"Lage ist angespannt": Immer mehr Menschen geben ihre Haustiere im Tierheim München ab
München - Der Deutsche Tierschutzbund schlägt Alarm: Die Tierheime in Deutschland kommen an ihre Kapazitätsgrenzen. Der Präsident des Verbandes, Thomas Schröder, sagte dem RND: "Die Lage der Tierheime ist so dramatisch wie nie zuvor". Laut einer RND-Umfrage schätzten drei von vier Einrichtungen ihre Auslastung mindestens als hoch ein. Schröder spricht außerdem von einem Investitionsstau von etwa 160 Millionen Euro. Insgesamt bestünde ein Bedarf von 200 Millionen Euro. Auch das Tierheim in München sind von den Problemen betroffen.
Münchner Tierschutzbund: "Die Lage in Münchner Tierheimen ist angespannt"
Kristina Berchtold, Pressesprecherin des Münchner Tierschutzbundes, beschreibt die Lage der Tierheime in München als "angespannt". Immer mehr Menschen würden ihre Haustiere aus Überforderung abgeben, sagt Berchtold der AZ. Das liege daran, dass "man sich vor der Tieranschaffung nicht ausreichend über Haltungsanforderungen, Charaktereigenschaften und Bedürfnisse der Tiere informiert hat." Als Reaktion darauf mussten in München bereits Wartelisten eingeführt werden. Berchtold: "Menschen, die ihre Tiere abgeben möchten, müssen teils mehrere Wochen warten, bis ein Platz frei wird." Zudem müsste nach Dringlichkeit priorisiert werden, und bei Möglichkeit auch abgelehnt werden.
Tiere per Mausklick bestellen?
Der Deutsche Tierschutzbund forderte im RND aufgrund der Lage in den Tierheimen ein Verbot des Onlinehandels mit Tieren. In München hält man die Forderungen des Dachverbandes für sinnvoll. Kristina Berchtold differenziert jedoch zwischen den Begrifflichkeiten. Sie spricht sich für die Möglichkeit der "Kontaktaufnahme online für seriöse Beratung und persönliches Kennenlernen" aus. Jedoch gibt es auch von ihr für die "Bestellung auf Mausklick mit Direkt-Lieferung oder Abholung an einem öffentlichen Platz ohne vorheriges Kennenlernen, Beratung, Nachbetreuung etc." ein "klares Nein".
Auch die Forderung nach einer Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht unterstütze der Münchner Tierschutzbund "auf ganzer Linie", so Berchtold. "Für Freigängerkatzen sollte zudem eine Kastrationspflicht eingeführt werden, um der Entstehung und dem Anwachsen von Straßenkatzen-Populationen entgegenzuwirken", fordert die Pressesprecherin in der AZ.
Münchner Tierschutzbund kritisiert Regierung: "Es kann nicht sein, dass wir einfach allein gelassen werden"
Von einem Sachkundenachweis für Tierhalter, wie er vom deutschen Dachverband gefordert wird, hält der Münchner Verein "besonders viel". Dieser "würde Überforderung der HalterInnen bzw. schlechter Haltung aus Unwissen entgegenwirken und damit Tieren sowie Menschen helfen", erklärt Berchtold.
Von der Politik fordert der Münchner Tierschutzbund "angemessene Kostenbeteiligung für Tierheime aus öffentlicher Hand". Berchtold zeigt sich in der AZ empört über die mangelnde Unterstützung in diesem Bereich: "Es kann nicht sein, dass diese mit den steigenden Herausforderungen einfach allein gelassen werden, denn am Ende ist Tierschutz ein gesamtgesellschaftliches Anliegen mit Auswirkungen auf die Öffentlichkeit."
Münchner Tierschutzbund: "Das neue Tierschutzgesetz ist vollkommen unzureichend"
Außerdem brauche es "viel mehr Aufklärung in Sachen Tierhaltung und Tierschutz, zum Beispiel auch in den Schulen." Der Bildungsauftrag sei nicht nur Aufgabe der Tierschutzvereine, so Berchtold. Der Tierschutzbund fordert "von der Politik die Umsetzung des Staatsziels Tierschutz in der Verfassung." Den aktuellen Referentenentwurf für ein neues Tierschutzgesetz bezeichnet Berchtold als "lückenhaft bis vollkommen unzureichend."
Puppy Yoga: Ein problematischer Trendsport?
Auch die Tierschutzorganisation Peta blickt besorgt auf die Überfüllung in den Tierheimen und fordert ein Verbot vom sogenannten "Puppy Yoga". Dabei laufen während oder nach dem Yoga-Kurse Welpen im Raum herum und dürfen gekuschelt und gestreichelt werden. Die Puppy Yoga GbR bietet solche Kurse in Deutschen Großstädten an, darunter auch in München. Peta kritisiert, dass solche Kurse "die Nachfrage nach Jungtieren weiter ankurbeln, während Tierheime massiv überfüllt sind und Aufnahmestopps verhängen". Dazu seien die Welpen in einer wichtigen Entwicklungsphase, die durch die Yoga-Kurse erheblich gestört werden kann. Peta bezeichnet den Trend als "absolut unverantwortlich"
Peta hat mit dieser Begründung die Puppy Yoga Gbr dazu aufgefordert, keine Welpen mehr in den Kursen anzubieten und stattdessen Tierschutzorganisationen und Tierheime zu unterstützen, zum Beispiel durch Vermittlungsgesuche und Informationsmaterial in den Kursen. Die Geschäftsführung stritt die Vorwürfe jedoch ab und teilte mit, dass "die Zucht der 'eingesetzten' Hunde nicht zur Überfüllung der Tierheime beitragen" würde.
Münchner Tierschutzbund: "Persönliches Engagement hilft, um von der Politik ernst genommen zu werden"
Die Tierheime in Deutschland leben indes Großteils von Spenden, wodurch etwa 90 Prozent der Kosten gedeckt werden. Sowohl Geldspenden als auch Sachspenden wie Futter und Zubehör bieten den Tierheimen Unterstützung. "Besonders wertvoll ist auch persönliches Engagement von Menschen", sagt Berchtold in der AZ. Vereinsmitglieder passiver und aktiver Art würden helfen, um von der Politik ernst genommen zu werden, so Berchtold.