Droht Bayern eine Plage? Freie Wähler wollen Schutzstatus der Saatkrähe absenken
München - Konflikte zwischen Zivilisation und heimischer Fauna sind keine Seltenheit, oftmals ist eine gerechte Abwägung schwierig. Den Kampf um Lebensraum führen auch die Saatkrähen - zum Unmut der Freien Wähler. Die sehen die Tiere und vor allem ihre scharfen Schnäbel als Gefahr für Bayerns Agrarflächen - und wollen ihren Schutzstatus absenken. Vor kurzem brachten sie dazu einen Antrag in den Bayerischen Landtag ein, der im Umweltausschuss diskutiert wurde.
Freie Wähler: Saatkrähen sollen auf die Liste der jagdbaren Arten
Hans Friedl, Mitglied der Freien Wähler und im Umweltausschuss, hat den Antrag initiiert. Der durch Saatkrähen verursachte Schaden sei "explodiert", sagt Friedl der AZ. Nachdem die Vögel keine natürlichen Feinde haben, könnten sie sich unbegrenzt vermehren. Daher müsse der Schutzstatus überdacht werden.
Das Ziel, so Friedl: die Saatkrähen auf die Liste der jagdbaren Arten zu setzen. Die Tiere dürften dann im Zweifel legal getötet werden. Vor allem Landwirte und Biobetriebe hätten massive Ernteverluste beklagt. Die Vögel hätten nicht nur die Keimlinge aus den Feldern "rausgehackt" - sondern auch die Augen neugeborener Lämmer, will Friedl von einem Landwirt erfahren haben.
Friedl: "Wir wollen die Saatkrähen nicht ausrotten. Wir hoffen nur auf ein verträgliches Maß"
Saatkrähen sind dem Politiker zufolge aber auch in Städten ein Problem. Hier machten sich die Vögel über Mülleimer und Fensterverklebungen her. Menschen in Wohnsiedlungen beklagten sich über den Lärm, der so laut sei, "dass sie nachts nicht mehr schlafen können", sagt Friedl. Wenn die Krähen-Population zurückgeht, so die Hoffnung der Freien Wähler, würden sich die Vögel in den Städten keine neuen Brutplätze mehr suchen oder dort auf Nahrungssuche gehen.
Bis 1977 war die Bejagung von Saatkrähen erlaubt, dann wurden die Tiere unter Schutz gestellt
Besonders schlimm sei die Plage in den Regierungsbezirken Oberbayern und Schwaben, sagt Friedl. Allein in Oberbayern geht man von rund 13.000 Brutpaaren aus. "Wir wollen die Saatkrähen nicht ausrotten. Wir hoffen nur auf ein verträgliches Maß."

Das Vordringen der Saatkrähen in die Städte ist nicht ganz neu. Die Entwicklungen der Vergrämung - das bewusste Vertreiben von Wildtieren - in ländlichen Gebieten habe im Laufe der letzten 70 Jahre dazu geführt, dass sich die Krähen in die Städte zurückziehen, schreibt das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) online. Bis 1977 war die Bejagung erlaubt, dann wurden die Tiere unter Schutz gestellt - weil ihre Population stark zurückgegangen war.
Landesamt für Umwelt: Modellprojekt zum Management von Saatkrähen läuft seit 2020
Der Bund Naturschutz will von den Plänen der Freien Wähler nichts wissen. Pressesprecher Felix Hälbich sagt, die Probleme mit den Saatkrähen in Städten seien "menschengemacht".
"Jahrzehntelange Verfolgung und Störungen der Kolonien in Feldgehölzen haben die intelligenten Vögel in die Städte getrieben", so Hälbich. Der Bund Naturschutz (BN) verteidigt den Schutzstatus: "Die Saatkrähen waren früher noch sehr viel häufiger, wurden dann rapide dezimiert und sind erst durch den Schutz dabei, sich wieder zu erholen." Auch BN-Artenschutzexpertin Christine Margraf findet es unpassend, von "Verschmutzung" oder gar einer "Plage" zu sprechen.
Das LfU plädiert für eine Analyse der entstandenen Schäden, um gezielt Landwirte in ihren Bewirtschaftungsmöglichkeiten zu beraten. Gleichzeitig soll via Bewegungsmustern untersucht werden, wo sich die Vögel genau aufhalten. Das LfU hat dazu bereits 2020 ein Modellprojekt zum Management von Saatkrähen gestartet. Im vergangenen Jahr, so schreibt das LfU, hätten die Schäden durch Saatkrähen im Vergleich zum Vorjahr abgenommen.
Zudem, teilt die Regierung von Oberbayern mit, seien die Krähen-Schäden kein flächendeckendes, sondern ein punktuelles Problem. Mögliche Maßnahmen seien "in jedem Einzelfall vor Ort abzustimmen", sagt Sprecher Wolfgang Rupp der AZ.