Bayern hat 4,6 Milliarden Familiengeld verteilt: Warum Kinder leider wenig davon haben
250 Euro pro Monat, für jedes Kind, über zwei Jahre. Ab dem dritten Kind sind es sogar 300 Euro im Monat. Wo gibt’s denn sowas? In Bayern gibt’s sowas. Hier kümmert man sich noch um seine Kinder, so zumindest die glorreiche Botschaft. Und das seit 2018: so lange wird das Familiengeld im Freistaat bereits gezahlt. Insgesamt sind seit dem Start vor 6 Jahren schon 4,6 Milliarden Euro ausgezahlt worden. Was für eine Summe. Und wenn es den Kindern gut geht, dann freut sich auch Landesvater Markus Söder. Das Beweisfoto gab es gleich auf Instagram, inklusive Familienministerin und dem Motiv "Glückliche Familie mit großem Scheck".
Man merkt es dem Autoren an, so ganz mag er die Freude nicht teilen. Dabei hat er auch von dem Familiengeld profitiert. Geld haben oder nicht haben, da ist man doch oft erst einmal bei "haben". Und: Man kann sich wirklich schlecht gegen das "Geschenk" zur Wehr setzen. Ist das Kind da, bezieht man Elterngeld, kommt das Familiengeld automatisch – egal, ob es in die Krippe geht oder in der Familie betreut wird. Dann fließt der "Bayernzuschuss" vom 13. bis zum 36. Lebensmonat, unabhängig vom Einkommen der Eltern. Der unbürokratische Automatismus ist ohne Zweifel gut gelöst.
Prinzip Gießkanne ist nicht gerecht
Aber: Was auf den ersten Blick gerecht scheint – jeder bekommt die gleiche Unterstützung – ist auf den zweiten das genaue Gegenteil. Warum? Beim Prinzip Gießkanne laufen einige gut gefüllte Eimer ganz leicht über, während andere fast auf dem Trockenen sitzen. Das ist schon beim Kindergeld ein großer Trugschluss und ändert sich nicht beim Familiengeld. Was ist mit den Familien und Kindern, die wirklich auf Hilfe angewiesen sind? Was ist mit echter Integration, ausgeweiteten Deutschkursen? Was ist mit der breiten Masse der normal Arbeitenden, die auch im nächsten Jahr nicht weiß, ob sie für ihre Kinder einen Krippen-, Kita- oder Hortplatz in Bayern bekommen? Und das alles, weil die Einrichtungen alle an derselben Krankheit leiden: Personalmangel.
Im Juli 2023 war das übrigens auch Markus Söder ein Anliegen. Wie man beim BR nachlesen kann, war der sorgende Landesvater da noch der Überzeugung, dass das Familiengeld sich zukünftig "mehr am Einkommen orientieren" solle. Es gebe Menschen mit einem "Wahnsinnseinkommen, die brauchen das nicht, die sagen: Steckt das Geld lieber in den Kita-Ausbau". Daraus wurde allerdings nichts. Im Oktober 2023 kam ein bayerisches Großereignis in die Quere. Nein, nicht die Wiesn: die Landtagswahl. Und nach der war plötzlich keine Rede mehr von "Wahnsinnseinkommen" und "Kita-Ausbau".
Infos zum Familiengeld
Das Familiengeld hat bereits eine weite Reise hinter sich. Auf die Welt gekommen ist es als sogenannte "Herdprämie", also als das Betreuungsgeld, das 2013 im Bund eingeführt wurde - vor allem auf Drängen von CSU-Chef Horst Seehofer. Das Geld sollte ein Gegenmodell zum neu geschaffenen gesetzlichen Krippenplatz-Anspruch sein. Denn es wurde nur an Eltern gezahlt, die ihre Kinder nicht in eine Einrichtung geben. 2015 wurde das Gesetz bereits vom Bundesverfassungsgericht kassiert, weil der Bund es gar nicht hätte einführen dürfen, sondern nur die Länder. Kaum gestrichen, hatte Horst Seehofer es als Landesgesetz 2016 mit nach Bayern gebracht. 2018 wurde es unter Söder als Familiengeld für alle Kinder eingeführt, egal ob zu Hause betreut oder in einer Einrichtung - und unabhängig vom Einkommen der Eltern.
Bis zu 70.000 Kitaplätze fehlen in Bayern, Personal überlastet
An dem Tag, an dem Markus Söder stolz seine Ergebnisse präsentierte, gab es übrigens auch ganz andere Zahlen zu sehen. Das Institut der deutschen Wirtschaft aus Köln zeigte, wie viele Krippenplätze für Kleinkinder in Deutschland fehlen. Insgesamt sind es über 300.000. In Bayern sind mehr als 10 Prozent aller Kinder unter drei Jahren betroffen, das ist eine Lücke von 41.000 Krippenplätzen. Die Bertelsmann Stiftung kam im November 2023 sogar auf 70.000 fehlende Plätze für unter Dreijährige allein im Freistaat. Und nicht weniger schlecht: Wegen des anhaltenden Personalmangels werden 60 Prozent des Nachwuchses nicht kindgerecht betreut. Nicht nur Eltern hängen in Bayern am letzten Nervenfaden, auch Einrichtungen, Erzieherinnen und vor allem die Kinder. Was könnte da helfen? Vielleicht ein großer Schwall aus der Familiengeld-Gießkanne.
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