Zoff um skurrile Peta-Forderung – Schausteller in Bayern sind empört: "Wir weigern uns"
München – Volksfeste in Bayern ziehen jedes Jahr Millionen von Besuchern an. Es fließen unzählige Liter Bier, es riecht nach gebratenem Hendl und auch bei den vielen Fahrgeschäften vergnügen sich die Feierlustigen. Doch genau dort soll es eine Veränderung geben, die Schausteller im Freistaat auf 180 bringt. Die Tierrechtsorganisation Peta fordert dazu auf, unter anderem bei Karussellen freiwillig auf Figuren und Motive mit Tieren zu verzichten.
Zuerst hatte sich der US-Ableger der Organisation dafür ausgesprochen und dem größten Hersteller von Fahrgeschäften in Nordamerika einen Brief geschickt. Darin pochen die Tierschützer auf einen Produktions- und Verkaufsstopp von Karussellen mit Tierfiguren. Dadurch wolle man Kindern beibringen, Respekt und Mitgefühl vor allen fühlenden Wesen zu haben. Das könne dazu beitragen, eine "gerechtere und barmherzigere Welt" zu schaffen, heißt es in dem Schreiben.
Keine Tiermotive bei Fahrgeschäften: Peta Deutschland schließt sich Forderung aus den USA an
Mittlerweile schließt sich auch Peta Deutschland der Forderung an. "Auch, wenn es keine lebenden Tiere sind, sondern Karussellfiguren, trägt das zur Vorstellung bei, dass Tiere zur menschlichen Unterhaltung da sind", sagt Yvonne Würz, Peta-Fachreferentin Zoo und Zirkus, zur AZ. "Das verfestigt das Bild, dass es okay sei, auf Tieren zu reiten – und das schon von klein auf. Da kann man eine Bewusstseinsveränderung bei Kindern herbeiführen, wenn man hier sensibilisiert."
Laut Würz ist der sogenannte "Speziesismus", also die Diskriminierung von Tieren und der Glaube, dass der Mensch mehr wert sei, noch tief in der Gesellschaft verankert. In Ägypten und Thailand gehöre das Reiten von Kamelen und Elefanten noch zum Alltag. Auch bei den Rosenmontagsumzügen in Deutschland ziehen Menschen auf Pferden durch die Städte.
"Keine Erkenntnisse": Naturschutzorganisation WWF schließt sich nicht an
Durch den Verzicht auf Tierfiguren bei Vergnügungsattraktionen will Peta erreichen, "dass die Menschen das nicht mehr als selbstverständlich sehen". Auch Abbildungen – unter anderem von "glücklichen Delfinen" – wecken laut Würz falsche Assoziationen. Unternehmen, die solche Motive verwenden, sollten sich weiterbilden, um damit dem "Zeitgeist" gerecht zu werden.
Diese Forderung erhitzt die Gemüter. Selbst Tierschützer bewerten das unterschiedlich. Die Naturschutzorganisation WWF schreibt auf Anfrage der AZ: "Dem WWF liegen keine Erkenntnisse vor, welche Effekte Fahrgeschäfte auf Kinder und Jugendliche haben." Deswegen könne man in dieser Debatte auch nichts beitragen. "Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass Menschen Karussellfiguren von echten Tieren unterscheiden können."
"Berufsstandsvernichtende Forderung": Schausteller wenden sich an Bayerns Politiker und an Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter
Bei den Schaustellern in Bayern hat der Peta-Appell das Fass offenbar zum Überlaufen gebracht. Der Bayerische Landesverband der Marktleute und Schausteller (BLV) hat sogar einen der AZ vorliegenden Brief an alle Fraktionen im Bayerischen Landtag und Münchner Stadtrat geschickt. "Die unglaubliche berufsstandsvernichtende Forderung der Peta" ist der Titel des Schreibens.
Darin fordert der Verband die Politiker - darunter auch Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) - auf, sich hinter die Schausteller zu stellen. "Die absurde Forderung der Peta des Verbotes von Tierfiguren auf Karussellen erschüttert die Grundsätze unserer jahrhundertelangen Tradition und muss daher als völlig inakzeptabel abgelehnt werden", heißt es im Brief. Sie sei ein "Paradebeispiel für eine entgleiste Tierliebe, die den Bezug zur Realität verloren hat".
Verband wirft Tierschützern von Peta "sinnlose Zensur" vor
Seit Generationen würden Karusselle Kindern eine Freude bereiten und Erwachsene nostalgische Erinnerungen schenken. Beides solle jetzt dem "Wahnsinn einer überzogenen politischen Korrektheit zum Opfer fallen", schreibt der BLV. Es sei ein Trugschluss, dass die Darstellung von Tieren deren Missbrauch und Ausbeutung befürworte.
Vielmehr seien sie Ausdruck einer kindlichen Faszination. Außerdem hätten die Figuren und Motive in der Kunst eine lange Tradition und seien wichtiger Bestandteil der Kultur. Gegen "Tierliebe" hat der Verein überhaupt nichts einzuwenden. Sie finde allerdings in der "Fürsorge für lebende Tiere ihren Ausdruck, nicht in der sinnlosen Zensur von Kinderspielen".
Holzpferde sollen durch Flugzeuge, Raumschiffe und Autos ersetzt werden
Überrascht von dem Peta-Vorschlag ist auch Albert Ritter, Präsident des Deutschen Schaustellerbundes. "Ich habe erstmal auf den Kalender geguckt, ob wir den 1. April haben", sagt der 70-Jährige zur AZ. "Das ist schräg und eine Nachricht aus Absurdistan." Nur weil Kinder auf einem Holzpferd sitzen, verhalten sie sich später nicht schlecht zu lebendigen Tieren, meint der Chef der Interessenvertretung. "Es ist aus der Luft gegriffen." Das zeige sich schon daran, dass Kinder die Holzpferde auf dem Karussell sogar streicheln.
Für den Unmut der Schausteller in Bayern hat Ritter Verständnis: "Was soll denn ein kleiner oberbayerischer Schausteller machen, der ein Karussell mit Holzpferden hat? Das kommt einem Berufsverbot gleich." Skurril ist für ihn der vermeintliche Lösungsvorschlag der Tierschützer. Demzufolge sollen die Holzpferde unter anderem durch Flugzeuge, Fahrzeuge und Raumschiffe ersetzt werden. "Da fragt man sich, ob die von der Autoindustrie gesponsert werden", meint der Vereinspräsident.
Umsetzen will Ritter die Forderung nicht: "Wir tauschen nichts aus. Wir weigern uns." Wenn die Volksfestsaison bald wieder startet, dürfte also alles beim Alten bleiben.