Von Maren I., Langeweile und Lokomotiven
Coolangatta/Berlin - Sie hat die ärgsten Widrigkeiten des Dschungels in Angriff genommen: Schafhoden, Schlangengrube und Walter Freiwald. Dafür haben die Zuschauer Maren Gilzer zur Dschungelkönigin 2015 gekrönt. Einst Buchstabenfee beim "Glücksrad", dann als Schwester Yvonne in der Arzt-Serie "In aller Freundschaft" schwankte Maren in der neunten Staffel von Ich bin ein Star - Holt mich hier raus! zwischen Camp-Mutti und großem Mädchen mit Zöpfchen links, Zöpfchen rechts. Nachdem sie in der Nacht zum Sonntag den Thron bestiegen hatte, bedankte sie sich erstmal für die harmonische Gruppe - deren Bilanz sich für RTL aus zwei Perspektiven lesen lässt.
Nach den blanken Zahlen ist die Reichweite eingebrochen: Knapp 6,8 Millionen Menschen schauten durchschnittlich zu. Damit ist Staffel 9 nur die fünftbeste. Kein Vergleich zur erfolgreichsten Ausgabe im vergangenen Jahr, als im Schnitt fast acht Millionen einschalteten.
Der Kölner Privatsender meint: Kein anderes Show-Format versammele über zwei Wochen konstant so viele Zuschauer vor dem Fernseher. Und das ist nicht nur die Sicht der Verantwortlichen: Die Experten der Mediaagentur MediaCom, die für die werbetreibende Industrie die Zuschauerresonanzen analysiert, zählten während der gut zwei Wochen 691 555 Tweets und Facebook-Kommentare, in denen die Zuschauer in Sozialen Medien über die Sendung sprachen - so viel wie nie zuvor.
"Sie funktioniert noch, die Lokomotive TV", sagt MediaCom-Chef Oliver Blecken. Fernsehen treibe nicht nur Diskussionen in den Büros oder Kantinen an. "Fernsehen schafft es auch für mehr als zwei Wochen die Trending Topics der Social-Media-Plattformen zu dominieren."
Doch da war auch die Diskussion um Langeweile: So friedvoll sich das Trio aus Regentin Gilzer, dem Zweitplatzierten Jörn Schlönvoigt (28, "Gute Zeiten, schlechte Zeiten") und Tanja Tischewitsch (25, "Deutschland sucht den Superstar") auf Platz drei am letzten Tag im Pritschenlager gab, so unaufgeregt war im Grunde auch die Staffel. Keine Kracher. Selbst den Moderatoren Sonja Zietlow (46) und Daniel Hartwich (36) blieb zwischenzeitlich kein anderer Lästerstoff übrig als das Schlafen und Rumliegen der Camper. Ihr Fazit: "Weniger Boulevard, mehr Feuilleton." Laut MediaCom sprachen Nutzer in 15 756 Tweets und Facebook-Posts von Langeweile.
Eine Ausnahme war nur Teleshopping-Verkäufer Freiwald (60), der die Show bis zu seinem Rauswurf auf Platz sechs mit einem Mix aus Größenwahn und Verhaltensauffälligkeit dominierte. Bundespräsident wolle er werden, erzählte er. Die ZDF-Show "Wetten, dass..?" sei ihm angeboten - was der Sender dementiert. Die Kameras im australischen Urwald nutzte er zur Stellensuche. Zwischendurch zog er über Mitcamper her - oft hinter deren Rücken. Oder taperte mit heruntergelassener Hose aus dem Dschungel-Klo - auf der Suche nach Toilettenpapier. Auf Augenhöhe: nur Maren, die ihm mal mit deutlichen Worten Paroli bot.
Ist der Sendung ihr seit 2004 nahezu unverändertes Format zum Verhängnis geworden? Medienwissenschaftlerin Joan Bleicher sagt, die Kandidaten, auf die es bei der Show ankomme, seien den Erwartungen nicht gerecht geworden. So habe etwa Model Aurelio Savina im Vorfeld sein erotisches Potenzial betont, sich aber in der Sendung sehr passiv gezeigt. "Andere Kandidaten wie etwa Rebecca Siemoneit-Barum sitzen beziehungsweise liegen ihre vertraglich vereinbarte Zeit ab und fungieren so als Einschlafhilfe für die Zuschauer", sagt sie.
Auch die Wiederholung bekannter Spiele habe zum Gesamteindruck der Langeweile beigetragen. "Somit sind erste Abnutzungserscheinungen beim Format offensichtlich", sagt die Hamburger Professorin. Ihr Tipp: RTL sollte künftig pausieren, wenn nicht ausreichend geeignete Kandidaten zur Verfügung stehen. Der Sender allerdings plant schon mal Staffel zehn für das kommende Jahr. Und gerüchteweise wird sogar an einem neuen Ableger im Sommer gearbeitet.
Medien-Psychologe Jo Groebel glaubt angesichts der immer noch hohen Einschaltquote nicht an die Langeweile-Theorie. "Vielleicht ändern sich die Zeiten, dass Menschen vom puren Trash die Nase voll haben." Schon mit TV-Sternchen Melanie Müller im vergangenen Jahr oder Moderator Peer Kusmagk 2011 seien Sympathieträger gewählt worden. Maren zur Königin zu machen, sei in dieser speziellen Staffel "ohne Bitchiness und Kontroverse" die logische Konsequenz gewesen.
Die schwebt nach eigenem Bekunden erstmal auf Wolke 7. Sie habe sich im Dschungel wohlgefühlt: "Ich hätte auch länger drinbleiben können."
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