Spendenwanderung unterbrochen: Bock braucht Pause
Eine Frau und ein Ziegenbock querfeldein – das sieht man nicht alle Tage. Tanja Hertel (50) klingt euphorisch, als sie von ihrem ungewöhnlichen Abenteuer erzählt.
Anfang August war sie mit Loki zur Wanderung ihres Lebens aufgebrochen – von Dorfen aus wollte sie Richtung Wilhelmshaven marschieren und spontan übernachten, wo es sich ergibt . Als Begleitung wählte sie die Ziege. Die Tiere schaffen durchaus weitere Strecken. All das, um 10.000 Euro für Ärzte ohne Grenzen zu sammeln.
Plötzlich war Ziegenbock Loki nicht mehr fit
Ihre Pläne änderten sich kurzfristig; aus beruflichen Gründen konnte die Erzieherin nicht wie geplant drei Monate freinehmen, sondern nur vier Wochen. Das Ziel an der Küste rückte in die Ferne, hielt Hertel aber nicht auf. Etwas anderes nun schon: Ziegenbock Loki war nicht mehr fit.
Dem Tier war die extreme Hitze zu viel, erzählt Hertel etwas wehmütig. Sie hätten wenig Schattenplätze auf ihrem Weg gehabt. Dazu kam, dass Loki an Durchfall litt. Hertel sprach mit einem Ziegenhalter, der ihr sagte, dass Durchfall bei Ziegen in wenigen Tagen sogar zum Tod führen könnte. Deswegen zog die 50-Jährige in der Nähe von Moosburg die Notbremse. Heim statt Schlafen im Heu (eines ihrer Highlights).
Der Bock ist nun wieder zu Hause im Stall und erholt sich. Den Rhythmus der Wanderung hat er offenbar schnell verinnerlicht, erzählt Hertel der AZ. "Die Bäuerin hat mich angerufen und meinte: Ich musste ihn heute gleich aus dem Stall lassen, der wollte laufen!" Mit den Haltern war sie auch während der Reise ständig in Kontakt, damit Lokis Befinden immer im Blick ist.
"Loki war der Star der Manege"
Eineinhalb Wochen waren sie unterwegs, Hertel konnte das Tier ohne Leine laufen lassen, weil es ihr brav folgte. Und auch so sei es sehr freundlich und nicht bockig gewesen. "Er war der Star der Manege."
Wann immer sie Menschen begegneten, zog Loki die Blicke auf sich: "Oh, schau eine Ziege!", "Wo gehst du denn mit der Ziege hin?" oder "Bist du Heidi?" seien nur einige der Kommentare gewesen. "Die Resonanz war super, Menschen sind mir mit dem Auto hinterhergefahren, um mir noch Geld zuzustecken."
In einer Woche hat Hertel so 400 Euro für Ärzte ohne Grenzen eingesammelt. Sie will damit einen Beitrag dazu leisten, dass es notleidenden Menschen auf der Welt ein bisschen bessergeht.
Angeregt dazu hat sie ein kleiner Bub aus Afrika, den sie im Kindergarten kennenlernte und durch den sie vor Augen geführt bekam, wie schwierig sein Start ins (neue) Leben ist. Das Gleichgewicht auf der Welt stimmt nicht, findet Hertel.
So heißt auch ihre Aktion: Restoration of Balance - das Gleichgewicht wiederherstellen. Spenden sind weiter über die Online-Kanäle von Tanja Hertel unter Restoration of Balance (Facebook, Instagram und auch die Ärzte-ohne-Grenzen-Seite) möglich.
Im Frühjahr will sie noch mal starten
Nur weil der heiße Sommer eine Zwangspause erforderlich gemacht hat, ist Hertels Traum nicht ausgeträumt: Sie will im Frühjahr noch mal starten, am liebsten mit Loki, der bis dahin ein Jahr alt ist.
Vorausgesetzt, es findet sich bis dahin ein gutes und nahes Plätzchen rund um Dorfen für das Tier. Die ursprüngliche Halterin hat keinen Platz mehr – sie hat bereits einen Zuchtbock im Stall. Zwei Böcke sind einer zu viel. Deswegen wird jetzt ein neues Zuhause für Loki benötigt. Hertel hofft darauf, dass ihn jemand in ihrer Nähe aufnehmen kann, damit sie bald wieder besondere Begegnungen erleben können.
"Ein Kind hat mir sein Taschengeld für Ärzte ohne Grenzen gegeben", erzählt Hertel der AZ. Das habe sie besonders berührt. Aber auch eine über 90 Jahre alte Frau auf einem Alpakahof in Wartenberg, auf dem Hertel und Loki eine Nacht untergekommen waren, habe nach ihrem Besuch gesagt: "Was war heute für ein schöner Tag!" Sie habe den Ziegenbock so gern gehabt und auch Hertel als Zuhörerin für ihre "Geschichtchen von früher". Ziege und Zuhörerin – vielleicht kommen sie beim zweiten Versuch ans Ziel.
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