"Beste und erfolgreichste Saison": Wie eine Gemeinde sich für Skigebiet "Thaler Höhe" einsetzt

Alle für die Gemeinschaft: An die 50 Menschen helfen mit, um den Bürgerlift in Missen-Wilhams im Oberallgäu zu erhalten.
Andreas Haslauer |
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Ehepaar Katrin und Michael Elfert.
Ehepaar Katrin und Michael Elfert. © Privat

Missen-Wilhams - Es gibt Orte, da halten die Menschen noch zusammen. So wie in der Gemeinde Missen-Wilhams im Oberallgäu. Gemeinsam setzen sie sich dort Tag und Nacht 40 Menschen für das Skigebiet "Thaler Höhe" ein. Jeder, der kann, hilft.

Das geht von Kindern bis hin zur Annemarie, die schon über 80 Jahre alt ist. Sie helfen beim Lift, an der Fritteuse, auf dem Parkplatz. Der genossenschaftliche Bürgerlift in Missen-Wilhams ist ein Paradebeispiel dafür, wie Miteinander funktioniert.

Das Motto der Kurdirektorin Katrin Elfert: Machen sei wie wollen, nur krasser. Deswegen streift die Tourismuschefin von Missen-Wilhams Punkt 12 Uhr am Mittag ihre Trachtenjacke ab, fährt Direttissima steile Serpentinen zur Thaler Höhe auf 1167 Metern hoch.

Skigebiet "Thaler Höhe": 100 Portionen Pommes, 50 Gulaschsuppen

Zeit zum Mittagessen hat sie keine. Oft steht sie 15 Minuten nach Dienstschluss im Liftstüble in der Küche. Sie "schüttelt", so schreibt sie es auch auf Instagram, die Pommes, schmeckt die Currysauce ab, schöpft Gulaschsuppe aus, backt Apfelstrudel. "An guten Tagen", rechnet die 47-Jährige vor, gehen rund 120 bis 130 Portionen ihrer Currywurst über die Ladentheke.

Katrin und Michael Elfert bereiten Speisen für die Skifahrer zu. An guten Tagen gehen laut des Ehepaares rund 120 bis 130 Portionen Currywurst über die Theke.
Katrin und Michael Elfert bereiten Speisen für die Skifahrer zu. An guten Tagen gehen laut des Ehepaares rund 120 bis 130 Portionen Currywurst über die Theke. © Privat

Dazu: 100 Portionen Pommes, 50 Gulaschsuppen, 40 Apfelstrudel. Ebenso Dutzende Portionen Spaghetti Bolognese und Wiener Würstl. "Im Winter gibt es bei uns fast keinen Tag, an dem hier kein Vollalarm herrscht."

Der Vollgas-Antrieb liegt der Gastro-Frau. Genauso wie ihrem Mann Michael Elfert, der nun drei Jahre lang als Vorstand des Skigebiets "Thaler Höhe" die Geschicke des Unternehmens leitete. Mit Erfolg.

Gemeinde hat 1400 Einwohner 

In der Ski-Saison 2021/22 verzeichnete Michael ein Umsatzplus auf mehr als 300.000 Euro – eine Verdopplung gegenüber 2018/19. Die letztjährige Saison war wegen des warmen Wetters – wie in den ganzen Alpen – kein großer Erfolg, es war eine Katastrophe.

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Nach dem Schneefall Ende November hoffen sie nun im ganzen Ort, dass 2024/25 wieder ein guter Winter wird. Einer, bei dem wieder mehr als 50.000 Skifahrer zur Thaler Höhe kommen. So wie 2021/22. "Das war die mit Abstand beste und erfolgreichste Skisaison seit der Gründung des Liftes 1967", erinnert sich Michael.

Seine Frau erklärt: "Wir sind in Missen-Wilhams ein bisschen wie das gallische Dorf bei Asterix und Obelix." Die Gemeinde habe gerade mal 1400 Einwohner, sagt die ehemalige Hotel-Leiterin von Münchens erstem Bio-Hotel, dem "Alten Wirt"  in Grünwald.

Dem gegenüber stünde die Anzahl der jährlichen Übernachtungszahlen von mehr als 110.000. So eine Quote, so die selbstbewusste Tourismuschefin, gebe es sonst im Allgäu nicht. Die Touristen kommen wie in St. Anton am Arlberg und St. Moritz nur in den Ferien, Einheimische hingegen am Vormittag.

Elfert ist Wahl-Allgäuer

Dass es heute noch so ist, verdanken die Allgäu-Kids Michael Elfert und seinen Vorgängern. Als 2018 die Schließung der vier Skilifte drohte, taten sich Privatpersonen, Unternehmen und Kommunen zusammen, um dies durch die Gründung der "Thaler Höhe eG" (eingetragene Genossenschaft) zu verhindern.

Für die Umsetzung der Aufgaben fiel die Entscheidung auf die genossenschaftliche Form, da diese die Möglichkeit biete, einerseits viele am Erfolg zu beteiligen, andererseits Verantwortung für sich und die Region zu übernehmen und Herausforderungen in Gemeinschaft zu meistern, so Michael Elfert.

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"Ich bin zwar hier nicht geboren", sagt der gebürtige Thüringer. Dennoch sehe er es als seine oberste Pflicht als Wahl-Allgäuer an, die "Heimat mit all der Tradition so wie einst zu erhalten und die heile Welt, in der wir hier alle glücklich leben, zu sichern."

Fast vier Dutzend Menschen arbeiten für "Thaler Höhe"

Völlig uneigennützig ging der 58-Jährige an seine Grenzen. Und auch darüber hinaus. Nun war es jedoch zu viel, weswegen er seine Aufgaben auf das ganze Team verteilte und sich aus dem operativen Tagesgeschäft zurückzog.

Am Motto hat sich jedoch nichts geändert: "Mir mitanand!" Da gibt es Bernhard, den alle nur Berndi nennen. Der 59-Jährige sitzt in seiner Freizeit im Pistenbully, tüftelt an der Beschneiungsanlage oder lötet in der Werkstatt irgendetwas zusammen. Keiner weiß eigentlich genau, was er da immer macht. Das Einzige, was sie wissen, ist, dass danach alles wieder funktioniert.

Skifahren gehört in Missen-Wilhams im Oberallgäu einfach dazu ‒ und alle wollen es erhalten.
Skifahren gehört in Missen-Wilhams im Oberallgäu einfach dazu ‒ und alle wollen es erhalten. © Privat

Genauso ist es bei Christian Schugg, der für den technischen Part verantwortlich ist. Ist das Kassensystem mal kaputt? Der Mechatroniker macht das schon.

Unterm Strich arbeiten für die "Thaler Höhe" fast vier Dutzend Menschen. Etwa 15 Liftboys (und Girls) sowie ein Dutzend Frauen im Stüble.

Darunter Christiane, die Mitarbeiterin der Volksbank. Ulli, die Friseurin, die in Missen färbt und föhnt. So wie Maria, die Vermieterin mit eigenem Bauernhof. Sie alle haben ganz normale Jobs. Für sie ist es eine Selbstverständlichkeit, mitzuhelfen, wenn sie gebraucht werden. Eben: Alle für einen (Lift)!

Das Familiäre, das Gesellige steht über allem 

Unentgeltlich machen das die Menschen jedoch nicht. 12,50 Euro bekommen sie pro Stunde. Davon profitieren deren Familienmitglieder: Alle dürfen umsonst die vier Lifte benutzen. Also den 1250 Meter langen Lift I, Lift II (600 Meter) sowie die Übungslifte "Muli" und "Happy Schleppi", einmal 240 Meter und einmal 60 Meter lang.

Nur zuschauen können auch die Sontheims nicht, die seit Jahrzehnten am Lift mitwerkeln. Annemarie, mittlerweile 82 Jahre, steht genauso wie ihr Mann Hans und Enkelsohn Tobias mit knallgelber Warnweste auf dem Parkplatz und weist die Gäste aus ganz Deutschland ein.

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Aus ganz Deutschland kommen auch die Anteilseigner der Genossenschaft "Thaler Höhe". Mittlerweile haben sie 270 Genossen für 400 Gesellschaftsanteile à 1000 Euro gewinnen können. Aktuell gehören zur Genossenschaft die Kommune, sechs Sportvereine, fast ein Dutzend Unternehmen sowie rund 20 Familien, die seit Jahren in der "Heile Welt"-Region urlauben. Für jede Beteiligung stehen jedem Genossen fünf Tagestickets à 26 Euro zur Verfügung.

Zwei Pistenbullys und fünf Schneekanonen

Allein in den vergangenen Jahren mussten die genossenschaftlichen Betreiber kräftig die Taschen aufmachen. 50.000 Euro überwiesen sie für einen gebrauchten Pistenbully, 20.000 Euro kostete eine Schneekanone, 10.000 Euro eine Schneelanze. Insgesamt verfügt das Skigebiet nun über zwei Pistenbullys und fünf Schneekanonen.

Auf Skigebiete wie das Nebelhorn sind sie nicht neidisch. Für die Genossen steht das Familiäre, das Gesellige über allem.

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  • am 02.12.2024 15:51 Uhr / Bewertung:

    Was soll der ganze Schnee dort? Leugnen die etwa den menschengemachten Klimawandel?

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