Flugtaxi-Pleite: Was sie jetzt für Konsequenzen für München hat
An Heiligabend hat es die vermeintlich erlösende Nachricht gegeben: Investoren wollen Geld in den in Gauting ansässigen Flugtaxi-Hersteller Lilium stecken, das Unternehmen so aus der Insolvenz befreien. Ein Rettungsdeal in Höhe von über 200 Millionen Euro steht im Raum. Doch trotz mehrfacher Zusagen floss kein Geld. Im Februar ging Lilium schließlich erneut pleite.
Die Mitarbeiter, die seit Januar kein Gehalt mehr erhalten haben, müssten sich darauf einstellen, dass keine Aufsicht auf Insolvenzgeld bestehe, wie die für die Insolvenzverwaltung zuständigen Rechtsanwälte Anchor mitteilen.
Volocopter-Pleite: Betroffen ist auch der Standort München
Damit ergeht es dem Flugtaxi-Hersteller ähnlich wie dem schwäbischen Konkurrenten Volocopter, der ebenfalls insolvent ist und einen Entwicklungsstandort in München hat. Volocopter bestätigt auf Nachfrage der AZ, dass in einer Beschäftigtenversammlung am vergangenen Montag die über 500 Mitarbeiter informiert worden seien, dass sie freigestellt würden – das betrifft auch den Standort in München, dessen Büros im Januar abgebaut worden waren.

"Nichtsdestotrotz sucht die Firma nach einer Lösung und Gespräche finden statt", heißt es weiter. Auch Lilium bemüht sich nach wie vor darum, die ursprünglich zugesagten Gelder zu erhalten, wie Insolvenzverwalter Anchor auf Nachfrage der AZ bestätigt.
Weltweit wurde dem Lufttaxi-Markt in einer Analyse von Mordor Intelligence im Jahr 2023 eine jährliche Wachstumsrate von 17 Prozent vorhergesagt. Und auch der Verband Unbemannte Luftfahrt (VUL) teilte im selben Jahr mit, dass Deutschland der größte Flugtaximarkt Europas sei.
Ein herber Rückschlag für die Luftfahrt-Start-ups
Dass nun die zwei bekanntesten Flugtaxi-Entwickler Deutschlands ums Überleben kämpfen, ist ein herber Rückschlag für die Luftfahrt-Start-ups. Zumindest für Volocopter gibt es Medienberichten zufolge Hoffnung:
Der österreichische Flugzeughersteller Diamond Aircraft soll das Unternehmen für eine unbekannte Summe übernehmen. Wie die Geschichte um Lilium lehrt: Verlass ist darauf nicht.
Kommerzialisierung wird ständig nach hinten verschoben
Warum tun sich diese Unternehmen so schwer, finanziell zu überleben? Zum einen brauchen sie enorm viel Geld. Laut dem Jahresabschluss von Volocopter 2023 lag das Unternehmen mit knapp 150 Millionen Euro im Minus. Bei Lilium waren es etwa 390 Millionen Euro.
Zum anderen nehmen sie auch kein Geld ein. Die Kommerzialisierung ist nach wie vor ein uneingelöstes Versprechen am Horizont. Der Startpunkt wurde mehrmals nach hinten verschoben. Bei Lilium hat noch nicht einmal ein bemannter Erstflug stattgefunden. Das macht Investoren laut Medienberichten zunehmend skeptisch. Das ist womöglich auch der Grund, warum die zugesagten Gelder für Lilium nie geflossen sind.
Was zusätzlich eine Rolle spielt: Die Zulassung in Deutschland geht nur schleppend voran. Erst für 2026 plant das Bundesverkehrsministerium, erste Teststrecken für Lufttaxis einzurichten.
Branche hatte auf staatliche Hilfe gesetzt: "Geld kauft Zeit"
Weil Lufttaxis sich noch nicht als Geschäft rechnen, hatte die Branche auf staatliche Unterstützung gehofft. "Geld kauft Zeit", sagte eine Unternehmenssprecherin der AZ im November. Auch Volocopter-Mitgründer Alexander Zosel hatte sich damals dazu geäußert und der AZ gesagt:
"In den USA und China geht irrsinnig viel Geld in die Projekte, in Europa oder Deutschland bekommen wir gar nichts." Bei Volocopter verweigerte Bayern die Hilfe, bei Lilium war es der Bund. Die Start-ups hatten auf jeweils 100 Millionen Euro gehofft, die sich Bayern und der Bund geteilt hätten.
Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) will sich zu den beiden Unternehmen konkret nicht äußern, teilt aber allgemein mit: "Gerade im kostenintensiven Bereich der Luft- und Raumfahrt ist in der Tat oft eine staatliche Unterstützung, etwa durch Bürgschaften oder Forschungsförderung, als Anschub notwendig."
Der Markt ist zu unberechenbar
In jedem Fall sei jedoch eine genaue Risikoabwägung vorzunehmen – gerade weil Steuergeld auf dem Spiel stehe, sollte das Vorhaben scheitern. Das Bayerische Wirtschaftsministerium teilt der AZ dazu mit, dass die staatliche Unterstützung hochinnovativer Start-ups in jedem Einzelfall sehr komplex sei.
"Das gilt ganz besonders bei Unternehmen, die die Entwicklung ihrer innovativen Produkte noch nicht abgeschlossen haben." Dadurch, dass es sich um einen neu entstehenden Markt handele, hinge die Entwicklung von vielen nicht abschließend bekannten Faktoren ab.

Im Klartext heißt das: Das Produkt ist zu unausgegoren, der Markt zu unberechenbar. Aus der Insolvenz der beiden Unternehmen lassen sich dem Ministerium zufolge deshalb auch keine Rückschlüsse über die Wirtschafts- und Innovationskraft der Region ziehen.
Der Start-up Branche in Bayern geht es wieder besser
Ganz im Gegenteil zeigen Zahlen des Prüfungs- und Beratungsunternehmens EY, dass es der Start-up-Branche in Bayern wieder besser geht. Die Investitionssumme ist demnach im Vergleich zu 2023 um 17 Prozent gestiegen - Bayern ist damit deutscher Spitzenreiter und hat Berlin überholt.
Auch die vbw ist der Meinung, dass Bayern "hervorragende Voraussetzungen für innovative Projekte und neue Unternehmen" bietet. Nichtsdestotrotz müssen sich die Rahmenbedingungen ändern: "Damit aus bayerischer Spitzenforschung auch am Markt erfolgreiche Innovationen werden, muss das Produzieren am Standort wieder attraktiver werden."
Das heißt konkret: geringere Kosten und weniger Bürokratie. Davon hätten auch Lilium und Volocopter profitiert.
- Themen: