"Massive Missstände": Tierschützer mit schockierenden Entdeckungen auf dem Schlachthof Aschaffenburg
Aschaffenburg - Nicht ausreichend betäubten Schweinen werden die Augen herausgerissen. Eine Kuh reagiert noch, während man versucht, ihr die Beine abzuschneiden. Schlächter versuchen mehrfach, ein Schwein zu betäuben, bis sie lachend feststellen, dass das entsprechende Gerät gar nicht eingeschaltet ist. Die amtliche Tierärztin und ihre Mitarbeiter stehen dabei nur wenige Meter entfernt.
Davon zeugen Videoaufnahmen des kürzlich geschlossenen Schlachthofs Aschaffenburg, die die "Soko Tierschutz" zugespielt bekommen hat. "Ich habe selten so viele Missstände gesehen", sagt "Soko"-Gründer Friedrich Mülln der AZ. Die Vergehen seien nicht nur in der Schwere, sondern auch in der Häufigkeit massivst.

Schlachthof Aschaffenburg: Veterinärärztin verschweigt Missstände
Die für den Schlachthof zuständige Veterinärärztin hat nicht nur die Missstände verschwiegen, sondern auch vor einer Kontrolle der Bayerischen Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (KBLV) gewarnt.
Dass amtliche Tierärzte Verstöße ignorieren oder gar vertuschen, ist laut Mülln leider kein Einzelfall. Bei jedem der 14 Schlachthofskandale, die er in den letzten sechs Jahren mitbegleitet und aufgedeckt habe, seien diese immer maßgeblich beteiligt gewesen. "Die Konstruktion des amtlichen Tierarztes kann eigentlich nicht funktionieren", so der Tierschützer.
Das Problem: Tierärzte sind finanziell vom Schlachthof Aschaffenburg abhängig
Das Problem daran: Die vom Staat beauftragten, aber privatwirtschaftlich tätigen Tierärzte seien finanziell vom Schlachthof abhängig, denn sie werden pro Kontrolle bezahlt. Sind die Missstände also zu groß oder häufen sich die Fälle, droht die Schließung – und die Einnahmequelle für die Tierärzte versiegt. Das Veterinäramt brauche diese Ärzte dann nicht länger, da sie nur für die Schlachthofkontrolle zuständig sind.
"Die Leute werden in der Regel aus Osteuropa rekrutiert, kommen aus prekären Verhältnissen, haben häufig einen sehr mangelhaften Wissensstand und sind dadurch sehr anfällig für Korruption und Vitamin B", so der Tierschützer weiter. Und wenn der amtliche Veterinärarzt und der Schlachthof sich irgendwann jahrelang kennen, nehme man "sich auch nicht mehr so hart ran".
Tierschützer fordern Vier-Augen-Prinzip für Schlachthöfe in Bayern
Um solche grauenvollen Zustände, wie sie in Aschaffenburg entstehen konnten, zu verhindern, muss sich etwas ändern, fordert die "Soko". Mülln sagt, man müsse der KBLV erlauben, dass diese sich nicht länger bei den lokalen Veterinärämtern anmelden muss – sprich: eine Vorwarnung wäre nahezu unmöglich. Grundsätzlich sagt Mülln aber: Dass es in Bayern als einzigem Bundesland die KBLV, also eine übergeordnete Behörde gibt, ist wichtig. Denn diese könne "fern des lokalen Filzes" Kontrollen durchführen und so Mauscheleien unterbinden.
Was es außerdem laut Mülln braucht: Ein Vier-Augen-Prinzip bei den amtlichen Tierärzten. Mindestens zwei Personen müssten gleichzeitig kontrollieren, damit es nicht so leicht zu Korrumpierungen kommen kann. Und: Betäubungseinrichtungen müssten zertifiziert werden, ansonsten drohe ein stellenweiser Ausfall der Geräte wie in Aschaffenburg – mit furchtbar quälenden Folgen für die Tiere.
"Soko Tierschutz" wies schon 2013 auf Missstände im Schlachthof Aschaffenburg hin
Der Schlachthof Aschaffenburg verspricht in einer Stellungnahme ein neues Tierschutz-Konzept: "Es umfasst unter anderem eine Intensivierung des Kontrollsystems, erweiterte Video-Überwachung, Auditierungen aller Mitarbeiter und der dazugehörigen Infrastruktur." Müllns Fazit: unglaubwürdig. Schon 2013 habe die "Soko" auf die Zustände im Schlachthof Aschaffenburg hingewiesen. Alles deute darauf hin, dass die aufgedeckten Missstände auch die letzten zehn Jahre vorgelegen haben.
Und dennoch prangen auf der Website des Schlachthofs zahlreiche Prüfzeichen, darunter auch das der Initiative Tierwohl. Für Mülln nichts weiter als PR der Fleischindustrie. Fakt sei: Ein Tierwohllabel, auf das man sich wirklich zu 100 Prozent verlassen könne, gibt es nicht.
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