Zoff um gefährliches Schlachtmittel am Münchner Schlachthof

Schweineschlachtung München GmbH musste "Zwangsgelder" zahlen, weil sie den Gefahrenstoff Toluol ins Abwasser geleitet haben soll. Die Firma weist jede Schuld von sich.
Eva von Steinburg
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Der Schlachthof: Von hier aus sollen gefährliche Stoffe ins Wasser gelangt sein.
Der Schlachthof: Von hier aus sollen gefährliche Stoffe ins Wasser gelangt sein. © Daniel von Loeper

München - Das Thema Schweineschlachtung ist ja bekanntlich nicht so appetitlich. Dazu gelangt jetzt dabei ein umweltschädlicher Stoff in die Münchner Kanalisation: Es ist Toluol.

Unternehmen Schweineschlachtung München: Es ist nicht das erste Bußgeld 

Das Unternehmen Schweineschlachtung München GmbH musste bereits mehrfach Bußgelder zahlen, weil sie unzulässige Mengen an Toluol in das Münchner Abwasser einleitet. Die Münchner Stadtentwässerung (MSE) belegte den Betrieb bereits 2021 mit "Zwangsgeldern".

Die Zwangsgelder werden stetig erhöht

Wie oft und wie hoch die Grenzwertüberschreitungen sind, machen die Abwasserbetriebe allerdings nicht öffentlich: "Die Höhe der Zwangsgelder wird im Einzelfall festgelegt und im Verfahren stetig erhöht, sofern den angeordneten Maßnahmen nicht nachgekommen wird. Im laufenden Verwaltungsverfahren können wir leider keine genauen Angaben über die Messwerte der Zwangsgeldhöhen veröffentlichen", lautet die Antwort der Pressestelle der Münchner Stadtwerke auf eine Anfrage der AZ.

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Gemäß Entwässerungssatzung liegt der Summengrenzwert für Toluol bei 0,1 mg pro Liter. Zur Frage, welche Auflagen die MSE der Firma gemacht hat, damit sich die Situation bessert, schreibt die MSE: "Die Schweineschlachtung München GmbH ist für die Ermittlung der Ursache und das Abstellen von Grenzüberschreitungen zuständig."

Toluol: Eine Gefahr für Kanalarbeiter

Wie gefährlich der Stoff ist, können unabhängige Wissenschaftler aber nur einschätzen, wenn sie die Zahlen kennen, Messwerte und Fakten haben. Kanalarbeiter könnten gesundheitliche Probleme bekommen, wenn sie im Münchner Untergrund von einer anströmenden Welle mit Toluol-Wasser überrascht würden. Sie bräuchten dann ein Atemschutzgerät. Wenn die Konzentration sehr hoch ist, kann Toluol-Dampf sogar aus dem Kanaldeckel auf den Gehweg austreten.

Der Münchner Schlachthof macht öfter Probleme

Der Münchner Schlachthof ist ein alter Standort, mitten in der Stadt, der schon länger Probleme macht. Zum Ärger mit der Geruchsbelästigung, zu den vielen Tiertransporten quer durch die Stadt, kommt jetzt das Toluol.

Doch an der Zenettistraße gibt es keinen Platz für eine Erweiterung des Schlachthofs: zum Beispiel, um dort eine eigene Kläranlage für den Stoff Toluol zu betreiben, wie sie moderne und emissionsarme Schlachthöfe haben.

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Das Unternehmen weist die Schuld von sich

Die Schweineschlachtung München GmbH weist jede Schuld von sich: "Der Ursprung des Toluol ist bisher noch nicht geklärt", schreibt Geschäftsführer Markus Pöllot der AZ: "Aufgrund von Proben kann nachgewiesen werden, dass der Stoff Toluol nicht bei dem Betrieb der Schweineschlachtung München GmbH zugesetzt wird."

Aber woher kommt es dann? Die MSE hat die Schweineschlachtung dazu aufgefordert, ein Gutachten erstellen zu lassen, um den Ursprung der gefährlichen Substanz aufzuklären.

Keine Auskunft vom Umweltreferat

Bei einer Sitzung des örtlichen Bezirksausschusses hatte Christian Heindl von der Immissionsschutzbehörde im Umweltreferat das Problem mit der Toluol-Einleitung öffentlich gemacht. Das Umweltreferat gibt zum Thema Toluol aber keinerlei Auskunft.

Es verweist auf die Wächter der Münchner Kanäle, die wenig gesprächig sind. Beispiel: Der Leiter der MSE hat ein Interview mit der AZ verweigert - aus "zeitlich-organisatorischen Gründen".

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Das sagt die Wissenschaft dazu

Toluol ist ein Lösungsmittel, das für Lacke typisch ist. Es ersetzt organische Lösemittel wie Benzol, das krebserregend ist. Jörg Drewes vom Lehrstuhl für Siedlungswasserwirtschaft der TU München erklärt den Problemstoff Toluol: "Er ist grundsätzlich nicht so gut biologisch abbaubar", sagt der 58-jährige Umweltwissenschaftler.

AZ-Interview mit Jörg Drewes: Der 58-Jährige ist Umweltwissenschaftler an der TU München.
AZ-Interview mit Jörg Drewes: Der 58-Jährige ist Umweltwissenschaftler an der TU München. © TUM

AZ: Wofür braucht ein Schlachtbetrieb überhaupt Toluol?
JÖRG DREWES: Toluol ist ein organisches Lösungsmittel, das bei der Tierresteverwertung dazu dient, Fleischreste abzulösen.

Welche Schäden gibt es, wenn Toluol-Grenzwerte überschritten werden?
Die Gefährlichkeit liegt bei Gesundheitsschäden. Nerven, Nieren und Leberschäden sind bekannt. Toluol ist flüchtig. Sie können es einatmen.

Wo ist das Problem, wenn ein Schlachthof Toluol in den Kanal einleitet?
Ein Problem könnte die diskontinuierliche Einleitung sein, verursacht durch das Ablassen von Spülbädern mit hoher Konzentration.

Sie nennen den Einsatz von Toluol in der Tierreststoffverwertung einen "üblichen Verarbeitungsschritt".
Toluol kann dazu dienen, Fette zu extrahieren für die Herstellung von Seife oder Schmiermittel.

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Die Münchner Stadtentwässerung hat die Schweineschlachtung München GmbH mit Bußgeldern belegt, weil Grenzwerte überschritten wurden.
Bei der Schädlichkeit kommt es auf die Menge an und wie stark das Toluol verdünnt ist, das in den Kanal fließt. In einem Schlachthof fällt viel Waschwasser an. Die Münchner Stadtentwässerung kann Bußgelder, Auflagen und Anforderungen für eine weitergehende Reinigung an den Schlachthof stellen, wenn die Grenzwerte nicht eingehalten werden. Der Schlachthof müsste das Wasser dann vorher besser aufbereiten.

Über Schlachthof und Kanal gelangt Toluol jetzt in eine der zwei Münchner Kläranlagen. Das Wasser fließt dann weiter in die Isar...
In einer Kläranlage können bestimmte Bakterien Toluol zersetzen.

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  • Fußball-Fan am 23.03.2022 17:42 Uhr / Bewertung:

    Wenn der Vorwurf stimmt, sollte der Firma fristlos gekündigt werden.

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