"Wetten, dass?": Warum es vorbei ist

Tiefgefrorene Achtziger - ein Dinosaurier hat seinen Gnadenschuss bekommen: Warum „Wetten, dass“ heute nicht mehr funktioniert
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Aufräumarbeiten: Reinigungskräfte putzen nach Sendeschluss das Wetten-Dass-Studio.
Aufräumarbeiten: Reinigungskräfte putzen nach Sendeschluss das Wetten-Dass-Studio.

Tiefgefrorene Achtziger - ein Dinosaurier hat seinen Gnadenschuss bekommen: Warum „Wetten, dass“ heute nicht mehr funktioniert

Mainz - Das Ende der traditionsreichsten deutschen Fernsehshow wurde in einem Nebensatz verkündet. „Wir gehen jetzt in die Sommerpause und sehen uns am 4. Oktober wieder mit den letzten drei Ausgaben“, sagte Markus Lanz in den Abspann hinein. Das war’s: kurze, knappe Worte für den fälligen Abschied von „Wetten, dass?“.

Wenige Sekunden zuvor hatte Lanz die Zuschauer noch dazu aufgerufen, sich als Wettkandidat zu bewerben. Das wird kaum nötig sein. Die letzte Ausgabe soll am 6. Dezember in Nürnberg produziert werden. Die Rechte an der Marke will das ZDF behalten und gegebenenfalls wieder aktivieren. An der aktuellen Quote lag’s kaum: 6,84 Millionen Zuschauer (23,1 Prozent Marktanteil) schalteten am Samstag ein – eine Million mehr als bei der Februar-Sendung, die mit 5,85 Millionen Zuschauern den historischen Tiefpunkt in mehr als drei Jahrzehnten markiert hatte.

Lesen Sie hier: Markus Lanz: Lange gekämpft – und doch verloren

Tagesgespräch, wie in den Achzigern und Neunzigern, war die Show schon lange nicht mehr. Damals redeten die Leute noch auf dem Pausenhof oder in den Kantinen über die Wetten. Im Bestseller „Generation Golf“ erinnert sich Florian Illies an seine Kindheit, als er im Kapuzenbademantel „Wetten, dass?“ habe gucken dürfen: „Niemals wieder hatte man in späteren Jahren solch ein sicheres Gefühl, zu einem bestimmten Zeitpunkt genau das Richtige zu tun.“

Heutige Jugendliche suchen Unterhaltung im Internet. Ambitionierte Zuschauer sehen US-Serien und reden darüber mit Freunden. Trotzdem: Es brennt noch immer, das vielbeschworene Lagerfeuer der Deutschen, wenn auch auf kleinerer Flamme: beim Sonntags-„Tatort“ im Ersten, über den im wirklichen Leben und online heftig diskutiert wird. Die ARD-Reihe ist mit der Zeit gegangen. In diesem Format herrscht Vielfalt: Es gibt Komödien, klassische Krimis, Sozialdramen, Action. Die Spannweite reicht von Jan-Josef Liefers über Joachim Król bis zu Til Schweiger. Der „Tatort“ ist lebendig, weil sich das Format entwickelt hat.

Lesen Sie hier: "Wetten, dass..?" am Ende: "Ist uns nicht leicht gefallen"

„Wetten, dass?“ dagegen blieb in den Neunzigern stehen. Ranzige Hollywood-Stars machen Schleichwerbung für ihre Filme, deutsche Fernsehgrößen kündigen den ZDF-Montagsfilm an.

Schon vor zwanzig Jahren gingen während der Plapper-Interviews von Thomas Gottschalk selbst härtere Fans lieber ein Bier holen. Und die Einsätze der prominenten Wettpaten waren, um die Stars zu nicht zu vergraulen, immer ohne Risiko.

Lesen Sie hier: Aus für "Wetten, dass...?": So reagiert das Netz

Zu teuer wurde die Sendung auch: Für das ZDF, so Intendant Thomas Bellut jüngst im „Handelsblatt“, rechnet sich so eine Show nicht mehr. Sie kostet bis zu 2,5 Millionen Euro pro Ausstrahlung. Ein eher billiger Krimi wie „Helen Dorn“ erreichte locker acht Millionen Zuschauer. Die hatte Bellut als Vorgabe für Lanz ausgegeben, als dieser „Wetten, dass?" übernahm.

Lanz nannte die Show „feine Familienunterhaltung“ ohne „Zynismus“ und „Sarkasmus“. Das zielt in fast rührender Weise auf das „Dschungelcamp“. Aber die Familien versammeln sich nicht mehr am Samstag frisch gebadet um den Fernseher. Das mag manches über den Zustand unserer Gesellschaft aussagen, aber es lässt sich nicht einfach ignorieren, indem man als Fernsehmacher die Augen verschließt. Zuletzt war „Wetten, dass?“ nur noch eine Sendung, über die man parallel zur Ausstrahlung live in Netzwerken wie „Twitter“ oder „Facebook“ lästern konnte. Deshalb war das Ende überfällig.

 

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