Neue Gymnasial-Studie überrascht: Bayern trauriges Schlusslicht in Deutschland

Überall in Deutschland hängt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind es auf das Gymnasium schafft, laut einer Studie sehr vom Bildungsniveau und dem Einkommen der Eltern ab – in Bayern aber besonders.
AZ/dpa |
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"Heute Abitur" steht auf einer Tafel im Klassenzimmer eines Gymnasiums.
"Heute Abitur" steht auf einer Tafel im Klassenzimmer eines Gymnasiums. © Sina Schuldt/dpa/Symbolbild

München - Nirgendwo hängt die Chance auf den Besuch des Gymnasiums so sehr vom Elternhaus ab wie in Bayern. Zu dem Ergebnis kommt eine am Montag veröffentlichte Studie des Ifo-Instituts. SPD und FDP im bayerischen Landtag kritisieren die Bildungspolitik des Freistaats. 

Bayern ist Schlusslicht in Sachen Chancengleichheit

Die Studie vergleicht die Wahrscheinlichkeit eines Gymnasialbesuchs für Kinder aus Familien, in denen die Eltern kein Abitur haben und das Haushaltseinkommen nicht im oberen Viertel liegt mit der für Kinder aus Familien, in denen mindestens ein Elternteil Abitur hat oder das Haushaltseinkommen im oberen Viertel angesiedelt ist. Bundesweit ist es weniger als halb so wahrscheinlich (44,6 Prozent), dass Kinder aus eher benachteiligten Verhältnissen ein Gymnasium besuchen wie Kinder aus eher günstigen Verhältnissen. In Bayern liegt der Wert mit 38,1 Prozent noch deutlich darunter, der Freistaat ist nach Ifo-Angaben in der Berechnung Schlusslicht. Chancengleichheit wäre bei 100 Prozent erreicht.

Bayerische Kultusministerin Anna Stolz über die Studie: "Das ärgert mich sehr"

Bayerns Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) kritisierte die Herangehensweise der Studie. "Die einseitige Betrachtungsweise der ifo-Studie, "Chancengerechtigkeit" einzig und allein an den Besuchsquoten des Gymnasiums festzumachen, ist mehr als fragwürdig und gesellschaftspolitisch geradezu fatal. Bildungsgerechtigkeit bedeutet für mich, dass alle Schülerinnen und Schüler bestmöglich nach individuellen Begabungen gefördert werden", sagte sie am Montag in München. "Die Studie setzt alle weiteren Schularten, Bildungs- und Berufswege massiv herab. Das ärgert mich sehr." Die Studie berücksichtige auch nicht die Erfolgsaussichten des gymnasialen Schulbesuchs. "Die Wahl der falschen Schulart führt schnell zu Frustration und Überforderung." Bayern habe beispielsweise insgesamt die wenigstens Schulabbrecher.

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FDP kritisiert bayerische Staatsregierung: "Das ist ein Weckruf"

Für Martin Hagen, den Vorsitz der FDP Bayern, sind die Ergebnisse der Studie ein "Weckruf" für die Staatsregierung. "Viel zu lange ist das Thema Chancengerechtigkeit in der bayerischen Bildungspolitik vernachlässigt worden", so Hagen in einem Pressestatement. Es brauche eine "Qualitätsoffensive in der frühkindlichen Bildung", sowie "mehr individuelle Förderung und einen Ausbau der Ganztagsangebote".  Hagen lobt das von der Bundesbildungsministerin  Bettina Stark-Watzinger initiierte Startchancen-Programm. Damit würde die Bundesregierung "gezielt in Schulen mit hohem Anteil an sozial benachteiligten Schülern" investieren  und  die Aufstiegschancen verbessern, so der bayerische FDP-Chef.

Bildungspolitische Sprecherin der SPD Bayern: "Das kann so nicht bleiben"

Auch die SPD im bayerischen Landtag fordert aufgrund der Studienergebnisse "sofortige Maßnahmen und vor allem mehr Geld für die Schulen im Freistaat". Die bildungspolitische Sprecherin Dr. Simone Strohmayr sagt in einer Pressemeldung: "Das Startchancenprogramm des Bundes unterstützt insbesondere Schulen in benachteiligten Stadtteilen oder Regionen, um die dortigen Kinder besser zu fördern. Die Staatsregierung in Bayern nimmt die Bundesmittel gern, unterstützt sie aber mit keinem eigenen Cent. Das kann so nicht bleiben!" Die SDP-Fraktion fordert außerdem, dass alle Schülerinnen und Schüler an weiterführenden Schulen ein kostenloses digitales Endgerät zur Verfügung gestellt bekommen. "An vielen Schulen gibt es Tablet-Klassen, für die sich die Kinder entscheiden können. Aber die sehr teuren Tablets müssen die Eltern zahlen. Da ist doch klar, dass hier separiert wird - zum Nachteil der ärmeren Schülerinnen und Schüler!", so die Bildungssprecherin Nicole Bäumler. Auch mehr und bessere Frühförderung in den Schulen könnte Kindern gleiche Chancen auf Bildung geben. "Hier wird aber seitens der Staatsregierung viel zu wenig getan."

Hubert Aiwanger über Studie: "Futter für linke Gleichmacher"

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger bezeichnet die Studie auf "X" (ehemals Twitter) als "Futter für linke Gleichmacher". Er schreibt: "Berlin angeblich am besten bei #Chancengleichheit der Schüler, unabhängig von der Herkunft aufs Gymnasium zu gehen, Bayern am schlechtesten. SKANDALLL!" In Bayern seien  "viele gute Schüler auf der Realschule", während "andere Länder diese Schulform gar nicht (mehr) haben". Dies würde "wohl kaum jemand" interessieren, so der Freie-Wähler-Chef. "Und dass gescheiterte Gymnasiasten oft schlechter dastehen als solide Hauptschulabsolventen die anschließend eine Lehre machen, sollte man auch bedenken. #Bildungsgerechtigkeit ist nicht dort am besten, wo die meisten gleich schlecht dastehen", schreibt er weiter.

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BLLV kritisiert bayerische Regierung: "Eine gute Portion Überheblichkeit"

Der Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) kritisiert in einer Pressemeldung die Haltung der Regierungsparteien: "Mit einer guten Portion Überheblichkeit schauen bayerische Regierungsverantwortliche und Bildungspolitikerinnen und -politiker auf das Bildungswesen der anderen Bundesländer." Tatsächliche Probleme würden kleingeredet. "Es gibt Grund zur Sorge – ganz besonders in Bayern“, heißt es. Die Studie zeige auch, dass  "Schulsysteme, in denen die Schulkinder erst später auf weiterführende Schularten aufgeteilt werden, systematisch eine höhere Chancengleichheit aufweisen." Weiter heißt es vom BLLV: "Sachliche und faktenbasierte Politik zu betreiben würde bedeuten, die Studienergebnisse ernst zu nehmen." 

Deutschlandweit besuchen nach Ifo-Angaben 26,7 Prozent der Kinder aus eher benachteiligten Verhältnissen ein Gymnasium, aus eher günstigen Verhältnissen sind es 59,8 Prozent. Die Unterschiede seien bildungspolitisch und wirtschaftlich bedeutsam. Tatsächlich verdienten Menschen mit Abitur im Durchschnitt monatlich netto 42 Prozent mehr als Menschen ohne Abitur.

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