Polizei klärt Facebook-Gerücht über Flüchtlinge auf

Ein Mann aus Traunstein spricht auf Facebook von einer Vergewaltigung eines Mädchens. Täter seien Asylbewerber. Die Polizei ermittelt. Vergeblich. Sie warnt vor Gerüchten und politisch motivierten Falschmeldungen.
von  az
Die Polizei Oberbayern Süd warnt per Facebook-Post vor im Netz kolportierten Falschmeldungen und Gerüchten: "Mir san ja ned im Dschungelcamp"
Die Polizei Oberbayern Süd warnt per Facebook-Post vor im Netz kolportierten Falschmeldungen und Gerüchten: "Mir san ja ned im Dschungelcamp" © dpa/www.facebook.com, Polizei Oberbayern Süd

Traunstein – "TEILEN-TEILEN-TEILEN". So begann laut der Polizei in Traunstein der wütende Facebook-Post eines Mannes aus dem Landkreis am vergangenen Donnerstag. "Am 11.01.2016 wurde in einer Traunsteiner Unterführung ein Mädchen vergewaltigt!!! Und zwar von Asylanten/Flüchtlingen!!!", prangerte der Verfasser an.

Und weiter: "Der ganze Wahnsinn spielt sich also mittlerweile vor unserer eigenen Haustüre ab. Die Polizei, unser Freund und Helfer, hält schön den Mund und gibt nichts an die Bevölkerung raus!! Das sage ich nur SCHÄMTS EUCH!!! Diese Information stammt aus einer sicheren Quelle!!!"

Die Traunsteiner Polizei erfuhr von der Sache erst, als sich lokale Medien aufgrund des Posts im Polizeipräsidium Oberbayern Süd nach der vermeintlichen Straftat erkundigten.

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Fakt ist: Das angebliche Sexualdelikt in einer Traunsteiner Unterführung, begangen durch mehrere Asylbewerber an einem jungen Mädchen, für dessen angebliche Geheimhaltung sich die Polizei schämen sollte, gibt es nicht.

Polizei-Pressesprecher Andreas Guske: "Dieser Fall zeigt, dass 'Stille Post' unter Umständen wirklich 'gefährlich' sein kann, besonders wenn man das Ergebnis am Ende der Informationskette auf Facebook öffentlich macht und als Tatsache darstellt. Aus einem Sexualdelikt – und jedes Sexualdelikt ist eines zu viel – können so schnell zwei, drei oder noch mehr werden, begangen an unterschiedlichen Örtlichkeiten zu verschiedenen Zeitpunkten."

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Verunsicherung sei eine der Folgen, unnötige Ermittlungsarbeit für die Polizei eine weitere. Eine echte Tatsache wiederum sei es. "dass die Polizei unabhängig von Staatsangehörigkeit, Volkszugehörigkeit, möglichen Migrationshintergründen oder Ethnien einen gleichbleibenden Maßstab bei der Information der Öffentlichkeit anwenden" werde, so Guske.

"Die Bürgerinnen und Bürger in unserer Region werden weiterhin durch die Polizei proaktiv, neutral und transparent über die Kriminalitätslage informiert."

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Intern habe man bei der Kriminalpolizeiinspektion und auch bei der Polizeiinspektion schnell festgestellt, dass es in Traunstein seit Jahresbeginn zu keinerlei Anzeigen wegen Sexualdelikten gekommen war, heißt es in der entsprechenden Pressemitteilung.

Da allerdings die Möglichkeit nicht auszuschließen war, dass ein noch nicht bei der Polizei bekannt gewordenes Verbrechen vorlag, blieb Beamten der Polizeiinspektion Traunstein nichts anderes übrig, als den jungen Mann, der auf Facebook so empört über diese schwere Tat berichtet hatte, aufzusuchen und nach seiner "sicheren Quelle" zu befragen.

 

 

…mir san ja ned im Dschungelcamp!Immer wieder werden wir mit Falschmeldungen und Gerüchten konfrontiert.Irgendjemand...

Posted by Polizei Oberbayern Süd on  Freitag, 15. Januar 2016

 

Zwei Tage dauerte es, bis sich die Beamten von einer angeblich "sicheren Quelle" zur nächsten durchermittelt und Gewissheit erlangt hatten. Wie beim Kinderspiel "Stille Post" - nur gänzlich humorfrei - waren bei jeder Weitergabe des tatsächlichen Sachverhalts Informationen verloren gegangen und neue Details hinzugekommen.

Schließlich machten die Beamten insgesamt acht Personen aus, die die Infos weitergegeben hatten.

Ursprünglich war zunächst von einem tatsächlich angezeigten Sexualdelikt in Traunreut die Rede gewesen. Bei dieser sexuellen Nötigung in der Silvesternacht hatte ein bereits am 13. Januar festgenommener afghanischer Staatsangehöriger eine 17-Jährige betatscht und versucht, sie zu entkleiden.

 

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