Wie bayerische Zoos auf Nachhaltigkeit umrüsten: Wenn Giraffen streiken

Klima- und Artenschutz gehen miteinander einher, sagen Zoodirektoren. Wie bayerische Tierparks deshalb künftig Energie sparen – und den Ausstoß von CO2 vermeiden wollen.
Leonie Fuchs |
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Auf Wetterschutzlamellen als Wärmedämmung reagieren Giraffen eher skeptisch.
Auf Wetterschutzlamellen als Wärmedämmung reagieren Giraffen eher skeptisch. © Tiergarten Nürnberg/ Mathias Orgeldinger

München - Giraffen verhalten sich sehr konservativ, erzählt Nürnbergs Tiergartendirektor Dag Encke der AZ. Jede Veränderung mache sie misstrauisch. So musste der Zoo die Langhälse nun über Monate an neue Wetterschutzlamellen gewöhnen. Diese wurden nach und nach an die Türe zwischen Innen- und Außengehege gehängt, damit nicht mehr so viel Wärme entweichen kann, wenn die Tiere ins Freie treten.

Denn der Tiergarten rüstet um. Um das Gelände in Sachen Nachhaltigkeit und Klimaschutz voranzubringen, werden Änderungen vorgenommen. Ebenso in anderen bayerischen Zoos – womit die Tiere nicht immer einverstanden sind.

Nürnberger Tiergarten will bis CO2-neutral sein

"Klimaschutz und Artenschutz gehen miteinander einher", sagt Encke. Deshalb soll der Nürnberger Tiergarten bis 2030 CO2-neutral und der Energieverbrauch drastisch reduziert werden. Kein leichtes Ziel. Doch wurde das Wüstenhaus bereits umgebaut, was eine Einsparung von 97 Prozent Kohlenstoffdioxid gebracht hat, rechnet der Direktor vor.

Neben dieser energetischen Sanierung kommen Projekte hinzu, wie die Nutzung von Holz zur Wärmeerzeugung, der Ausbau von Photovoltaikanlagen und die Umstellung des Fuhrparks auf E-Mobilität. Zudem wird nachhaltige Waldwirtschaft betrieben und eine Bio-Landwirtschaft, bei der Tiermist wiederverwertet wird.

An Wärme gespart werde jedoch nur dort, wo es für die tierischen Bewohner vertretbar sei. Die Manatis etwa seien auf höhere Temperaturen angewiesen. Erprobt wurden letzten Winter zudem neue tierische Freundschaften, als eine Gasmangellage herrschte. "Unsere Nashörner und die asiatischen Pustelschweine teilen sich jetzt einen Warmbereich."

Tierpark Hellabrunn: Schrittweise werden die Unterkünfte der Tiere angepasst

Auch im Münchner Tierpark Hellabrunn werde genau auf die Temperatur geachtet, erzählt die Leiterin der Technischen Abteilung, Christine Gerner, der AZ. Die baulichen Voraussetzungen der Tierunterkünfte werden dort schrittweise so angepasst, dass unterschiedliche Klimazonen geschaffen werden.

Die Pythons beispielsweise seien im Dschungelzelt in einem eigenen, im Gebäude integrierten Terrarium bei 26 Grad untergebracht, während die Fischkatzen im selben Zelt bei circa 20 Grad umherspazieren. Dies spare Energie, sagt Gerner, was in den Tropenhäusern, die "unglaublich energieintensive Gebäude sind", wichtig sei. Die Dschungelwelt etwa benötige circa 2.100.000 Kilowatt jährlich. Durch die Sanierung erhoffe man sich, dort ein Viertel Energie einsparen zu können.

"Zwei Löwen, die aus einem anderen Zoo zu uns kamen, war es zu warm"

Auch im Zoo Augsburg wird in manchen Ställen an der Temperatur geschraubt, um Energie zu sparen, wie Kurator Thomas Lipp erzählt. Dafür wurden für manche Gehege, etwa bei den Wasserschweinen oder Raubkatzen, Minimum-Maximum-Thermometer angeschafft, die messen, wie kalt oder warm es über den Tag verteilt wird. So können die perfekten Wärmebedingungen für die Tiere ermittelt werden.

Manchmal würden Tiere in zoologischen Einrichtungen generell in zu warmen Umgebungen gehalten. "Zwei Löwen, die aus einem anderen Zoo zu uns kamen, war es zum Beispiel lange zu warm. Bei uns haben die beiden erstmal ihr ganzes Fell abgeworfen", erzählt Lipp.

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Auch Lamellenvorhänge wie in Nürnberg sind installiert worden – zur Freude der Elefanten. "Sie haben mit ihnen gespielt und sie auseinandergenommen." Auch Gerner kennt dieses Problem: "Bei den Löwen haben die Lamellen zwei Wochen gehalten: Erst haben die Tiere sich nicht mehr rausgetraut, dann haben sie die Vorhänge einfach zerfetzt", sagt sie und lacht. Eine stabilere Version halte nun.

Um Hellabrunn nachhaltig fit für die Zukunft zu machen, wird mit der Zeit umgestaltet: Es wird mit Wärmerückgewinnungs- und Photovoltaikanlagen, Solarthermie sowie Ökostrom gearbeitet. Bald soll Geothermie von den Stadtwerken bezogen werden. Auch der Zoo Augsburg installiert derzeit Photovoltaik und verwendet außerdem eine Biomasseheizung.

Durch das Hellabrunn-Gelände fließt zudem der Auer Mühlbach, sodass der Tierpark die Ressource Wasser nutzen kann. "Wir haben viel Brunnenwasser, welches wir nach Verwendung für Tränken, Bachläufe, Reinigung et cetera wieder ins Grundwasser einspeisen können." Für Regenwasser werden Rückhaltebecken in Form von Teichen und Sumpfzonen gebaut. Das wiederum gefällt den Tieren, etwa den Störchen.

Das Problem mit den Lamellen-Vorhängen kennen alle

Aquaponik-Anlage im Hofer Zoo. Hier profitieren Pflanzen und Tiere von einander.
Aquaponik-Anlage im Hofer Zoo. Hier profitieren Pflanzen und Tiere von einander. © Zoo Hof

Wasser nutzt auch der Zoologische Garten Hof für sich. Dieser setzt auf Aquaponik, eine Kombination aus Fisch- und Pflanzenzucht – ohne den Einsatz von Erde. Das System ist in sich geschlossen, wie Zoodirektor David Pruß berichtet: "Die Fische im Aquarium düngen durch ihre Ausscheidungen die ans Becken vernetzten Nutzpflanzen. Diese reinigen das Wasser." Gespart werden so Kosten für Dünger, Energie und Wasser.

Affen, die frei in dem Haus herumlaufen, würden ebenso von den angebauten Blattpflanzen profitieren und diese selbst ernten. Auch frisches Grün, wie Minze und Salbei, werde dort kultiviert, was hingegen andere Zootiere, wie die Buschschliefer mögen, so Pruß. Durch die Produktion von Futtermittel vor Ort werde zudem weniger CO2 ausgestoßen.

Daneben wird auf Photovoltaik gesetzt. Auch das Problem mit den Lamellen kennt Pruß gut. "In unserem Bauernhofstallgebäude, wo unter anderem Esel, Ponys, Farbmäuse und Alpakas leben, weigern sich die Alpakas bis heute, durch die Vorhänge zu laufen." Sie seien keine großen Freunde dieser Wärmeschutzmaßnahme.

Doch das Wichtigste trotz aller Maßnahmen - da sind sich alle Zoos einig - sei das Tierwohl. Und so werden die Wärter den sturen Alpakas und Giraffen, wenn nötig, wohl auch weiterhin die Türen aufhalten.

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