Von Stillstand und Spielgeld: Landtag debattiert über Berliner Milliarden
München - Die größte Aufmerksamkeit galt in der Aktuellen Stunde des Bayerischen Landtags am Dienstag dem Haushaltsexperten der Freien Wähler (FW), Bernhard Pohl. Von ihm erwartete man Auskunft, wie die FW als Teil der bayerischen Regierungskoalition zu dem in Berlin verhandelten Milliarden-Sondervermögen stehen.
Denn im Falle der Uneinigkeit in der Bayern-Koalition müsste sich der Freistaat im Bundesrat enthalten und der 900-Milliarden-Plan wäre wahrscheinlich gescheitert.
Die Tür zur Verfassungsänderung?
Pohl machte es spannend. "Es ist richtig, für die Landes- und Bündnisverteidigung die Schuldenbremse zu öffnen", billigte er einen Teil des Vorhabens. Hinter das 500-Milliarden-Investitionspaket "für Dinge, die eigentlich bekannt waren", setzte der FW-Haushaltsexperte aber ein dickes Fragezeichen und machte ein neues Fass auf: Wenn man schon die "Tür zur Verfassungsänderung" öffne, dann müsse man auch die Frage des Länderfinanzausgleichs "mit verhandeln".
Diesen Mittwoch wird die FW-Landtagsfraktion zusammentreten, um zu beraten, welche Position man innerhalb der Landeskoalition zur Grundgesetzänderung einnehmen will. Der Ausgang sei "offen", so ein Insider. In den vergangenen Tagen zeigten sich die FW eher unwirsch, weil Regierungschef Markus Söder (CSU) zuletzt noch auf dem Politischen Aschermittwoch auf sie eingedroschen hatte.
Mehr aber noch, weil der große Koalitionspartner bis zum Dienstag noch gar keinen Kontakt aufgenommen habe, obwohl Söder im Fernsehen von "Gesprächen" berichtet hatte.
"Kleinliches Hin und Her"
Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) vernahm das Signal aus den Reihen der Koalitionspartner durchaus: "Ja, es stimmt, wir müssen uns auch mit der Frage beschäftigen", sagte Füracker in der Aktuellen Stunde zum Ärgernis Landesfinanzausgleich, stellte sich aber auch hinter die in Berlin erreichten Konsolidierungsergebnisse.
Man müsse "mit dem kleinlichen Hin und Her" aufhören. Es müsse jetzt alles getan werden, "dass das Land wieder funktioniert". "Kein Mensch", behauptete Füracker, sei für die Abschaffung der Schuldenbremse, "am wenigsten ich".
Der Vizefraktionsvorsitzende der Grünen, Johannes Becher, mischte in die Debatte noch einen zusätzlichen Schuss Dramatik. Die Haltung Bayerns zu den beabsichtigten Grundgesetzänderungen im Bundesrat sei "völlig offen", folgerte er aus den Äußerungen von FW-Haushaltspolitikers Pohl.
Ministerpräsident Söder habe seine Koalition nicht im Griff. Das Ganze könne in einen "Koalitionsbruch in Bayern" münden, wenn eine Mehrheit für das Milliardenpaket im Bundesrat ausgerechnet an der Enthaltung Bayerns aufgrund des Widerstands der FW scheitern würde.
"Was unser Land braucht: Strukturen für die Zukunft statt Selbstbedienungsladen", war die von den Grünen beantragte Aktuelle Stunde des Landesparlaments betitelt und damit auch gleich die Stoßrichtung vorgegeben.
Schulze schimpft über "Spielgeld"
Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze machte klar, dass für ihre Partei das 500-Milliarden-Infrastruktur-Sondervermögen, auf das sich die Sondierer von Union und SPD in Berlin verständigt haben, nicht zustimmungsfähig ist. Das Vorhaben atme "die Last des Stillstands", schimpfte Schulze. Es solle viel "Spielgeld für Einzelinteressen" zur Verfügung gestellt werden.
Die Union sei "keine Wirtschaftspartei mehr, sonst hätte sie andere Dinge hineinverhandelt", beanstandete die Grünen-Fraktionsvorsitzende: "So funktioniert es nicht."
Unter anderem dem SPD-Haushaltsexperten Volkmar Halbleib blieb es überlassen, die grüne Wut zu besänftigen. Genau dieses Finanzierungspaket habe Noch-Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) doch gefordert, so der SPD-Politiker. Wenn die Grünen jetzt dagegen opponierten, "kann ich mich nur wundern".
CSU-Haushaltssprecher Josef Zellmeier versuchte darzulegen, warum die jetzt beabsichtigte Lockerung der Schuldenbremse nicht als "Wählertäuschung" gewertet werden könne. Der CDU-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Friedrich Merz habe auch schon vor der Wahl mehrfach eine Lockerung der Schuldenbremse ausdrücklich nicht ausgeschlossen.
Dass die wirtschaftliche Lage angespannt sei, habe man der Ampel-Regierung zu verdanken, sagte Zellmeier zu den Grünen gewandt: "Wir müssen das jetzt auslöffeln, was Sie angerichtet haben. Wir tun es aber gern."