser Wert bei knapp 90 Litern, wie der Bayerische Brauerbund mitteilt. Möglicherweise täuscht es also, dass Menschen wegen der Pandemie weniger Bier trinken – möglicherweise hätten sie das auch ohne Corona getan, wie es der langfristige Trend nahelegt.
Während der Bierabsatz sinkt, steigt die Anzahl der Braustätten und Biersorten seit Jahrzehnten moderat an, hat der Deutsche Brauerbund gezählt. Das heißt: Der Markt wird umkämpfter. Für die sogenannten Craft-Biere, die nur knapp ein Prozent des konsumierten Bieres ausmachen, fällt das aber weniger ins Gewicht. Denn sie agieren oft nur in lokal sehr begrenztem Umfeld und sind ohnehin oft auf kreatives unternehmerisches Handeln angewiesen.
Kleine Brauereien kamen gut durch die Corona-Pandemie
Tatsächlich hat das während Corona geholfen, wie Norbert Krines vom Verein der "Deutschen Kreativbrauer" aus Bamberg erklärt. "Corona haben die meisten kleinen Brauereien noch gut wegstecken können", sagt er. Denn die seien oft digitalaffiner, hätten früh auf Onlineshops gesetzt oder online ohnehin schon eine Fangemeinde gepflegt. Was durch Corona weggebrochen sei, Bierfeste und Gastro eben, "hat man besser ausgleichen können als die Großen".
Eine derjenigen Brauereien, denen das gelungen ist, ist die Munich Brew Mafia. "Natürlich war es nicht immer ganz leicht", sagt Geschäftsführer Dario Stieren im Gespräch mit der AZ. "Aber eigentlich war Corona für uns fast ein Zugewinn." Die Brew Mafia sitzt in München, unterhält aber im schwäbischen Buchloe eine kleine Brauerei, wo etwa das sogenannte "Kriminelle Helle" gebraut wird.

Natürlich, vor allem die für das Craft-Beer so wichtige Szene habe gelitten. "Früher stand man jedes Wochenende auf Festivals oder Bierfesten", sagt Stieren, das habe sich nun verändert. Die einst größte Biermesse, die "Braukunst Live", findet bis auf Weiteres nicht statt. Die "Lange Nacht der Brauereien" versucht im Juli immerhin einen neuen Anlauf. Dazu kommen die vielen kleinen Volks- und Vereinsfeste, die pausieren und möglicherweise nie zurückkommen. "Das ist natürlich auch Umsatz für die kleinen Brauereien, der dann verschwunden ist", sagt Stieren.
Aber der Vorteil war oft: Gerade weil man nicht so stark in den konventionellen Verkauf eingebunden ist, also etwa Wirtshäuser oder Festzelte beliefert, brach bei den Kleinen durch die Corona-Lockdowns auch nicht so viel Geschäft weg.
Events und Seminare: Bier allein reicht bei den kleinen Brauereien nicht
Der eigene Getränkemarkt, die Bierothek im Gärtnerplatzviertel, durfte geöffnet bleiben, erzählt Stieren. "Da haben wir dann Fassbier im Pappbecher to go verkauft", sagt er. Ähnlich ging man bei Haderner Bräu vor, wo Bier in Karaffen abgefüllt wurde und man so zu Hause frisch gezapftes Bier trinken konnte. "Das hat sich so etabliert, dass wir das bis heute freitags nachmittags in unserem Hofladen anbieten", schreibt Marta Girg von der Brauerei an die AZ.
Überhaupt wurden viele Ideen aus der Coronazeit auch nach Ende der Pandemie beibehalten. Die Brew Mafia bot Bier-Probierpakete an und ein Online-Bierfestival, bei denen das bestellte Paket dann unter Anleitung verkostet werden konnte. Heute finden jede Woche in der Bierothek Seminare, Verkostungen und Events für Firmen statt. Firmen können sich sogar Bier mit eigenem Logo abfüllen lassen. Bei Haderner eröffnete man laut Girg einen Hofladen und ein kleine Brauhaus, auch Hoffeste sind Bestandteil des Programms. Wiederum andere bieten Kalender oder Kräuterseminare an. "Man muss als Kleiner findig sein", sagt Stieren, "muss sich immer was Neues ausdenken, sonst springen einem die Kunden weg".

Während Corona also verhältnismäßig gut zu überstehen war, stand die große Herausforderung erst noch bevor. "Dann kam ja schon die nächste Krise", sagt Benedikt Meier vom Verband der Privaten Brauereien. Nämlich: als im Zuge des Kriegs in der Ukraine die Preise für Energie und Rohstoffe kräftig anzogen. Malz und Hopfen wurden teurer, beim Transport, den Glasflaschen, Etiketten und vielen anderen Bereichen gab es Preissteigerungen. "Corona war nicht leicht, aber das ging wirklich an die Substanz", sagt Meier.
Und die Preissteigerungen könne man nicht einfach an die Biertrinker weitergeben. "Natürlich wird alles teurer", sagt Meier. Aber kein Kunde sei bereit, einen beliebig hohen Betrag zu zahlen, gerade wenn stark auf den Geldbeutel geachtet werde. "Da müssen die Brauereien genau abwägen, um wie viel teurer man sein Bier verkaufen kann."
Doch die Stärke eines Ökosystems bemisst sich nach seiner Artenvielfalt. Darum ist Meier ist zuversichtlich, dass die Kleinen bestehen können. "Wir haben in Bayern eine unvergleichliche Bierkultur, getragen vor allem durch die kleinen Brauereien." In jeder Region gebe es ein paar kleine Verfechter der Biervielfalt, wie er sagt. Er hofft, dass Biertrinkerinnen und –trinker nicht nur zum Beispiel auf Rabattaktionen im Supermarkt reagieren, sondern sich eben auf die Regionalität besinnen.
Wissen über experimentelle Biersorten fehlt
Gerade die Kleinen verfügten über die stärkste Kundenbindung, ist sich auch Norbert Krines von den Kreativbrauern sicher. Gerade im experimentellen Bereich: "Man muss sein Bier auch viel mehr erklären", vor allem, wenn es sich um in Bayern unbekanntere Sorten handelt, etwa Milk Stout oder Sauerbier, was eben nicht defizitäres Bier ist, sondern nach ganz eigenen Regeln gebraut. "So kennt man seinen Brauer", sagt er. "Und wenn‘s dem mal nicht so gut geht, kauft man halt zwei, drei Kisten mehr."
Für Maisacher Bräu könnte diese Rechnung aufgehen: Der Insolvenzverwalter gab bekannt, den Betrieb erst einmal weiterführen zu wollen und Investoren zu finden. Der Auszug von Crew Republic dagegen steht fest – ob ein Nachmieter in der Produktionsstätte gefunden wurde, vielleicht eine neue kleine Brauerei? Eine AZ-Anfrage dazu hat Crew Republic unbeantwortet gelassen. Es bleibt spannend im einig Brauereienland.