Kind in Kiste gesperrt und im Wald ausgesetzt: Dieser Horror-Fall erschüttert Gericht in Bayern

Ausgesetzt und missbraucht: Es ist eine Tat wie im Film. Warum das Ganze nur durch Zufall herauskam und wie der Täter nach Indien floh.
Monika Kretzmer-Diepold |
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Mit einem grünen Parka über dem Kopf erscheint ein 58-jähriger Diplompsychologe zum Prozess.
Mit einem grünen Parka über dem Kopf erscheint ein 58-jähriger Diplompsychologe zum Prozess. © Kretzmer-Diepold

Traunstein - Es klingt wie ein Horrorfilm, was einem 58-jährigen Mann vor dem Landgericht Traunstein zur Last gelegt wird. Bernd W. soll im Herbst 2014 ein elfjähriges Mädchen in Tschechien in eine Holzkiste in sein Auto gesperrt und es 30 Kilometer entfernt in einem Wald an Händen und Beinen mit Kabelbindern gefesselt ausgesetzt haben. Das Kind konnte unverletzt gerettet werden.

Landgericht Traunstein: Richterin in den Schlagzeilen

W. muss vor Gericht treten bei jener Richterin, gegen deren Kammer im Mordprozess um die 23-jährige Hanna zu Beginn der Woche ein Befangenheitsantrag gestellt worden war. Staatsanwältin Helena Neumeier sieht in der Tat mit der Kiste einen "Menschenraub". Der Angeklagte selbst äußerte sich am Donnerstag überhaupt nicht zu den Vorwürfen. Die Anklägerin beschuldigt Bernd W. zudem eines Kindesmissbrauchs. In Regensburg, wo der 58-Jährige studiert und zeitweise gelebt hatte, soll er am 2. September 2003 nachmittags zwei Kinder, eine Vier- und eine Sechsjährige, angesprochen haben.

Sie seien "zwei so bildhübsche Mädchen". Er habe ihnen vorgegaukelt, er sei Fotograf und wolle Bilder von ihnen machen. Dann soll der Angeklagte der Vierjährigen fünf Euro, der anderen etwas weniger Geld gegeben haben – mit der Aufforderung, Hose und Unterhose herunter zu ziehen. Nur das jüngere Kind folgte der Anklage zufolge der Anweisung, der angebliche "Fotograf" fasste dann den Intimbereich des Mädchens an und nahm tatsächlich Fotos auf.

Kommissar Zufall führt die Spur zum Angeklagten Bernd W.

Darüber hinaus dreht sich der siebentägige Prozess um Unmengen von kinderpornografischen Schriften und Videos. Es wäre im Falle einer Verurteilung nicht seine erste Tat. Bernd W., damals noch Lkw-Fahrer, wurde bereits 1995 wegen Missbrauchs von Kindern verurteilt.

Einen Überblick über die Ermittlungen lieferte ein Sachbearbeiter der Kripo Mühldorf. Dabei spielte der Zufall offenbar eine große Rolle. 2013 ließ die Universität Regensburg, an der der W. inzwischen studierte, diverse Spinde turnusmäßig öffnen. In einem lagen CDs und DVDs mit mehr als 20.000 kinderpornografischen Bildern sowie Kleidungsstücken, die dem Angeklagten über Genspuren und Fingerabdrücke zugeordnet werden konnten. Auf den Dateien waren jene Fotos von den Kindern in Regensburg. Über die Bildmotive konnte der Tatort fixiert werden.

Ausgerechnet Psychologie studierte der Angeklagte

Im Oktober 2015 folgte nach Worten des Polizeizeugen eine Durchsuchung der Wohnung des inzwischen diplomierten Psychologen in Landshut, der gerade nach Mühldorf umgezogen war. Der Mann war in verschiedenen Sparten in der Erwachsenen-, Kinder- und Seniorenbetreuung, in einer Familienberatungsstelle, in einem Kinderheim sowie an einer Krankenpflegeschule tätig. In seinem Landshuter Domizil stieß man auf Datenträger mit zigtausend von Kinderpornofotos und -videos. Vier Tage später wollte man den Angeklagten in seiner neuen Wohnung in Mühldorf aufsuchen. Doch der Angeklagte war nirgends aufzufinden.

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Am 18. Oktober 2015 hatte Bernd W. quasi als letztes Lebenszeichen Geld an einem Automaten in Erding abgehoben. Eine Zielfahndung des Bayerischen Landeskriminalamts ergab, dass er 2015 nach Bangalore geflogen war. Was in Indien geschah, kam bislang nicht zur Sprache vor der Zweiten Jugendkammer. Im Juni 2020 wurde der Angeklagte dort inhaftiert. Im März 2022 kam er in Auslieferungshaft, seit April 2023 sitzt er in Untersuchungshaft.

Die Spur führt nach Tschechien

Während der Ermittlungen stieß man auf den alten Wagen von W., der wiederum den Behörden in Tschechien bekannt war. Nämlich aufgrund von Überwachungsvideos aus der Stadt Obrnice im Jahr 2014. Gemäß Anklage hatte der Diplompsychologe die Elfjährige auf deren Heimweg auf einem menschenleeren Parkplatz angesprochen, sie zu seinem VW Golf bugsiert, ihr von hinten den Mund zugehalten, die sich Wehrende in die Holzkiste im Kofferraum gezwängt und die Kiste zugesperrt.

Ihr Handy rettete das Mädchen. Sie konnte von der Kiste aus die Polizei rufen. Als der Entführer dies merkte, fuhr er in einen Wald, holte das Kind heraus, fesselte es schmerzhaft und fuhr davon. Das Opfer blieb allein zurück und konnte sich selbst befreien. Die Polizei fand später in dem Fahrzeug keine Spur mehr von der Kiste, stieß jedoch auf von der Elfjährigen beschriebene helle Alufelgen. Der Prozess geht am 5. März weiter.

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2 Kommentare
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  • .x.x. am 23.02.2024 12:26 Uhr / Bewertung:

    Wenn dieser Mensch jemals wieder lebend das Gefängnis verlässt, läuft was mächtig schief in der deutschen Gesetzgebung/Rechtsprechung. Das ist - allerdings nur als Ergebnis dieses Artikels - ein Schwerstkrimineller, vor dem alle Kinder unbedingt geschützt werden müssen.

  • am 23.02.2024 06:56 Uhr / Bewertung:

    Solche Monster müssen endlich für immer weggesperrt werden.

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