Grund zur Sorge? Lesekompetenz nimmt in Bayern drastisch ab
Die Gestaltung des Grundschul-Unterrichts in Bayern ist aktuell aufgrund der Ergebnisse der jüngsten PISA-Studie ein brandaktuelles Thema. Laut den von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) veröffentlichten Ergebnissen verschlechterten sich die Leistungen in den drei untersuchten Bereichen Mathematik, Naturwissenschaften und Lesekompetenz deutlich. Aus diesem Grund forderte die bayerische Kultusministerin Anna Stolz mehr Deutsch und Mathematik an Bayerns Grundschulen. Seitdem wird im bayerischen Landtag diskutiert, an welchen Stellen stattdessen gekürzt werden soll. Trotzdem steht Bayern im Ländervergleich des Bildungswesens ganz gut da.
Bayern in den Top 3 der Bundesländer
Einen PISA-Vergleich innerhalb Deutschlands gibt es zwar nicht, jedoch gibt es andere Studien, die die 16 Länder miteinander vergleichen. So zum Beispiel der INSM-Bildungsmonitor. Die Vergleichsstudie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) vergleicht anhand von insgesamt 98 Indikatoren, wie erfolgreich jedes Bundesland sein Bildungssystem gestaltet. Im Gesamtranking des Bildungsmonitors belegt Bayern den zweiten Platz, gefolgt von Thüringen. Gewinner des Rankings ist Sachsen.
Digitalisierung ist Bayerns große Stärke
Als besondere Stärke Bayerns wird der Bereich "Berufliche Bildung" hervorgehoben –hier belegt Bayern im Ländervergleich sogar Platz 1. Eine weitere Stärke des bayerischen Bildungssystems ist laut dem Ranking auch die Digitalisierung. In Bayern wird laut der Studie relativ häufig täglich mit digitalen Medien im Schulunterricht gearbeitet. Auch hier belegt Bayern den ersten Platz von 16. Als weitere Stärke des Freistaats wird das Vermeiden von Bildungsarmut hervorgehoben. Hier liegt der Freistaat auf Platz zwei, Sachsen liegt jedoch um 3,9 Punkte vor Bayern.
Mangelnde Förderung an Bayerns Schulen
Als Verbesserungsbedürftig zählt der Bildungsmonitor die Förderinfrastruktur auf. Hier liegt Bayern im Vergleich auf Platz 14. Platz eins belegt auch hier Sachsen.
Im Jahr 2022 wurden in Bayern 34,9 Prozent der Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren ganztags betreut, während der Bundesdurchschnitt bei 47 Prozent lag. Zusätzlich verzeichnete Bayern im Jahr 2021 mit 17,8 Prozent eine geringere Quote von Ganztagsschülern in der Grundschule im Vergleich zum Bundesdurchschnitt von 47,5 Prozent. Obwohl Bayern in Horten weitere Betreuungsplätze für diese Altersgruppe anbietet, liegt der Anteil der Schülerinnen und Schüler an Ganztagschulen im Sekundarbereich I ebenfalls unter dem Durchschnitt.
Experte fordert mehr Kita- und Ganztagsschulplätze
In der AZ empfiehlt einer der Autoren der Studie, Axel Plünnecke: "Bayern könnte die Kita-Plätze und Ganztagsschulplätze weiter ausbauen, um die frühe Sprachförderung weiter zu verbessern. Dazu könnte Bayern – wie dies Hamburg macht – mehr Vergleichsarbeiten an den Schulen durchführen, um erfolgreiche Schulen mit hohen Lernzuwächsen besser zu identifizieren. Andere Schulen können dann von diesen besser lernen, was dort gut funktioniert. Bayern ist stark bei der Unterrichtsqualität, hat im Bildungssystem eine hohe Leistungs- und Problemorientierung."
Lesen und Mathe sind Bayerns Stärke: Trotzdem Grund zur Sorge?
Trotz der verbesserungsbedürftigen Förderung schneiden die bayerischen Viertklässler sowohl beim Lesen als auch in Mathematik gut ab. Im Bereich der Lesekompetenz belegt Bayern den ersten, in Mathematik den zweiten Platz. Auch laut dem IQB-Bildungstrend, in dem Schüler der Sekundarstufe I in den Fächern Deutsch und Englisch getestet werden, schneidet Bayern als eines der besten Bundesländer ab, jedoch ist trotzdem ein Abwärtstrend zu vermerken. Allein die Lesekompetenz im Fach Deutsch nahm in Bayern seit 2015 um 17 Prozentpunkte ab. Die Sorge der bayerischen Politik scheint also trotz der vergleichsweise guten Ergebnisse berechtigt. Auch Axel Plünnecke weist trotz des hohen Rankings auf eine Verschlechterung der Ergebnisse hin und sieht Handlungsbedarf auch in Bayern.
Lehrkräftemangel in Bayern als größte Herausforderung
Laut dem ifo Bildungsbarometer, einer Meinungsumfrage des ifo-Instituts zur Zufriedenheit der Deutschen mit dem Bildungssystem, zeigt sich Bayern als zufriedenstes Bundesland in Bezug auf die Schulen. 42% vergaben die Note 2 oder besser an die bayerischen Schulen, in NRW wurden die Schulen vergleichsweise am schlechtesten bewertet, lediglich 20% vergaben Note 2 oder besser. Insgesamt zeigt sich jedoch eine deutliche Verschlechterung in der Bewertung der Schulen. Lediglich 27% der Deutschen gaben den Schulen in ihrem Bundesland die Note 1 oder 2 – vor zehn Jahren waren es noch 38%. Als größte Probleme sehen die meisten Deutschen den Lehrkräftemangel (77%), gefolgt von fehlenden finanziellen Mitteln (68%) und der Trägheit des Systems (66%). Plünnecke plädiert in der AZ dafür, "die Sprachförderung in Kitas und Ganztagsschulen auszubauen und die Lehrkräfteversorgung zu sichern".
Es bleibt also abzuwarten, ob sich die geplanten Maßnahmen der bayerischen Regierung positiv auf das Bildungssystem auswirken.
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