"Hatten noch nie jemanden, der gar nix sagt": So ungewöhnlich lief die Festnahme im Hanna-Mord

Sie folgten ihm fast 30 Kilometer mit dem Auto, dann erfolgte der Zugriff: Was Polizisten an der Festnahme des Angeklagten Sebastian T. im Mordfall Hanna äußerst merkwürdig fanden.
Heidi Geyer |
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Der Angeklagte mit Wahlverteidigerin Regina Rick.
Der Angeklagte mit Wahlverteidigerin Regina Rick. © Geyer

Traunstein/Aschau - Wenn man von der Polizei mitten auf der Autobahn angehalten und wegen eines Tötungsdelikts festgenommen wird, so sollte man doch annehmen, dass das zu irgendeiner Gefühlsregung führt.

Offenbar nicht so bei Sebastian T., dem Angeklagten im Eiskeller-Prozess. Ihm ist am 18. November 2022 gegen 13.30 Uhr genau das widerfahren, als er auf der A93 bei Oberaudorf gestoppt wurde. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft soll er die 23-jährige Studentin Hanna aus sexuellen Motiven auf ihrem Heimweg von der Diskothek "Eiskeller" überfallen und getötet haben.

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"Alarm für Cobra 11" statt "Rosenheim-Cops": Ist Sebastian T. ein Raser?

Die zwei Polizisten, die T. zunächst verfolgt und dann festgenommen haben, sagen am Donnerstag am Landgericht Traunstein aus. Und was sie erzählen, klingt eher wie eine Szene aus der Actions-Serie "Alarm für Cobra 11" als aus den eher gemütlichen "Rosenheim-Cops". Es sei gar nicht so leicht gewesen, dem Angeklagten über eine Strecke von um die 30 Kilometer zu folgen, berichtet ein Beamter.

Zu schnell sei er unterwegs gewesen, sagt der Polizist, will ihn aber auf Rückfrage der Vorsitzenden Richterin Jacqueline Aßbichler nicht als "Raser" bezeichnen. Sein Kollege S. weiß hingegen nichts von auffälligem Fahrverhalten zu berichten. "Verblüfft" sei der Beschuldigte gewesen, dass er mitten auf der Autobahn rausgezogen wurde, sagt er über den Moment der Festnahme. Doch beide sind sich einig, dass sie sich sehr gewundert hätten, mit welcher Gleichgültigkeit T. seine Festnahme über sich ergehen ließ.

Polizei berichtet: Über 100 Festnahmen, aber keine war wie diese

"Wir rechnen bei Festnahmen mit allem", sagt der Polizist R.. Seit 1999 sei er Polizist, habe deutlich über 100 Festnahmen persönlich durchgeführt oder miterlebt: "Wir hatten noch nie jemanden, der gar nix sagt." Beide geben an, sehr überrascht gewesen zu sein. War T. so emotionslos, weil er wusste, dass er der Täter ist? Oder ist er einfach so ein Typ, der wenig Emotionen zeigt? Zumal er zu diesem Zeitpunkt bereits gewusst haben musste, dass er verdächtigt wird.

Der Zugriff in fast schon Wild-West-Manier war jedenfalls kein Statement der Macht der Polizei, sondern eher ein Ausdruck von rechtlicher Absicherung. Denn es dauerte bis zu eben jenem Moment auf der A93, bis der Richter einen Haftbefehl ausgestellt hatte.

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Alle Register möchte offenbar auch Wahlverteidigerin Regina Rick ziehen und stellt einen Beweisantrag nach dem anderen, der ihren Mandanten entlasten soll. Obwohl ihre Theorie, dass ihr Mandant zur Tatzeit ein Video auf Youtube auf seinem Handy angeschaut haben soll, von einem LKA-Beamten entkräftet werden kann, will Rick nun auch noch Google-Daten auswerten lassen. All das dauert, da man auf die Kooperation des Konzerns angewiesen ist. Zumal drei Nutzerkonten infrage kommen, wovon bei einem gar nicht klar ist, wer dieser Nutzer ist.

Prozess im Mordfall Hanna: Viele Beweisanträge, wenig Ergebnisse

Dann fordert Rick, man solle einem angeblichen Todesfall nachgehen, bei dem ein Mann im Bärbach gestorben sei. Und ein Radiologe solle sich noch einmal die bereits ausgiebig von Gerichtsmedizinern analysierten Verletzungen von Hanna ansehen.

Vier Zeugen, die in der Mordnacht den Eiskeller besucht hatten, werden ohne Ergebnis befragt. Wohin Rick mit ihrer Befragung will, ist unklar. Aus Sicht von Walter Holderle, Anwalt von Hannas Eltern, die als Nebenkläger auftreten, handelt es sich bei Ricks Vorstößen um "Kaffeesatzleserei". Holderle verweist auf den Angeklagten, der sagen könnte, was in der Tatnacht geschehen ist. Für Hannas Eltern sei das alles eine Belastung.

Richterin Aßbichler gegen Verteidigerin Regina Rick: "Zickenkrieg" vor Gericht

Aßbichler geht souverän mit Ricks Einwänden und Fragen um, macht der Verteidigerin aber auch klar, dass sie dies nicht ewig ausweiten könne. An einer Stelle droht Rick, "auch noch 15 Beweisanträge" zu stellen. Staatsanwalt Fiedler entgegnet, "Jetzt kriegen wir alle Angst". "Ich wusste nicht, dass das so ein Zickenkrieg ist", sagt ein Prozess-Besucher in der Pause am Kaffeeautomaten.

Ob der Angeklagte angesichts der Entwicklungen in den letzten Prozesstagen Angst kriegt, sieht man ihm nicht an. Wie die Polizisten beschrieben haben, zeigt er auch im Gericht seit Prozessbeginn keinerlei Mimik oder Regung.

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  • am 25.01.2024 20:00 Uhr / Bewertung:

    Hoffentlich wird das Monster für immer weggesperrt.

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