Keine Skifahrer mehr am Jenner: Wem nun der Berg gehört

Pistenpräparierung und klassischen Skibetrieb gibt es hier nicht mehr. Der Berg gehört nun den Rodlern, Skitourengehern und Winterwanderern – ein Besuch am Gipfel.
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Die meisten Besucher kommen derzeit zum Spaziergehen auf den Jenner ‒ und danach gibt es noch einen Cappuccino in der Sonne.
Die meisten Besucher kommen derzeit zum Spaziergehen auf den Jenner ‒ und danach gibt es noch einen Cappuccino in der Sonne. © Natascha Probst

Als Umweltschützer will Thomas Mühlthaler sich nicht hinstellen lassen. Das sei einfach falsch und nicht ehrlich, sagt der Vorstand der Jennerbahn AG oben im noch nach frischem Holz duftenden Seminarraum auf 1800 Metern Höhe.

Nein, die Jennerbahn habe den alpinen Skibetrieb und damit auch die Beschneiung und Pistenpräparierung für Abfahrten eingestellt, weil es sich wirtschaftlich nicht mehr gelohnt habe – am Klimawandel lag das nur bedingt.

Thomas Mühlthaler am Balkon des Seminarraums auf 1800 Metern.
Thomas Mühlthaler am Balkon des Seminarraums auf 1800 Metern. © Natascha Probst

Der Aufschrei war groß, als es im Februar dieses Jahres plötzlich hieß, die Jennerbahn stelle ihren Skibetrieb ein – schließlich hatte der Freistaat erst vor ein paar Jahren für den Neubau 10,5 Millionen Euro gezahlt.

 Jenner startet in die erste Saison ohne Skiabfahrt: Im Winter kommen  rund 55.000 Besucher

Das versteht Mühlthaler. Es habe einfach ein Kommunikationsproblem gegeben, meint er. Denn der Jenner habe nur einen Baustein seines Wintersportangebots eingestellt, der Rest – das, was wirklich von den Kunden nachgefragt werde – wird erweitert.

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Wie wenig die alpine Abfahrt am Jenner wirklich genutzt wurde, zeigen die Zahlen: Im Winter kommen rund 55.000 Besucher mit der Jennerbahn auf den Berg. Von diesen Winterbesuchern sind 50.000 Fußgänger und Tourengeher, 3000 Schlittenfahrer und nur 2000 Skifahrer. Umgerechnet sind das zehn bis 50 Skifahrer pro Tag ‒ das lohne sich einfach nicht, sagt Mühlthaler.

20 bis 30 Millionen Euro für neue Beschneiungsanlagen

Die Kosten für die Pistenpräparierung und Beschneiung seien nach oben geschossen. Zudem hätten die im Schnitt 20 Jahre alten Beschneiungsanlagen erneuert werden müssen – das hätte locker 20 bis 30 Millionen Euro gekostet, meint Mühlthaler. "Das geht, wenn man genug zahlende Kunden hat."

Doch warum kamen die nicht? "Zu steil und zu schmal", fasst Mühlthaler zusammen. Der Berg sei für Skifahrer nicht attraktiv gewesen. Die Leute, die auf den Jenner kommen, erwarten ein anderes Angebot, den sogenannten sanften Wintersport: Schlittenfahren, Schneeschuhwandern, Spazieren am 360-Grad-Panoramaweg und Cappuccino-Trinken im Restaurant mit Blick in den Nationalpark Berchtesgaden, der den Jenner umschließt.

Zwanzig Minuten dauert die Fahrt bis zur Bergstation der Jennerbahn.
Zwanzig Minuten dauert die Fahrt bis zur Bergstation der Jennerbahn. © Jennerbahn

Diesen sanften Wintersport wollen sie hier nun ausbauen, der Jenner soll zum "Erlebnisberg für alle" werden. "Wir machen immer noch Winter, wir wollen unseren Kunden Winter zur Verfügung stellen", sagt Mühlthaler.

Die Attraktionen werden in höhere Lagen verlegt ‒ dorthin wo Naturschnee liegt

Wie er das machen will, sieht man auch schon an diesem ersten Samstag der Wintersaison. Die Bahnen schieben sich den Berg hinauf, um die 700 bis 800 Menschen sind heute gekommen. Sie sind zum Spazierengehen hier, sie sitzen auf der Terrasse der Jenneralm und sonnen sich, Kinder machen eine Schneeballschlacht oder erforschen in den Ausstellungsräumen, welche Tiere im Nationalpark unterwegs sind.

Zu den bestehenden Angeboten wie dem Nationalparkmuseum, dem 360-Grad-Panoramaweg oder dem Restaurant Jenneralm kommen in dieser Saison neue Attraktionen hinzu – alle in höheren Lagen, dort, wo Naturschnee liegt. Künftig muss also nicht mehr großflächig beschneit werden, sondern nur punktuell, sollte das nötig sein.

Noch liegt nicht genug Schnee zum Rodeln, doch bald soll es losgehen.
Noch liegt nicht genug Schnee zum Rodeln, doch bald soll es losgehen. © Jennerbahn

Die Rodelbahn "Jennerhex" startet künftig in der Nähe des Gipfels – und nicht mehr auf halber Höhe bei der Mittelstation. Auf Naturschnee geht es dann mit dem Schlitten über mit Matten und Banden gesicherte 1,4 Kilometer und 220 Höhenmeter zur Mitterkaserbahn ‒ wo man einkehren kann. Die Schlittenfahrt kann beliebig oft wiederholt werden.

Die Rodelbahn öffnet wohl in den Weihnachtsferien

Die Rodelbahn öffnet, sobald genügend Schnee da ist, Mühlthaler vermutet in den Weihnachtsferien. Zudem gibt es einen neuen Schneeschuhtrail – von der Gipfelstation geht es hinüber zum "Vorderen Pfaffenkegel" und damit direkt zur Pforte zum Nationalpark Berchtesgaden.

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Für die Strecke, die hin und zurück 2,2 Kilometer beträgt, muss man kein Profi sein: Der Weg ist auch für ungeübte Geher geeignet. Begleitete Touren werden ebenfalls regelmäßig angeboten.

Und dann gibt es noch einen neuen familienfreundlichen Winterwanderweg, der zur Mittelstation der Jennerbahn führt. Ein Ausflug kann mit einem Besuch im Bergrestaurant "Halbzeit" gekrönt werden – hier können Kinder an einem Hang rodeln.

"Wir bündeln Aktivitäten bei uns"

Auch Freerider sind weiterhin am Jenner willkommen. Für sie wird es ausgewiesene Routen geben. "Wir bündeln Aktivitäten bei uns, die sonst Wintersportler hinein in die geschützte Nationalparknatur locken würden", sagt Mühlthaler.

Die Jenneralm hat Kaspressknödel, Burger oder Schnitzel im Angebot ‒ und einen Ausblick in den Nationalpark Berchtesgaden.
Die Jenneralm hat Kaspressknödel, Burger oder Schnitzel im Angebot ‒ und einen Ausblick in den Nationalpark Berchtesgaden. © Natascha Probst

Die Jennerwiesenbahn wird mit dem neuen Konzept überflüssig ‒ sie verband die alte Rodelstrecke mit der Mittelstation. Sie soll abgebaut werden, sobald ein Käufer gefunden ist. Derzeit liefen noch die Verkaufsverhandlungen, sagt Mühlthaler. Die dafür vom Freistaat erhaltenen Fördermittel in Höhe von 500.000 Euro muss die Jennerbahn zurückzahlen.

Rita Poser, die Kreisvorsitzende des Bund Naturschutz Berchtesgadener Land, will sich das Konzept erst ansehen ‒ und dann zu einer Einschätzung kommen. Vernünftig findet sie jedoch schon einmal, dass die Beschneiung mit Maschinen und die Pistenpflege eingestellt worden seien. Schade sei nur, dass viele Investitionen umsonst gewesen seien.

Die Bahn sei wichtig für die Region

Das findet Mühlthaler nicht. Die Bahn sei absolut wichtig gewesen für die Region. Die Investoren hätten damals nur den Fehler gemacht und noch auf Skifahrer gesetzt ‒ dieser Fehler werde nun behoben. Die Gondeln hätte man angesichts dieser Entwicklung jedoch nicht kleiner gebaut ‒ sie sind die Standardgröße für Warentransporte.

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Im Zuge des Klimawandels werden sich noch mehrere Skigebiete Alternativen zur herkömmlichen Skiabfahrt überlegen müssen. Studien zeigen, dass in Bayern nur wenige Skigebiete trotz Beschneiung schneesicher sind. Auch wenn Mühlthaler das nicht will, aber man könnte den Jenner doch als Vorreiter sehen. Denn hier wird sich zeigen, wie gut der sanfte Wintersport bei den Gästen ankommt.

Der Vorstand der Jennerbahn AG jedenfalls rechnet diesen Winter mit mehr Menschen als zuvor. Mit einem Blick auf die Sonnenterrasse der Jenneralm am ersten Wochenende könnte man vermuten, dass er damit nicht ganz Unrecht haben könnte.

Die Jennerbahn fährt am 2. Adventwochenende, Samstag und Sonntag und durchgehend ab dem 14. Dezember 2024 bis zum 10. März 2025 von 9.30 bis 16.30 Uhr. Das Gipfel-Tages-Ticket kostet im Webshop 39 Euro für Erwachsene und 24 Euro für Kinder. Es beinhaltet die unbegrenzte Nutzung der Bahn zwischen Rodelbahn und Gipfelstation. Mehr Informationen unter www.jennerbahn.de

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6 Kommentare
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  • Gelegenheitsleserin am 09.12.2024 14:50 Uhr / Bewertung:

    @Redakteur
    "Artikel vergessen zu lesen?"

    Der wahre tscharlie hat schon Recht: "Der Tourismus wird sich ändern". Das steht auch so im Artikel.
    Und eine Folge des Klimawandels ist es übrigens auch, dass Skifahren ohne Beschneiungsanlagen am Jenner nicht mehr möglich/rentabel ist.

  • Der wahre tscharlie am 07.12.2024 18:38 Uhr / Bewertung:

    Die Welt in Zeiten des Klimawandels. Und auch der Tourismus wird sich ändern.

  • am 08.12.2024 08:09 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Der wahre tscharlie

    Artikel vergessen zu lesen?

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