"Vielleicht": So war der "Tatort" aus Berlin
Berlin - Lange Zeit hatten die Berliner Kommissare Ritter (Dominic Raacke) und Stark (Boris Aljinovic) unter ziemlich durchwachsenen Drehbüchern zu leiden, was ihnen zu Unrecht einen etwas biederen Ruf bescherte. Der eine, Raacke, hat sein "Tatort"-Engagement bereits vor einigen Monaten ziemlich prompt beendet. Am Sonntag verabschiedet sich nun auch Aljinovic in den Krimi-Ruhestand - und das mit einem sehr starken Fall, der einen als Zuschauer nicht nur etwas ratlos und mitgenommen zurücklässt, sondern auch wehmütig daran denken lässt, was mit diesen Schauspielern eigentlich möglich gewesen wäre.
Eine norwegische Studentin meldet sich im Morddezernat bei Kommissar Felix Stark (Boris Aljinovic), um eine seltsame Aussage zu machen. Trude Bruun Thorvaldsen (Lise Risom Olsen) hat einen Mord geträumt: Ein Mann in einer Latzhose tötet eine junge Frau. Stark, der mittlerweile ein neues junges Team leitet, legt ihre Aussage zu den Akten. Zwei Wochen später stirbt die Architekturstudentin Lisa Steiger (Tinka Fürst) - ermordet von einem vermeintlichen Handwerker in Latzhose.
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Stark erinnert sich an die junge Norwegerin, nimmt Kontakt auf und lädt sie aufs Präsidium vor. Er macht sich Vorwürfe, weil er ihre Aussage nicht ernt genommen hat. Vielleicht lässt sich durch ihre Schilderungen aber immerhin der Mörder schnappen. Gemeinsam versuchen Stark und der Polizeipsychologe Robert Meinhardt (Fabian Busch) Trudes Träume zu entschlüsseln. Der Fall beansprucht Starks Nerven, denn Trudes Visionen betreffen schließlich auch ihn.
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Regisseur und Drehbuchautor Klaus Krämer war 2013 in "Machtlos" bereits der führende Kopf hinter einem gelungenen Berliner-"Tatort". Wie damals, so nähert er sich dem Geschehen auch hier zunächst völlig unaufgeregt, ruhig und in aller Knappheit. Kommissar Stark nimmt Aussagen auf, delegiert Aufgaben, handelt kühl und analytisch. Kein zweiter Erzählstrang, kein Privatkram und kein überflüssiger Scherz oder Dialog lenken von der Handlung ab. Dieser fast schon unterkühlten Inszenierung stellt er ein übersinnliches Phänomen gegenüber.
Dabei erinnert "Vielleicht" in erzählerischer Hinsicht an populäre US-Serien: denn die seherischen Fähigkeiten von Trude werden nicht erklärt, es entspannt sich auch keine Analyse, ob so etwas nun möglich oder unmöglich ist - es wird schlicht als Gegeben festgestellt. Der Film schafft seine eigenen Gesetzmäßigkeiten, seine eigene Ordnung und emanzipiert sich dabei von der Beliebigkeit so vieler TV-Krimis. Auf der anderen Seite driftet der Fall auch nie zu sehr in parapsychologische Sphären ab. Ein toller Mix aus Krimi und Mystery.
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"Mir ist das alles zu spooky", formuliert eine von Starks Kolleginnen. Sie dürfte damit auch die Meinung einiger Zuschauer wiedergeben, die beleidigt umschalten werden, weil ihnen der Fall zu übersinnlich ist und nicht alle Fragen bis ins kleinste Detail beantwortet werden. Doch letztendlich ist genau das der Schlüssel zum Erfolg. Einschalten!