Italien lockt mit Umzugsprämie in die Toskana: Eine Idee für Bayern?
Rom/München - Es ist nicht die erste unkonventionelle Aktion dieser Art in Italien: Die Region Toskana verschenkt bis zu 30.000 Euro an denjenigen, der bereit ist, in ein toskanisches Bergdorf zu ziehen, wie es dazu auf der Internetseite der Region Toskana heißt.
Was zunächst verrückt klingt, hat einen ernsten Hintergrund. Der Toskanische Regionspräsident Eugenio Giani (Partito Democratico) will unter dem Motto "Wohnen in den Bergen 2024" damit dem Einwohnerschwund entgegenwirken und eine "Wiederbesiedlung und sozioökonomische Wiederbelebung von Berggebieten" fördern, wie er in der offiziellen Mitteilung zitiert wird.
Finanziert wird das Projekt mit 2,8 Millionen Euro aus dem italienischen Fonds für die Entwicklung der Berggebiete (Fosmit). "Die Berge sind eine große ökologische und kulturelle Ressource mit einem ebenso großen wirtschaftlichen Wert", sagt Giani der italienischen Nachrichtenagentur Ansa.
30.000 Euro für Umzug in die Toskana: Das sind die Bedingungen für Bewerber
Die aktuelle Aktion gebe den Orten neues Leben, in denen neue Gemeinschaften entstehen können und damit Entwicklung und Wachstum.
Betroffen sind laut einer Liste insgesamt 76 Dörfer, die weniger als 5000 Einwohner haben. Dazu zählen unter anderem, Stand 31. Dezember 2022: Zeri (940 Einwohner), Talla (986 Einwohner), Sorano (3041 Einwohner). Die Bewerbung erfolgt über ein Formular, allerdings müssen die Interessenten gewisse Kriterien erfüllen.
Diese sind:
- Bewerber müssen italienische Staatsbürger oder Staatsbürger eines anderen EU-Staates sein oder Nicht-EU-Bürger mit einer Aufenthaltserlaubnis für mindestens zehn Jahre.
- Sie müssen volljährig sein.
- Sie müssen in einer italienischen Stadt oder Gemeinde wohnen ‒ ausgeschlossen sind Berggemeinden. Bewerbungsschluss: 27. Juli, 13 Uhr.
Die Mindestförderung liegt bei 10.000 Euro ‒ wobei der Zuschuss vom Kaufpreis des Hauses abhängt. "Dieser darf keinesfalls 50 Prozent der Gesamtkosten überschreiten, die im Zusammenhang mit dem Kauf der Immobilie und der dazugehörigen Ausstattung entstanden sind", wie Ansa berichtet.
So beurteilt das Wirtschaftsministerium die Lage im Freistaat
Solche Aktionen gibt es im Freistaat nicht, wie eine AZ-Nachfrage beim Bayerischen Wirtschaftsministerium ergibt. Begründung: Es gebe keinen Bedarf. "Zum einen verzeichnen alle Regionen Bayerns eine positive Entwicklung der Einwohnerzahlen Stand 2022", sagt Aaron Gottardi, Leiter für digitale Kommunikation.
Die Situation sei eine andere als in Regionen Italiens. "Zum anderen bekennt sich die Bayerische Staatsregierung ohne Wenn und Aber zum landesentwicklungspolitischen Leitziel, gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen in allen Landesteilen zu schaffen oder zu erhalten."
Konkret: In Stadt und Land soll Chancengerechtigkeit geschaffen werden. Die Bürger sollen unabhängig vom Wohnort ‒ auch im ländlichen Raum ‒ gleiche Lebenschancen haben, beispielsweise weiterbildende Schulen besuchen oder einen Arbeitsplatz finden.
"In Bayern ist und wird keine Region abgehängt. Vielmehr sollen alle Teile und Regionen des Landes gleichermaßen am erfolgreichen Weg Bayerns teilhaben", so Gottardi. Dass es einen Einwohnerschwund auch in den ländlichen Regionen Bayerns gibt, dessen ist sich das Ministerium bewusst. Es weist darauf hin, dass die nördlichen Regionen Bayerns im Vergleich zu den südlichen langsamer wachsen.
Ein weiterer Punkt sei der seit Jahrzehnten zu beobachtende "Sterbefallüberschuss" aufgrund einer "unterschiedlichen Altersstruktur". Dennoch: "Die bayerische Bevölkerung wächst seit 2011 kontinuierlich an, insgesamt um 7,4 Prozent. Im ländlichen Raum konnte ein Zuwachs von sechs Prozent verzeichnet werden", resümiert Gottardi.
Gegen italienische Verhältnisse in Bayern
Damit künftig in Bayern keine italienischen Verhältnisse herrschen, gebe es diverse Förderprogramme für die Wirtschaft, den Mittelstand bis hin zu Dorferneuerungen im ländlichen Raum. Dazu zählen auch Bereiche wie Arbeitsmarkt, Bildung, Gesundheit und Soziales.
Andere Regionen, vor allem in Süditalien, wie Apulien (Stiefelabsatz) oder Kalabrien (Zeh des Stiefels), hatten in der Vergangenheit mit ähnlichen Aktionen für Aufsehen gesorgt. So berichtete die "Berliner Morgenpost" im November 2022 von der apulischen Stadt Presicce, nahe der Küste, die jedem 30.000 Euro zahlt, wenn er sich dort niederlässt.
Auch hier wollte der Staat etwas gegen die Abwanderung unternehmen, einen künftigen vollständigen Leerstand der Häuser verhindern. Und der "Business Insider" schrieb im September 2021, dass die Region Kalabrien ebenfalls tief in die Tasche greift und mit bis zu 28.000 Euro Interessenten anlockt.
Auf Sizilien hat man gar Immobilien verschenkt
Bereits ein Jahr zuvor hatte die Region mit einer ebenfalls ungewöhnlichen Aktion erstmalig auf sich aufmerksam gemacht: Unter dem Motto "Operation Beauty" (deutsch: Schönheitsoperation) bot das Dorf Cinquefrondi insgesamt zwölf Häuser zum Kauf in Höhe von jeweils einem Euro an.
Die Stadt Cammarata auf Sizilien ging 2019 sogar noch einen Schritt weiter und verschenkte Immobilien. Der Haken: Sie waren nahezu unbewohnbar, weil sie stark baufällig und renovierungsbedürftig waren.
Eine AZ-Anfrage bei der Region Toskana ließ die italienische Verwaltung unbeantwortet.
Weitere Informationen zur Aktion "Wohnen in den Bergen 2024" und zur Bewerbung: https://tinyurl.com/3k3ku2me
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