Extrembergsteiger Thomas Huber: Zum Gipfel geschrieben

Extrembergsteiger Thomas Huber hat eine Hymne auf die Freiheit verfasst. Er sagt heute: "Meine Ziele passen sich dem Alter an."
Kilian Pfeiffer |
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Thomas Huber mit Hund Cerro, benannt nach dem südamerikanischen Cerro-Torre-Massiv.
Thomas Huber mit Hund Cerro, benannt nach dem südamerikanischen Cerro-Torre-Massiv. © Kilian Pfeiffer

Berchtesgaden - Höhen und Tiefen und die Gefahr des Scheiterns erlebte der Berchtesgadener Extrembergsteiger Thomas Huber nicht nur am Berg, sondern auch beim Schreiben seiner Autobiografie.

Trotz einer "Fünf" in Deutsch und "legasthenischer Veranlagung" hat er sein "wildes Leben" in ein Buch gepackt. Bei einem Besuch daheim in der Oberau bei Berchtesgaden scheint der 56-jährige Grenzgänger aber noch nicht ganz am Gipfel angekommen zu sein.

Thomas Hubers Biografie: "Eine echte Bergtour"

In Thomas Hubers persönlichem Reich neben dem Boulderraum liegt vor der Couch ein Stapel DIN-A3-Papier. Mit Edding hat er sich darauf Notizen gemacht. Jahreszahlen stehen dort, Wegmarken, Ereignisse, die Einzug ins Buch finden sollten. Die Gedankenstützen haben ihn während des Schreibprozesses begleitet. Zweieinhalb Jahre saß er dran, mit Pausen und Schreibblockaden, wie er sagt. Sein Leben auf Papier zu bringen, "ganz ohne Ghostwriter", das sei "eine echte Bergtour" gewesen, sagt der gebürtige Pallinger: Ein glatter Durchmarsch sieht für ihn normalerweise anders aus.

"In den Bergen ist Freiheit" heißt die Autobiografie des Mittfünfzigers. Freiheit ist ein großes Wort, positiv konnotiert, trotzdem wenig greifbar und je nach Perspektive anders zu beurteilen. Für Huber findet die Erfüllung des Lebens im senkrechten Gelände statt: "Das ist für mich Freiheit", sagt er.

Tagebücher helfen: Huber hat auf seinen Reisen konsequent geschrieben

Am Berg feierte er Erfolge, erlangte Bekanntheit, verdiente viel Geld. Und jetzt, mit 56 Jahren, da sei es Zeit, auf die Momente und das Leben im Allgemeinen zurückzublicken. Auf eine schöne Jugend, auf Rekorde, auf tragische Ereignisse, bei denen Freunde ihr Leben verloren.

Wären da nicht die ganzen Tagebücher, die Huber bei seinen Expeditionen geführt hätte, wäre das Buch wohl ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Der Stapel Tagebücher ist eine Sammlung von Tagesabläufen, von Anekdoten und einschneidenden Ereignissen. Er hat konsequent geschrieben, auf all seinen Reisen. Patagonien, Indien, Antarktis. Nur aus der Jugendzeit gibt es keine Aufzeichnungen.

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"Die Erinnerungen aufzurufen, war ein Prozess des Wiederfindens", sagt der Berchtesgadener, während Jagdhund Cerro vor ihm hockt. Der Bayerische Gebirgsschweißhund begleitet Huber seit mehr als zwei Jahren. Er ist das jüngste Familienmitglied und seitdem steter Gefährte. Wenn es nicht gerade steil die Felswand rauf geht, ist er mit am Start. "Selbst beim Schreiben war er immer dabei", sagt Huber.

Thomas Huber erinnert sich: "Da war mein Leben fast vorbei"

Die Idee zum Buch ist 2016 geboren. Da verunglückte Huber schwer, "fast vor der Haustür". Am Brendelberg war er bei einem Abseilmanöver kurz nicht gesichert und stürzte 16 Meter in die Tiefe: Er hatte eine Schädelfraktur, musste operiert werden.

"Da war mein Leben fast vorbei", sagt der Berchtesgadener. Viele Wegbegleiter hat Huber im Laufe seiner alpinen Karriere verloren. Bilder seiner verunglückten Bergfreunde zieren die hölzerne Rückwand des Sofas. Das Buch sei auch ihnen gewidmet, sagt Thomas Huber. Ein großer Leser sei er nicht, gesteht er. Mit dem Schreiben ging es ihm zunächst ähnlich.

Am Ende hatte er 100 Seiten zu viel geschrieben

Als im vergangenen Mai der Verlag, in dem der Huberbua veröffentlicht, auf den Abgabetermin aufmerksam machte, da hatte Huber erst 50 Prozent in den Laptop getippt. Mit dem Ziel vor Augen kam das Durchhaltevermögen: Jeden Tag saß er an seinem Computer, die Tagebücher daneben, die Notizen auf dem A3-Papier.

Eine Bandbreite an Erlebnissen wollte er noch unterbringen, beginnend mit der Zeit, als er die Berge für sich entdeckte, über den "Rock'n Roll in meinem Leben" und die weltweiten Expeditionen. "Es war gefährlich, mich nicht im Buch zu verlieren", sagt er. Als er nach Monaten den letzten Punkt machte, "war das wie das Erreichen des Gipfels", sagt er.

"In den Bergen ist Freiheit"
"In den Bergen ist Freiheit" © Malik

100 Seiten hatte er am Ende zu viel geschrieben. Das Lektorat bügelte einige Stellen glatt. "Ich hab' es mir aber nicht nehmen lassen, dass die Dialoge so drin bleiben, wie sie tatsächlich geführt wurden - auf Englisch oder Bairisch." Im kommenden Jahr wird er auf Lese-Reise gehen.

Ist er mittlerweile eigentlich zu alt zum Klettern? "So lange man Träume hat, ist man nicht zu alt", sagt er. Im Februar zieht es ihn wieder nach Patagonien. "Meine künftigen Ziele verlagern sich und passen sich an." Sein Vorbild sei sein Vater, sagt Huber. 83 Jahre ist der alt - und weiterhin munter in den Bergen unterwegs. Für Huber wäre es eine gewisse Form der Freiheit, wenn ihm das in diesem Alter auch noch möglich wäre.


"In den Bergen ist Freiheit" (368 Seiten, 25 Euro) ist bei Malik erschienen.

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