So blutig wird der Schweizer "Tatort" am Sonntag

Blut spritzt, Körper fallen, Köpfe zerplatzen: Der "Tatort" meldet sich brutal aus der Sommerpause zurück. Ausgerechnet das hierzulande wenig beliebte Schweizer Kommissaren-Duo leitet die neue Saison ein.
(mih/spot) |
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Schweizer Tatort am Sonntag: Beim Verhör eines Verdächtigen, der auf der Abschussliste des Rächers steht, rastet Reto Flückiger (Stefan Gubser) aus und kann von seinem Chef Eugen Mattmann (Jean-Pierre Cornu) nur mit Mühe zurückgehalten werden
Schweizer Tatort am Sonntag: Beim Verhör eines Verdächtigen, der auf der Abschussliste des Rächers steht, rastet Reto Flückiger (Stefan Gubser) aus und kann von seinem Chef Eugen Mattmann (Jean-Pierre Cornu) nur mit Mühe zurückgehalten werden © ARD Degeto/SRF/Daniel Winkler

Zürich - Ausgerechnet die oft so unterkühlten und beim deutschen Publikum nicht unumstrittenen Schweizer Kommissare Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer) eröffnen nach der Sommer-Pause die Tatort-Saison. Wer sich bisher an den beiden Ermittlern und dem Schwermut der eid­ge­nös­sischen Filme störte, wird bei "Ihr werdet gerichtet" positiv überrascht. Die Zuschauer erwartet ein über weite Strecken flott erzählter, düsterer und brutaler Rache-Thriller mit einem genial-verstörendem Antoine Monot, Jr. als Täter.

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Dem Film zugrunde liegt das sehr einfache Motto: Es gibt keine Gerechtigkeit, außer man sorgt selbst dafür. Aus einem Transporter heraus nimmt ein Schütze zwei junge Männer auf offener Straße ins Visier und drückt ab. Blut spritzt, Körper fallen und die Kamera hält auf die offene Schädelwunde und das freigelegte Gehirn. Später stellt sich heraus: Die beiden Toten haben zu Lebzeiten einen Passanten invalide geprügelt. Wenig später zerplatzt der nächste Kopf. Diesmal erwischt es einen unverbesserlichen Raser. Auf dem Gewissen hat die drei Männer Simon Amstad (Antoine Monot, Jr.). Das weiß man als Zuschauer zu diesem Zeitpunkt bereits.

Die Kamera ist vom ersten Mord an dabei. Man blickt durch das Zielfernrohr und beobachtet, wie der Finger langsam den Abzug zurückdrückt. Wie Amstad nach dem Treffer sein Gewehr zusammenbaut, den schwarzen Lieferwagen abstellt, die falschen Kennzeichen abnimmt und in aller Seelenruhe beim Bäcker einkauft. Nicht nur der Täter ist der Polizei in diesem Film immer mindestens einen Schritt voraus, auch der Zuschauer. Es geht hier nicht darum, von der Couch aus den Mörder zu erraten, sondern Empathie für seine Taten zu wecken. Oder zumindest ein ambivalentes Gefühl zu erzeugen: Soll man jetzt hoffen, dass die Polizei den Schützen schnappt oder hofft man, dass Amstad davonkommt, weil er eigentlich ein guter Kerl ist und nur die wirklich bösen Jungs umnietet? In seine angefeilten Projektile hat er Paragrafenzeichen graviert. Er sieht sich im Recht und die Zuschauer tun das möglicherweise auch.

 

Sehenswert trotz kleiner Schwächen

 

Der Haken an der Geschichte: Zwar sind drei der Toten allesamt skrupellose Verbrecher, die wegen einer Änderung der Schweizer Strafprozessordnung bisher nicht verurteilt wurden, doch mindestens zweimal erwischt Amstad auch die Falschen. Zudem werden die vorangegangenen Taten der Opfer nur angerissen, tiefe Abneigung kann sich so nicht einstellen. Amstad selbst ist bis zum Schluss ein Rätsel. Man erfährt nur wenig über ihn und seine kranke Frau. "Er ist kein Psychopath. Er ist ein stolzer Mann", analysiert ein Profiler. Dass uns sein Schicksal trotzdem packt, liegt maßgeblich am tollen Spiel von Antoine Monot, Jr., seinem friedfertigen Teddy-Look in Verbindung mit seiner Verzweiflung und Panik.

Gerade weil vieles im Unklaren bleibt, geht die Dramaturgie in diesem von Regisseur Florian Froschmayer (Buch: Urs Bühler) inszenierten "Tatort" am Ende auf. Mag sein, dass die völlige Humorlosigkeit von Flückiger und Ritschard bei vielen Fällen einschläfernd wirkt, hier passt die Trostlosigkeit der Ermittler zum Gesamtbild. Wirklich störend ist wieder einmal nur die Nachsynchronisation, durch die viel Authentizität verloren geht und gerade die Dialoge seltsam matt und distanziert klingen. Allerdings ist das ein Makel, der weder dem Regisseur noch den Schauspielern anzulasten ist. Die haben diesmal ihre Hausaufgaben gemacht.

 

 

 

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