Mittendrin in der Schlägerei: So war der Köln-Tatort

Im 80. Kölner „Tatort: Ohnmacht“ wird der der Sonntagabendkrimi zum modernen Horrorfilm – und rückt ganz schön auf die Pelle. Die AZ-Kritik.
von  Ponkie
Die Täter haben sich schnell verdrückt, Kommissar Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) kann sie nicht aufhalten.
Die Täter haben sich schnell verdrückt, Kommissar Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) kann sie nicht aufhalten. © WDR / Uwe Stratmann

Langsam aber sicher kommen die regionalen „Tatort“-Teams alle in die Jubiläums-Jahre und polieren ihr individuelles Profil. So stilisieren die Kölner Kommissare Ballauf und Schenk (Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär) in ihrer 80. „Tatort“-Folge „Ohnmacht“ (Buch: Andreas Knaup, Regie: Thomas Jauch, ARD/WDR) ihre Dönerbuden-Aura und ihren redlichen Sinn für schlichten moralischen Anstand mit jener Fassungslosigkeit, mit der wir immer wieder jugendlichen Brutal-Exzessen gegenüberstehen: Die Fälle häufen sich, das Jugendstrafrecht greift nicht, die einen reagieren mit geballter Lynchwut, die anderen mit Angst und vor allem Wegschauen.

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Bei diesem rabiaten Überfall von U-Bahn-Rowdys wird ein Musikschüler totgeschlagen – und keiner will etwas gesehen haben. Dazu bedienen sich die Beteiligten ganz gezielt der Juristenkniffe ihrer Anwälte und können sich – mit der Unterstützung ihrer Eltern – schließlich jeder Verantwortung entziehen.

Dass obendrein dann noch eine Familientragödie um ein gehätscheltes Wunschkind zum Vorschein kommt, verschafft dem Spannungsbogen ein paar atemlähmende Momente: Corinna Kirchhoff und Felix von Manteuffel als spätes Elternpaar einer scheinbar ganz braven Tochter spielen ein ganz eigenes Psychodrama in diesen „Tatort“ hinein.

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Und auch auch die persönliche Verstrickung wird bei den „Tatort“-Kommissaren immer beliebter: Ballauf geriet zufällig in die brutale U-Bahn-Schlägerei hinein und wurde mitten im Gemenge zur Zielscheibe.

Die „Ohnmacht“ ist also überall: Wem wird geglaubt, wem nicht? Wer lügt am glaubwürdigsten? Wie abgründig muss die Stimmung in der Feierabend-Dönerbude sein – nach einer solchen Direkterfahrung aus allernächster Nähe? Der „Tatort“ als moderner Horrorfilm, Nicht neu, aber böse hautnah.

 

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