Panoramastraße im Berchtesgadener Land: Polizei gegen Tuning-Szene
Die Unfallserien auf der Roßfeld-Panoramastraße hat nicht nur im Netz eine Diskussion ausgelöst. "Selbstüberschätzung, rücksichtsloses Fahren und Driften", sagt Stefan Scharf, Erster Polizeihauptkommissar der Polizeiinspektion Berchtesgaden, über die unfallträchtigen Tage, bei der sich Pkw- und Motorradfahrer schwer verletzten.
Die Strecke, auf der auch immer wieder offizielle Wettbewerbe mit Oldtimer-Schmuckstücken für Aufmerksamkeit sorgen, steht wie noch nie im Fokus der deutschen und österreichischen Tuning- und Poser-Szene.
Powermaschinen waren haufenweise unterwegs
Als im vergangenen Sommer eine Großkontrolle am Roßfeld stattfand, wurde das Ausmaß deutlich: Kaum einer der Dutzenden Kontrollierten wurde nicht beanstandet. Zu schnell, nicht erlaubt, fehlende Fahrzeugpapiere.
Die Motorradkontrolle zeigte nur einen Minimalausschnitt des tatsächlichen Alltags: Getunte Powermaschinen mit Sonderausstattungen ohne Zulassung waren an diesem Tag haufenweise unterwegs.
Im vergangenen Jahr hatte es einen Unfall gegeben, der für Furore sorgte. Ein Drifter kam dabei ums Leben, zwei Kinder wurden schwer verletzt. Seitdem hat es am Roßfeld etliche weitere Unfälle gegeben.
Die Panorama-Straße ist "einfach geil"
Berchtesgadens Polizeichef weiß, dass Selbstüberschätzung und vermeidbare Drift-Aktionen zwei der Gründe für teils schwere Unfälle auf der kurvenreichen Strecke sind. "Wir kontrollieren dort immer wieder", sagt er. Die Problematik bei Passstrecken sei, dass das eigene Fahrverhalten dort gerne überschätzt wird.
"Die Poser-Szene will sich hier oben mit ihrem vermeintlichen Fahrkönnen austoben", sagt Stefan Scharf. Ihm liegen mehrere aktuelle Videos vor. Actionreiche Szenen, die mit Handys und Dashcam aufgenommen wurde. Auch Zeugen im Umfeld der kürzlich erfolgten Unfälle haben Videos bei der Polizei eingereicht.
Die Panoramastraße gilt als nachhaltiger Schwerpunkt in der Tuning-Szene. "Einfach geil", schreibt ein Instagram-Nutzer, der bereits im vergangenen Jahr ein Foto mit qualmenden Reifen vor der Bergkulisse veröffentlicht hatte.
Aufgrund der starken Nutzung der Roßfeld-Panoramastraße hatte das Landratsamt Berchtesgadener Land vor einigen Jahren sogar eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 Stundenkilometer angeordnet – "zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und aus Gründen des Lärmschutzes für die Anwohner", heißt es auf Anfrage bei der Behörde.
"Die sind alle so gut untereinander vernetzt"
Von einfachen Radarfallen lässt sich die Poser-Szene erfahrungsgemäß nicht abhalten, das weiß auch der Polizeichef. "Die sind alle so gut untereinander vernetzt." Wird ein Blitzer aufgestellt, spricht sich das in Windeseile in Tuner-Kreisen herum. "Wenn wir weg sind, geht es weiter." Was aber helfen würde, wären Verkehrsberuhigungsschwellen, etwa in Kurven. Andernorts gibt es diese bereits, auf dem Roßfeld jedoch noch nicht.
Allerdings: Tiefergelegte Boliden hätten dann Probleme, auf der Bergstraße zu fahren. Die Erhöhungen zwingen Fahrzeuge, langsamer zu fahren, um Komforteinbußen oder gar Schäden am Fahrzeug zu vermeiden. Auf dem Roßfeld habe man sich bislang noch nicht dafür entschieden, solche Temporeduzierer zu installieren, heißt es bei der Polizei diplomatisch.
Die Entscheidung darüber fällt anderswo: "Das müssen die Spezialisten entscheiden", sagt Stefan Scharf. Der Erste Polizeihauptkommissar fügt aber hinzu, dass Tempoüberschreitungen oft nicht das eigentliche und ursächliche Problem für die Unfallträchtigkeit darstellten. Vielmehr seien es überschätztes Fahrkönnen, unterschätzte Kurvenradien und Witterungseinflüsse. "Die meisten Unfälle passieren nun mal in den Kurven", sagt der Beamte.
Eine der schönsten Ausflugsstraßen
Abseits der Verkehrsrowdys gilt die Roßfeld-Panormastraße für viele aber einfach nur als eine der schönsten Ausflugsstraßen Deutschlands. Auf knapp 17 Kilometern wird die Aussicht der umliegenden Bergwelt genossen. Die sogenannte Bundesprivatstraße finanziert sich über Gebühren. Wer hier fährt, muss also ins Portemonnaie greifen.
Das Staatliche Bauamt Traunstein hat für die Straße eine eigene Webseite ins Leben gerufen, die Besuchern Einblicke über die Besonderheiten der Höhenringstraße geben soll, deren höchste Stelle auf mehr als 1500 Metern liegt.
Hier wirbt das Staatliche Bauamt unter anderem auch für die nostalgischen Bergrennen von einst – bei gesperrter Strecke und maximal möglichem Organisationsaufwand. Gibt das für die Raserszene Anlass zur Nachahmung? Konkret dazu äußern will sich der Polizeichef nicht.
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