Kritik von Philosophen an Pep Guardiola: "Härter als Hoeneß zu beurteilen"

In Barcelona galt er in den 90er Jahren als „der Mann, der liest“, als Intellektueller in der quasi analphabetischen spanischen Fußballkultur. Damals war Pep Guardiola nur ein Spieler, sehr erfolgreich, aber eben noch mit beiden Beiden auf der Erde. 2008 wurde er Cheftrainer vom FC Barcelona und verzauberte die Fußballwelt durch die unglaubliche Spielkultur seiner Mannschaft. Schon mit 42 Jahren schwebt Guardiola als Cheftrainer beim FC Bayern wirtschaftlich und sportlich den nationalen Konkurrenten weit enteilt und den internationalen mindestens einen Schritt voraus ist.
Eilenberger geißelt die „Unmündigkeit“ der Journalisten
Nun erntet Guardiola heftige Kritik. In einem Interview mit „Zeit online“ nennt Wolfram Eilenberger, Chefredakteur der Zeitschrift „Philosophie Magazin“, Bayern-Fan und Inhaber einer DFB-Trainerlizenz, den Bayern-Cheftrainer „moralisch unglaubwürdig“ wegen dessen besonderer Verbindung zu Katar, dem in Verruf geratenen Ausrichterland für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022. Guardiola spielte dort in den späten Jahren seiner Karriere von 2003 bis 2005 beim al-Ahli Sports Club und gilt als der Mann, der seinem Ex-Club Barcelona die Verbindung zum Sponsor Qatar Foundation organisierte.
Selbstverständlich ist Guardiola deshalb nicht verantwortlich für die von Amnesty International kritisierte, systematische Ausbeutung der Arbeiter, die teilweise unter sklavenähnlichen Bedingungen auf den WM-Baustellen schuften. Ebenso wenig für die Menschenrechtsverletzungen im Emirat.
Aber Guardiola schweigt hartnäckig zu diesen Themen, gerade weil er wohl weiterhin viel Geld aus Katar bezieht für seine Funktion als Image-Botschafter. Eilenberger ärgert dies umso mehr, da Guardiolas Ruf unmittelbar auf ethischen Werten gründete: „Als er beim FC Barcelona tätig war, hat er diese Marke ethisch aufgeladen: sagenhafte Jugendförderung, flache Hierarchien, Bescheidenheit der Spieler, Fairness auf und neben dem Platz – das ganze Programm. Wir glaubten es gerne.“ Dass Guardiola dann auch noch bekannte, Immanuel Kant zu lesen und Hermann Hesse zu lieben, erschloss ihm noch ganz andere Kreise der Bewunderer.
Wen störten da schon die Doping-Geschichten aus seiner aktiven Zeit in Italien, oder die Gerüchte, er habe als Trainer von Barcelona Spieler mit Hilfe von Detektiven überwachen lassen?
Schwerer aber wiegt Guardiolas Schweigen zu den Menschenrechtsverletzungen in Katar. Auf den offenen Hilferuf des französischen Fußballprofis Zahir Belounis, der eineinhalb Jahre Katar nicht verlassen durfte, reagierte Guardiola schmallippig. Er ließ ausrichten, „nicht genügend informiert“ zu sein. Damit habe Guardiola den Wertekanon, den man mit ihm verbindet und er zu vertreten vorgibt, schäbig unterlaufen, urteilt Eilenberger und fordert, sich ein neues Bild von Guardiola zu machen. Dabei nimmt sich der Philosoph den deutschen Journalismus zur Brust, der mit seiner Heiligsprechung von Guardiola „vollkommen versagt“ habe und an die Stelle von journalistischer Aufklärung „kindische Bewunderung“ gestellt habe: „Im Fall Guardiola scheint man in der Presse Unmündigkeit aber nicht nur zuzulassen, sondern sogar zu genießen“, sagt Eilenberger.
"Guardiola ist viel härter al Hoeneß zu beurteilen"
Milder hingegen urteilt der Philosoph über die Causa Hoeneß, den er als „charakterologisch nicht gebrochen“ einstuft: „Dass er ein christlich-sozialer Schlawiner ist, ahnte man lange. Seine vielen Talkshow-Auftritte wirken im Nachhinein natürlich peinlich. Doch Guardiola ist viel härter zu beurteilen. Die Achtung, die ihm als Trainer sportlich zusteht, ist genau so gerechtfertigt wie die ethische Missachtung, die er für sein Verhalten im Fall Katar verdient.“
Der Fan wird wohl weiter den Fußball um den Preis der selbst gewählten Unmündigkeit genießen. Es ist jedenfalls nicht zu vermuten, dass das „Philosophie Magazin“ nun zum Lieblingsheft der Südkurve wird.