Mit Kegelbahn und Schwimmbecken: Diese vier Lost Places in Bayern sollte man kennen

Leere Riesenkomplexe aus Beton, Stahl und Holz - zum Teil zurückerobert von der Natur: Die Krankenhäuser, Fabrikanlagen und Ex-Hotels sehen aus, als wären sie fluchtartig verlassen und dann einfach vergessen worden.
Es handelt sich um sogenannte "Lost Places" - auf Deutsch: vergessene Orte, die es auch in Bayern zuhauf gibt. Sie zu erkunden, kann sich anfühlen, als wäre man in Azteken-Tempeln der Moderne unterwegs: Auf den Spuren einer alten Lebensrealität, deren übrig gebliebene Bruchstücke die Vergangenheit erahnen lassen.
Die AZ stellt vier der Orte vor, die im Buch "Lost Places in Bayern" von Agnes Hörter erkundet und ergründet wurden:
Ein verlassenes Hotel im Bayerischen Wald
Das "Kur- und Erholungsheim" der Siemens AG (später "Charm Hotel Resort & Spa") bei Bischofsmais (Niederbayern) wurde in den frühen 70er-Jahren erbaut. Das Besondere: Mit 8000 Quadratmetern Fläche hat es das größte Holzschindeldach in ganz Europa. Zuletzt war die Anlage im Juni 2016 in Betrieb gewesen.
Deshalb sehen manche Zimmer in dem Hotel so aus, als wären sie noch am selben Morgen verlassen worden. An anderen Stellen ist der Zahn der Zeit durchaus anzumerken: etwa an der verschimmelten Kegelbahn im Keller oder am leeren Schwimmbecken. Die hohen Energiekosten hatten dem Hotel letztendlich das Genick gebrochen. Inzwischen ist es nicht nur vergessen, sondern auch zerstört: Ein Feuer verwandelte vor zwei Jahren die Anlage in eine Ruine.

Das Heizkraftwerk Aubing
Bevor die seit 2007 denkmalgeschützte Anlage im Ziegelstein-Look dieses Jahr in ein Kunstzentrum umgewandelt wurde, stand sie jahrelang leer. Sie überstand eine Bombardierung im Zweiten Weltkrieg, zu diesem Zeitpunkt noch ungenutzt, und wurde schließlich 1952 von der Deutschen Bundesbahn in Betrieb genommen - bis in die 1980er-Jahre hinein.

Das Zuhause zahlreicher Techno-Partys
In den Kesseln wurde Wasser erhitzt und anschließend über Fernwärmeleitungen zu den Gebäuden der Bahn transportiert, das abgekühlte Wasser lief wieder zurück zum Kraftwerk. Seitdem war das Kesselhaus Zuhause für zahlreiche illegale Techno-Partys - und wurde mit Graffitis über die Jahre bunt geschmückt. Auch als Filmkulisse diente es gelegentlich.
Das Bunkerkrankenhaus
44 solcher Einrichtungen gibt es in ganz Bayern, doch keines ist so gut erhalten wie das in Gunzenhausen (Mittelfranken). Das atombombensichere Hilfskrankenhaus, das von 1963 bis 1965 erbaut wurde, ist ein Kind des Kalten Kriegs. Es befindet sich in fünf Metern Tiefe unter einer Berufsschule und umfasst eine Fläche von 4000 Quadratmetern, eingehüllt von einer 60 Zentimeter dicken Bleischicht, um vor Strahlung zu schützen.

Bewohner wurden nie über den Bau informiert
Es war der Prototyp für alle weiteren Bunkerkrankenhäuser in Westdeutschland - vorgesehen für etwa 430 Patienten sowie 150 Ärzte und Pflegekräfte, die dort 14 Tage hätten ausharren können.
Die Bewohner von Gunzenhausen wurden nie über den Bau informiert, denn nur im Notfall sollten Patienten aus dem Fürther Klinikum dort untergebracht werden. Lediglich zwei Mal wurde das Krankenhaus genutzt - aber nicht medizinisch, sondern übergangsweise als Flüchtlingsunterkunft 1989 und 1991.
Vor dem Eintreten musste man duschen
Bevor man die Räumlichkeiten betreten kann, muss man zunächst durch eine "Dekontaminationsschleuse" mit Duschen, um mögliche Strahlung abzuwaschen. Die dahinterliegenden OP-Räume sind wie fast alle Zimmer noch vollständig eingerichtet und viele der Geräte stehen noch immer bereit. Interessierte Gruppen (bis zu 20 Personen) können für 165 Euro Führungen buchen.
Das Hotel Lederer am Tegernsee
Die Einrichtung trägt die Handschrift der 1970er- und 1980er-Jahre. Das Gebäude selbst ist zwar in schlechtem Zustand, doch manche der Zimmer sehen noch immer so aus, als wäre der Gästebetrieb in vollem Gange.

Die Unterkunft in Bad Wiessee, das 1909 als Dorf das Prädikat "Heilbad" erhielt, ist ein geschichtsträchtiger Ort: In den 1920er-Jahren wurde sie zum beliebtesten Kurheim der Prominenz. Auch SA-Chef Ernst Röhm führte es für seine Rheumakur 1934 dorthin, denn Adolf Hitler ließ ihn und weitere hochrangige SA-Mitglieder in Bad Wiessee für eine Tagung versammeln.
Hitler überraschte Röhm in seinem Hotelzimmer und ließ ihn und die restlichen SA-Führer verhaften. Noch in derselben Nacht wurden sie in Stadelheim auf Befehl Hitlers ermordet.
Krankenkassen zahlten nicht mehr für Kuraufenthalte
Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Hotel sowohl als Zufluchtsort für Kinder als auch als Klinik für Soldaten genutzt. Nach dem Krieg diente es zunächst als Erholungslager für Amerikaner und Briten, bis es an die seit 1936 namensgebende Familie Lederer zurückgegeben wurde. Die erweiterte das Hotel ab 1951 um einige Gebäude, einen Nachtclub und einen Wellnessbereich. Als die Krankenkassen 1995 nicht mehr für Kuraufenthalte zahlten, geriet das Hotel jedoch in die Krise. 2009 musste es endgültig schließen.
Wer selber mal einen Lost Place erkunden möchte, sollte sich informieren, inwiefern dieser legal betreten werden darf und ob es Führungen gibt, die sicher durch den Ort führen. So faszinierend sie sein mögen, einige sind einsturzgefährdet und unaufgeräumt, was Gefahr für Verletzungen birgt.
Agnes Hörter: "Lost Places in Bayern", Volk Verlag, 208 Seiten, 29,90 Euro
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