Tierheime am Limit: So ist die Lage in München
München - Katzen oder Hunde, die während der Pandemie angeschafft wurden – und für die nun keine Zeit mehr ist, gestiegene Lebenshaltungs- sowie Energiekosten, eine neue Gebührenordnung, die Tierarztrechnungen in die Höhe schnellen lässt: Über Deutschlands Tierheime rollt aktuell eine regelrechte Abgabe-Welle, die viele an ihre Grenzen bringt.
"Oft verlassen sich Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit wie selbstverständlich darauf, dass Tierheime Anlaufstellen für Tiere und Tierhalter in Not sind. Das aber kann angesichts der prekären Lage vielerorts kaum noch gewährleistet werden", schlägt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. anlässlich des Welttierschutztages am Dienstag Alarm.
981 Tiere im Münchner Tierheim
Beispiel München: Im hiesigen Tierheim sind aktuell 981 Viecherl untergebracht. Mindestens ein Drittel seien "Corona- oder Inflationstiere", sagt Sprecherin Kristina Berchtold. "Wir bekommen jede Woche mehr Abgabeanfragen für Tiere rein, als wir unterbringen können", erzählt sie. In allen Abteilungen gebe es Wartelisten. "Im Hundebereich zum Beispiel befinden sich mittlerweile 70 Wartende auf dieser Liste. Bis ein Platz frei wird, vergehen in der Regel mehrere Wochen."
Was die Situation zusätzlich verschärft: Auch bei Tierpflegern herrscht zunehmend ein Fachkräftemangel. Dabei wären die Experten jetzt nötiger denn je: Viele Hunde, die in der Coronazeit angeschafft wurden, sind verhaltensauffällig, weil sie als Welpen aus tierschutzwidrigen Zuchten illegal nach Deutschland geschmuggelt wurden. Etliche Halter fühlten sich mit ihnen überfordert - und gaben sie ab.
Katzenflut im Freistaat
Im Freistaat gebe es derzeit vor allem eine Katzenflut, sagt Ilona Wojahn, Präsidentin des Bayerischen Tierschutzbundes. Der Verband fordert deshalb eine bayernweite Katzenschutzverordnung mit Kennzeichnungs- und Kastrationspflicht.
Auch eine einheitliche Regelung für Fundtiere ist nach Ansicht der Tierschützer dringend notwendig. Überfällig sei insbesondere eine kostendeckende Finanzierung dieser Dienstleistung durch Städte und Gemeinden, da die Tierheime damit eine kommunale Pflichtaufgabe übernähmen. Hinzu kämen immense Belastungen durch den seit Oktober geltenden Mindestlohn.
Eine weitere besorgniserregende Entwicklung zeichnet sich bereits ab: Tierschutzbund-Sprecherin Hester Pommerening rechnet damit, dass bald vermehrt Reptilien abgegeben werden, weil deren artgerechte Unterbringung besonders kostenintensiv ist. "Um die klimatischen Ansprüche für die Haltung solcher Tierarten simulieren zu können, sind verschiedenste technische Hilfsmittel erforderlich", sagt Pommerening. Dafür sei überwiegend ein hoher bis sehr hoher Energiebedarf etwa für UV-Licht nötig.
"Man kann die Tiere ja nicht stapeln"
"Als Tierschützer möchte man natürlich kein Tier abweisen. Leider aber kommen auch Tierheime an ihre Grenzen. Man kann die Tiere ja nicht stapeln." Auch Exoten müssten artgerecht untergebracht und versorgt werden, gibt die Sprecherin zu bedenken. Nicht alle Einrichtungen hätten zum Beispiel Terrarien sowie personelle Kapazitäten für Reptilien.
Tierschutzbund-Präsident Thomas Schröder befürchtet, dass sich die Lage in den nächsten Monaten weiter zuspitzt: "Es ist zu befürchten, dass viele Tierheime den Winter nicht überstehen. Bund, Länder und Kommunen müssen gemeinsam helfen." Kurzfristig müsse ein Rettungspaket geschnürt werden, zumal die aktuelle Lage einen Spendeneinbruch wahrscheinlich mache. "Obwohl die Tierheime Leistungen im Auftrag der öffentlichen Hand wie die Betreuung von Fundtieren oder beschlagnahmten Tieren übernehmen, haben die politisch Verantwortlichen sie über Jahrzehnte im Stich gelassen."
Zudem habe es der Gesetzgeber versäumt, Tiere besser zu schützen und so die Tierheime zu entlasten - mit klaren Regeln für Zucht, Haltung und Handel, einem Verbot des Onlinehandels und einem Sachkundenachweis fürs Halten exotischer Tiere.
Der Tierschutz steht seit 1998 als Staatsziel in der Bayerischen Verfassung und seit 2002 als solches im Grundgesetz.